Heute arbeitet Angelo als Tourguide für das Sozialprojekt „Supertramps“.
Heute arbeitet Angelo als Tourguide für das Sozialprojekt „Supertramps“.
„Mein Dach über dem Kopf ist der Himmel“, sagt Angelo, der als Nomade in ganz Europa unterwegs war. Der ehemalige Obdachlose hat die Wiener Freudenau als Platz entdeckt, an dem er mit den Tieren und der Natur im Einklang sein kann.
Früher ist Angelo Capraio einmal der Erwerbsarbeit nachgegangen. Damals hat er noch bei seinen Eltern in Lilienfeld gewohnt und hieß Engelbert. Geboren am 12. Jänner 1951. Er arbeitete in Fabriken und war immer wieder arbeitslos. Die Betriebe gäbe es heute gar nicht mehr, sagt er.
Irgendwann dachte er sich, arbeitslos könne er überall sein. Also machte sich Angelo auf die Reise nach Unbekannt. Allein war er dabei nicht. Sein ständiger Begleiter war eine Eselstute namens Lexi: „Ich war fünfzehn Jahre lang mit Eseln unterwegs, insgesamt waren es zehn. Mit dem ersten habe ich den Jakobsweg gemacht, hin und zurück von der französisch-italienischen Grenze aus.“
Mit dem Esel, sagt Angelo Capraio, könne man Hotelkomfort neben sich herschweben lassen. Er habe seine fünf Schlafsäcke transportiert, ihm Wärme gespendet und Sicherheit gebracht. Auch Jesus, für Angelo der erste Obdachlose der Geschichte, sei mit einem Esel nach Jerusalem eingezogen. Und die Heilige Familie sei bei ihrer Flucht aus Ägypten auch mit Eseln unterwegs gewesen.
„Der Esel ist ein Kommunikationsschlüssel zu allen möglichen Lebewesen. Ich und meine Eseln wurden von Füchsen besucht und Wildschweine haben uns begleitet“, sagt Angelo
Auch in Wien war Angelo lange Zeit nomadenhaft unterwegs. So arbeitete er unter anderem am Freudenauer Winterhafen für den Kapitän Franz Scheriau und durfte im Gegenzug auf dessen Schiff übernachten. Viel Holz habe er für den Kapitän gehackt. Mit der Motorsäge wollte er das Holz nicht schneiden. Angelo Capraio arbeitet viel lieber mit seinen Händen, der Technik steht er eher skeptisch gegenüber.
In Italien und Frankreich war er als Hirte unterwegs. Und es zog ihn noch viel weiter fort: „Das östlichste Gebiet war die persische Grenze. Das südlichste das Mekka von Mexiko City. Am Heiligen Abend wurde ich an der mexikanischen Grenze zur USA verhaftet, weil ich illegal eingewandert bin. Mir war das ganz recht, denn ich hatte ja kein Rückflugticket nach Europa. Sie setzen mich in den Flieger nach Deutschland und dann sollte ich weiter nach Wien abgeschoben werden. Aber ich verließ den Flughafen und machte mich per Anhalter auf Richtung Frankreich.“
Angelo Capraio war Zeit seines Vagabundendaseins mit Tieren in der Natur unterwegs. Mit ihr fühlt er sich im Einklang. Immer wieder habe er erlebt, wie Menschen des Profits wegen grausam mit der Natur umgehen. So fand er zum Beispiel radioaktiv verseuchten Plastikmüll in einem Waldgebiet nahe dem Atomkraftwerk Cadarache in Südfrankreich. Anderswo entdeckt er eine Pfirsichplantage, deren Bäume samt den Früchten gefällt worden waren. „Ein Pfirsich ist doch eine kostbare Frucht! Irgendwelche bürokratischen Kleingeister entscheiden über die Zerstörung so vieler Hektar Obstbäume. Einfach so! Und dann dauert es wieder zehn bis fünfzehn Jahre, bis so ein Pfirsichbaum steht“, ist Angelo Capraio erzürnt.
Die Knechtschaft der Menschheit sei das Geld, der schnöde Mammon, sagt Angelo. Der Mensch sei angekettet an das Materielle. Daran wollte er sich nie binden, wollte nie sesshaft sein.
Im Jahr 2009, als Angelo 60 Jahre alt wurde, zog er dann doch in eine Wiener Gemeindebauwohnung. Hier arbeitet er jetzt als Tourguide für das Sozialprojekt „Supertramps“. In speziellen Stadtführungen zeigen obdachlose und ehemals obdachlose Menschen ihr Wien.
In die Ferne zieht es ihm doch immer wieder. Es gäbe da solche Gegenden, die würden ihm besonders gefallen. „An diesen Orten beginnen die Esel vor Freude zu tanzen. Besonders liebe ich Zedernwälder, wohlriechend und edel. Es gibt nichts Schöneres.“
Angelo, der als Nomade schon in ganz Europa unterwegs war, erzählt er von seinem Leben als ewiger Pilger am Samstag, 11. März, 19-20 Uhr.
DaCapo am Mittwoch, 15. März, von 21-22 Uhr.
Nachhörbar auf www.radioklassik.at als podcast.
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