Theologisch deutet P. Schörghofer „Your own personal Jesus“ so, „dass der vom Kreuz abgenommene und auferstandene Christus die Zeit durchdringt und im Lauf der Zeit die Welt in die Christusgestalt hinein verwandelt wird.“
Theologisch deutet P. Schörghofer „Your own personal Jesus“ so, „dass der vom Kreuz abgenommene und auferstandene Christus die Zeit durchdringt und im Lauf der Zeit die Welt in die Christusgestalt hinein verwandelt wird.“
Der Gekreuzigte als Uhr, ein Lego-Kruzifix oder ein kreuzförmiges Stofffleckerl: Man kann sich darüber aufregen oder neue Perspektiven entdecken. P. Gustav Schörghofer SJ rät zu Letzterem.
In der Konzilsgedächtniskirche im 13. Bezirk Wiens hängt hoch oben an der Wand ein hölzerner Corpus, die Darstellung eines Gekreuzigten ohne Kreuz. Mal liegt er waagrecht, mal hängt er kopfüber. Er bewegt sich mit der Zeit, denn er ist Teil einer Uhr. Ein Arm ist der Sekundenzeiger, der andere zählt die Minuten und der Rumpf zeigt die Stunde an.
Der österreichische Künstler Manfred Erjautz hat den Corpus vor Jahren aus dem Müll gefischt, ihn sorgsam getrocknet und später in eine Uhr verwandelt. „Your own personal Jesus“ – „dein eigener persönlicher Jesus“ – nennt Erjautz dieses ungewöhliche Werk in Anlehnung an einen Popsong aus dem Jahr 1990.
P. Gustav Schörghofer SJ, Pfarrer in Lainz-Speising und Initiator vieler Kunstprojekte, hat „Your own personal Jesus“ in die Konzilsgedächtniskirche geholt.
Die Reaktionen der Messbesucherinnen und -besucher sind unterschiedlich und mancher fragt: Darf man das denn?
„Wenn davon die Rede ist, was die Kunst darf oder nicht darf, sollte zuerst sorgfältig geschaut werden, was sie tut“, meint P. Gustav Schörghofer im Interview mit dem SONNTAG. Er betont, Manfred Erjautz sei mit dem entsorgten Corpus sehr sorgfältig und mit großem Respekt umgegangen. „Die Darstellung wurde nicht zerstört, sondern bewahrt und der Gekreuzigte, vom Kreuz gelöst, ins Bewegte übergeführt. Das darf die Kunst.“
Durch seine Kunst habe Erjautz den halb zerfallenen Corpus – eine Allgäuer Schnitzerei des späten 19. Jahrhunderts – zu neuen Würden gebracht. Der Künstler bezeichnet sein Tun als „sakrale Chirurgie“. „Künstlerisch gesehen ist es die Transformation einer statischen Gestalt ins Bewegte“, sagt Gustav Schörghofer, „es ist auch die Transformation des Nicht-mehr-Gebrauchten in eine neue Kostbarkeit.“
Theologisch deutet P. Schörghofer „Your own personal Jesus“ so, „dass der vom Kreuz abgenommene und auferstandene Christus die Zeit durchdringt und im Lauf der Zeit die Welt in die Christusgestalt hinein verwandelt wird.“ Er verweist auf 1 Kor 15, wo es unter anderem heißt: „Seht, ich enthülle euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber wir werden alle verwandelt werden.“ (15,51)
Manfred Erjautz’ „Your own personal Jesus“ löse viele positive und einige negative Reaktionen aus, berichtet P. Gustav Schörghofer: „Negativ reagieren Menschen, die spontan von dieser Christusfigur beunruhigt, gestört oder sogar verletzt werden. Wenn ich diesen Menschen zuhöre, dann zeigt sich, dass die Figur eine Verletzung in ihnen berührt.“ Die Bereitschaft, sich tiefer mit der Arbeit auseinanderzusetzen, fehle manchmal. „Andere Menschen zu verstehen ist immer sehr schwierig. Vor allem dann, wenn sie nicht bereit sind, eine spontane Reaktion in Frage zu stellen und sich auf etwas Neues einzulassen. Ich respektiere das.“
Neues und Altes rund um das Kreuzzeichen präsentiert P. Gustav Schörghofer in der Ausstellung „Es ist ein Kreuz“ im Jesuitenfoyer im 1. Bezirk. Aus fünf Jahrhunderten stammen die Exponate, unter denen sich höchst anspruchsvolle Kunstwerke sowie Darstellungen von Kindern, ein Kreuz aus Legosteinen und ein Bierkrug befinden.
