Singend unter frohen Flöten- und Gitarrenklängen ziehen die Pilger am Palmsonntag von Betfage über den Ölberg nach Jerusalem.
Singend unter frohen Flöten- und Gitarrenklängen ziehen die Pilger am Palmsonntag von Betfage über den Ölberg nach Jerusalem.
Es ist ein buntes Fest der Bilder und Klänge, wenn in der Karwoche ortsansässige Christen und Pilger in Jerusalem die Feierlichkeiten der wichtigsten Woche des Jahres begehen: an jenen Orten, an denen die Ereignisse im Leben Jesu stattgefunden haben.
Dieses Jahr fallen diese Feierlichkeiten für die Lateiner und die orthodoxen Christen auf denselben Termin.
Die Karwoche beginnt offiziell mit der Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag mit einer Frühmesse um 8 Uhr in der Auferstehungskirche. Dann um 14.30 Uhr bewegen sich – unter Gebeten und Gesängen in allen Sprachen – Tausende von Christen aus aller Welt in einer freudvollen Prozession von Betfage, den Westhang des Ölberges hinunter über das Kidrontal in die Altstadt. Die Prozession ist multikulturell.
Menschengruppen aus vielen Nationen schwenken ihre Fahnen und singen Freudenslieder von Gitarrenmusik begleitet auf Arabisch, Polnisch, Deutsch und Italienisch, Koreanisch, Englisch. Kinder tragen festlich verwobene Palm- oder Olivenzweige.
Eine Gruppe lächelnder Koreaner in gelben T-Shirts und weißen Mützen wird gefolgt von begeisterten polnischen Pilgern mit ihren roten Fahnen. Junge Lateinamerikaner singen und tanzen. Bei der St. Anna-Kirche, dem Standort des Bethesda-Teichs, wo Jesus die Gelähmten heilte (Johannes 5,1-18), endet die Palmwedel-Prozession.
Nach der Ansprache des Lateinischen Patriarchen kommen die Spielmannszüge der christlich-arabischen Pfadfinder zum Einsatz. In ihren farbenfrohen Uniformen spielen sie voller Begeisterung Dudelsack, blasen auf der Trompete oder schlagen ihre Trommeln. „Hosianna, dem Sohne Davids! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“
Am Gründonnerstag zelebriert der Lateinische Patriarch von Jerusalem um acht Uhr morgens in der Grabeskirche ein Pontifikalamt mit Fußwaschung. Am Nachmittag erfolgt die traditionelle „Peregrinatio“ der Franziskaner zum Coenaculum auf dem Zionsberg. Um 21 Uhr beginnt eine Meditation beim Garten Gethsemane, in der Pilger und lokale Christen gemeinsam mit Jesus wachen und beten. Darauf folgt eine Lichterprozession zur Kirche St. Peter in Gallicantu, die traditionell als der Ort bekannt ist, an dem Jesus die Nacht nach seiner Gefangennahme verbrachte.
Am Karfreitag gibt es in der Via Dolorosa kein Durchkommen mehr. Der allgemeine Zug beginnt zur Mittagszeit. Angeführt von den Franziskanern folgen die Gläubigen, die Geistlichen und Ordensleute dem Weg des Kreuzes auf der Via Dolorosa, die letzten Momente Jesu nachvollziehend, bevor er sein Leben für die Menschheit hingab. Die Gläubigen singen lateinische Hymnen und Kirchenlieder in ihren Muttersprachen. Manche tragen große Holzkreuze auf ihren Schultern.
An den Stationen des Kreuzweges lesen sie die entsprechende Bibelstelle, beten das Vaterunser und das Ave Maria. „Es ist ein wunderbarer Moment, den Spuren von Jesus Christus zu folgen, an dem Platz zu sein, an dem Jesus Christ seine letzten Schritte tat, bevor er für uns starb“, sagte eine Pilgerin aus Mexiko.
Ihren Höhepunkt erreichen die Ereignisse mit der Feier der Auferstehung des Herrn, dem sogenannten Fest der Lichter. In der Auferstehungskirche betritt der Griechisch-Orthodoxe Patriarch das Grab Jesu, nachdem er von den israelischen Behörden auf Feuerzeuge oder andere Mittel zur Entzündung von Feuer untersucht wurde.
Während die Gläubigen vor dem Grab Gebete und Hymnen singen, spricht der Patriarch einige Gebete, bis die heilige Flamme spontan aus dem Stein hervorbricht, unter dem Jesu Leib gelegen hat.
Der Patriarch entzündet 33 weiße Kerzen, die er zuvor zusammengebunden hat. Dieses wundersame Feuer ist ein Symbol für die Kraft der Auferstehung und den brennenden Dornbusch am Berg Sinai. Durch kleine Schächte in der Grabwand reicht nun der Patriarch das Feuer heraus.
Innerhalb von Sekunden entzünden die Gläubigen ihre mitgebrachten faustdicken Kerzenbündel. Alle Glocken läuten. Die Menschen eilen mit brennenden Kerzen ins Freie, um die frohe Botschaft durch die Stadt zu tragen: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden.“
der Autor
Karl-Heinz Fleckenstein
ist Schriftsteller, Journalist und Reiseführer im Heiligen Land.
Artikel aus seiner Serie "Blick aus Israel"
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