Podiumsdiskussion des Instituts für Ehe und Familie zum Thema Down-Syndrom.
Podiumsdiskussion des Instituts für Ehe und Familie zum Thema Down-Syndrom.
Am 21. März wird weltweit der Down-Syndrom-Tag begangen. Im Vorfeld forderten Experten bei einer Diskussion am Institut für Ehe und Familie einen Bewußtseinswandel zugunsten Menschen mit besonderen Bedürfnissen und unabhängige Beratung rund um die Pränataldiagnostik.
Die Entscheidung von schwangeren Frauen für oder gegen ein Kind mit Behinderung hängt massiv davon ab, welche Perspektiven sie für ihre Zukunft erkennen können: Zu diesem Schluss kamen Experten bei einer Wiener Diskussionsveranstaltung des Institut für Ehe und Familie (IEF), zu der am Freitag Mediziner, Rechtsexperten, Politiker und Journalisten gekommen waren. Anlass gab für die Einrichtung der österreichischen Bischofskonferenz der Down-Syndrom-Tag, der am 21. März weltweit begangen wird - sowie eine kürzliche, umstrittene Entscheidung aus Frankreich, einen TV-Spot, der Kinder mit Down-Syndrom in positivem Licht zeigt, zu verbieten.
Der 2014 gedrehte Kurzfilm "Dear Future Mom" hat als Hauptaussage, dass Menschen mit Down-Syndrom trotz Problemen ein normales Leben führen können - und richtet sich dabei an eine werdende Mutter. Die Ausstrahlung im Werbeblock privater oder öffentlicher Sender wurde vom französischen Verwaltungssenat für Rundfunk jedoch untersagt, zumal er weder kommerzielle Werbung sei noch allgemeines Interesse verfolge, so die Begründung. Er sei zudem dazu geeignet, Frauen in einer möglichen Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch zu beeinflussen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte im November 2016 die Entscheidung.
In Österreich käme der zuständige Werberat nicht zu einem derartigen Spruch, so die Einschätzung von dessen Präsident Michael Straberger. Noch schärfer Medienanwalt Gerald Ganzger, der von einer politisch gewollten, "durchgeknallten" Entscheidung sprach: Frankreich wie auch Österreich hätten sich in der UNO-Behindertenrechtskonvention zu "wirkungsvollen, dauerhaften Maßnahmen, um das Ansehen von Menschen mit Behinderung zu heben" verpflichtet. Der diskutierte Spot erfülle genau diesen Zweck. Seine Verbreitung durch das Gesundheits- oder Familienministerium wäre laut Ganzgers Ansicht dennoch undenkbar: Zwecks ausgewogener Information müsse dann auch auf die Möglichkeit der Abtreibung hingewiesen werden.
"Österreich braucht Medien, um positive Bilder zu vermitteln und Bewusstsein für ein normales Leben zu schaffen", befand die Grünen-Behindertensprecherin Helene Jarmer. An gesellschaftlicher Akzeptanz und Selbstverständlichkeit im Umgang fehle es hierzulande noch sehr, etwa die arabischen Länder seien hier Österreich weit voraus.
Enormen Verbesserungsbedarf ortete auch Anna Wieser, die Leiterin von Down-Syndrom Österreich (DSÖ). Trotz mehr Unterstützung denn je würden so viele Kinder mit Down-Syndrom wie noch nie abgetrieben: Durch die Pränataldiagnostik werde ein "Planquadrat" und "Rasterfahndung" betrieben, wobei Schätzungen der Gynäkologen von einer Abtreibungsrate zwischen 80 und 95 Prozent ausgehen, so die Selbsthilfe-Expertin.
Bessere Krisenintervention rund um Pränataltests forderte die klinische Psychologin Anita Weichberger vom Wiener AKH: Die Gesellschaft dürfe Schwangere zu diesem Zeitpunkt nicht alleine lassen, zumal durch die Diagnostik nicht nur Wissen, sondern auch Mitverantwortung für die Entscheidung der Frau entstehe, "wie auch immer diese ausfällt". Diese Mitverantwortung müsse auch spürbar werden - indem Frauen und Paaren in der Beratung zu einer Entscheidung begleitet werden, die sie dann auch langfristig vertreten können. Nur selten würde jedoch auf das Angebot unabhängiger Beratung verwiesen, so die Einschätzung Weichbergers: "Meist beraten die Ärzte selbst."
Weil Pränatal-Diagnosen stets in Momenten einer "tiefen psychischen Krise" der Frauen stattfänden, seien Möglichkeiten einer "emotionalen Verarbeitung" extrem wichtig, betonte Weichberger - ebenso wie ausreichend Information "und vor allem Zeit": Ein Tag sei für eine gute Entscheidung fast immer zu wenig, was die Beteiligten meistens unterschätzten. Im AKH Wien sei man mittlerweile davon abgekommen, wie früher in einem Atemzug mit der Diagnose bereits das Bett für den Schwangerschaftsabbruch zu reservieren. "Eine gesetzlich verankerte drei-Tages-Frist wie in Deutschland gibt es dennoch nicht - die Handhabung ist dem jeweiligen Institut überlassen", erklärte die Psychologin.
Die Beratung sollte darauf abzielen, bei den werdenden Eltern ein realistisches Bild von Behinderung zu ermöglichen, ergänzte Wieser. Wichtig sei dies, da in den Köpfen meist "wirre, angstbesetzte Vorstellungen" verankert seien und darüber hinaus von Seiten der die Tests durchführenden Ärzte - auch aus Angst vor späteren Klagen - vorrangig Risiken und Gefahren angesprochen würden.
Mut zum Unvollkommenen
Sie wolle Menschen Mut machen zu "nicht vollkommenen Kindern", sagte die Wiener Publizistin Julia Schnizlein. Die Erwartungshaltung an die Pränataldiagnostik sei groß, sie solle "Fehler finden und beseitigen". Wer sich trotzdem für das Kind entscheide, müsse damit leben, gegen den Mainstream zu schwimmen, aufgrund von späteren Reaktionen wie: "Haben Sie das nicht gewusst?" so die News-Journalistin, die selbst Mutter eines Kindes mit schwerem Herzfehler ist. Ihr selbst hätten bei der Entscheidung für das Kind der Kontakt mit anderen Betroffenen sowie das Einholen von Informationen geholfen. Moralische Prägungen würden in derartigen Momenten ohnehin nicht helfen.
Zu einem Bewusstseinswandel im Bildungsbereich rief DSÖ-Vertreterin Wieser auf. Derzeit gebe es in Österreich für Menschen mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen gar keine Möglichkeit, länger als bis zum 15. Lebensjahr im Bildungssystem zu verbleiben. "Nicht, dass alle Gymnasium und Matura machen müssen - aber es soll ihnen dennoch das gesamte Bildungsprogramm offen stehen", so ihre Forderung gegenüber "Kathpress". "Gespannt" sei sie, wie sich hier die geplante Abschaffung der Sonderschulen auswirken würde.
Handlungsbedarf sah die Expertin auch bei der Kirche, deren Schulen und Kindergärten sich mehr der Aufnahme von Kindern mit besonderen Bedürfnissen widmen sollten. "Derzeit kommt es auf den Goodwill oder auf die Personalsituation der jeweiligen Einrichtung an. Gäbe es ein Selbstverständnis, dass solche Kinder erwünscht oder willkommen sind, würde dies viel ändern."
Institut für Ehe und Familie:
www.ief.at