Neben einem spätgotischen Corpus hängt ein kleines, an ein Kreuz erinnerndes Stoffresterl. Für P. Schörghofer besitzt es besondere Bedeutung, er hat es von der steirischen Künstlerin Petra Buchegger erhalten. „Der Blick des Glaubenden entdeckt Kreuz und Auferstehung dort, wo andere gar nichts erkennen“, so der Jesuit. Es hänge vom Blick des Betrachters ab, ob die Gegenwart des Zeichens erkannt wird.
Ein erklärenden Text zu „Your own personal Jesus“ von Gustav Schörghofer
Your own personal Jesus
Your own personal Jesus ist der Titel eines Lieds von Depeche Mode. Manfred Erjautz hat ihn für die Benennung seiner Skulptur übernommen. Ein Christus-Corpus des späten 19. Jahrhunderts wurde von Erjautz im Keller eines Hauses gefunden und aus dem Müll gerettet. Wegen der Qualität der Schnitzerei, aus Ehrfurcht vor dem gut geübten Handwerk hat Manfred Erjautz den Christuskörper über Jahre aufbewahrt und getrocknet. Dann kam die Idee, den Corpus zu transformieren, ihn in eine Uhr zu verwandeln. Die Arme wurden vom Rumpf abgezogen, das Holz mit Kunstharz gefestigt.
Als cheirourgia bezeichneten die Griechen das Ausüben eines Handwerks oder einer Kunst. Manfred Erjautz spricht von einer „sakralen Chirurgie“. Zur Wertschätzung des Handwerks der Schnitzer und der eigenen sorgfältig geübten Handwerkskunst kam noch ein Drittes: die Handwerkskunst von Schauer & Sachs, die ein spezielles Uhrwerk schufen. Umgekehrt zu üblichen Uhren ist hier der Stundenzeiger zuvorderst, dann Minuten- und Sekundenzeiger. Die Hauptuhr empfängt ein DCF 77 Signal und wird so mit einer Atomuhr bei Frankfurt verbunden und exakt gesteuert.
Das Statische des am Kreuz Hängenden ist in das Bewegte einer mobilen Skulptur gewandelt, das Dauernde eines Stillstands in das Fortschreitende vergehender Zeit. Die Bewegung stellt einen Vorübergang dar, ein Vergehen, und ist zugleich auch ein Stillstand, da alle Bewegung im Kreis geht. Bewegung und Innehalten – der Sekundenzeiger steht in der 12Uhr-Position kurz still, um ein Signal zu empfangen – beides ist hier gestaltet. Die Figur nimmt immer neue Gestalten an, sie formt und deformiert sich immer neu im Lauf der Zeit.
Eine Kunst nach der Kunst: Wenn die Kunst aus dem Müll zu neuem Leben ersteht, das Unbrauchbare über alle Brauchbarkeit hinaus zu Ehren kommt (Schwitters und die Folgen), dann sind wir in einer neuen Zeit angekommen. Das Hinfällige wird durch eine „sakrale Chirurgie“ in ein Jenseits seiner Hinfälligkeit überführt, in eine neue Zeit. Hier geschieht eine Bewegung, die im Innehalten immer wieder zurückgeholt wird in den Gleichklang mit einer kosmischen Bewegung, durch die Ausrichtung an Vorgängen im atomaren Bereich. Die Figur ist in einem steten Wandel begriffen. Sie zerstört sich jedoch nicht, sondern stellt sich immer neu her.
Der Christus begegnet hier vom Kreuz losgelöst als bewegte, mit der Bewegung der Atome zusammenklingende Gestalt. Dargestellt ist ein Durchdringen der Welt, des Kosmos, eine Verwandlung der Welt in die Bewegung des Christus hinein. Bewegung und Stillstand, ein nunc stans, ein Anhalten der Zeit, sind auf zweierlei Weise zu finden: im Innehalten des Sekundenzeigers und im Gleichbleibenden der vergehenden Zeit. Wir sind hier in einem Jenseits des Kreuzes, des Todes, im Feld des auferstandenen Christus. Hier ist seine Präsenz zu erfahren und zugleich zerfällt die Figur, sind immer noch Vergehen und Hinfälligkeit im Verrinnen der immer gleichen Zeit zu erfahren. Die Erfüllung ist schon da, die Verwandlung der Welt ist bereits geschehen, Gott lebt in ihrer Mitte, durchdringt sie – und doch ist die Erfüllung noch nicht da, da die Zeit verfließt und dem Kommenden erst noch Raum geschaffen werden muss.
Manfred Erjautz ist auf eine beeindruckende Weise die Transformation einer statischen Gestalt ins Bewegte gelungen, die Verwandlung des Gleichbleibenden einer starren Skulptur in das Transitorische des Mobilen. Theologisch betrachtet sind hier die Präsenz des Auferstandenen und seine Durchdringung der Welt im Wandel vergehender Zeit zu sehen, eine Realität, die in der Konzilsgedächtniskirche vergegenwärtigt und gefeiert wird.
Gustav Schörghofer SJ
Your own personal Jesus ist in der Konzilsgedächtniskirche in Lainz während der Fastenzeit bis zum 8. April 2017 zu sehen.
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„Your own personal Jesus“ von Manfred Erjautz ist eine Christusfigur mit Uhrwerk.
„Your own personal Jesus“ bis 8. April
in der Konzilsgedächtniskirche
Lainzer Str. 136
1130 Wien
Das Lied, dem das Kunstwerk seinem Namen verdankt:
Die Cover-Version von Johnny Cash:
Eine Meinungsumfrage in der Konzilsgedächtniskirche.
Es ist ganz großartig, dass man bildende Kunst bzw. Skulpturen in einer Kirche präsentiert. Mir gefällt dieses Kunstwerk sehr gut. Es ist schön, dass es der Blickfang ist – nicht irgendwo steht, sondern: Es ist nach oben gedeutet. Es hängt in der Luft und ist am Rand befestigt. Man kann hinaufschauen, das ist das Schöne daran.“
Georg Schück
Ich habe das Kunstwerk schon öfter gesehen, weil ich öfter in dieser Kirche bin. Es macht, ehrlich gesagt, einen leicht verstörenden Eindruck auf mich. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich hier um Jesus handelt, ist das ein zerteilter Mensch, der eine Uhr darstellt. Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll.“
Johanna Kniely, 18
Es ist ziemlich kontrovers, aber ich finde es gut, dass Kunst in die Kirche eingebracht wird. Wobei ich sagen muss, dass sich, glaube ich, bei dem Kunstwerk die Meinungen spalten.“
Nicole Kuniewicz, 18
Ich finde dieses Kunstwerk sehr schön, es spricht mich auch sehr an. Ich bin nicht wirklich kunstinteressiert – wenn mir etwas gefällt, dann gefällt es mir ganz einfach. Es ist ein mutiger Schritt, in neuen Zeiten etwas Neues zu wagen. Und es ist wichtig, junge Leute anzusprechen, damit sie wieder in die Kirchen gehen und sich von dem Ganzen begeistern lassen.“
Lukas Zimmermann, 29
Das „Kreuz für Ungläubige“ von Michel Blümel (1920er Jahre) ist im Jesuitenfoyer zu sehen.
Wo? Jesuitenfoyer, Bäckerstraße 18
Wann? bis 2. Mai – Sonntag 12-13 Uhr, Montag & Dienstag 16-19 Uhr
Eintritt frei
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at