Neue Einheitsübersetzungen der Bibel auf einem Tisch: Links die evangelische Lutherübersetzung, in der Mitte die katholische Ausgabe, rechts die katholische Sonderausgabe 2017.
Neue Einheitsübersetzungen der Bibel auf einem Tisch: Links die evangelische Lutherübersetzung, in der Mitte die katholische Ausgabe, rechts die katholische Sonderausgabe 2017.
Mit 1. September wird Elisabeth Birnbaum Direktorin des Katholischen Bibelwerks Österreich. Die Alttestamentlerin im SONNTAG-Gespräch über ihre Liebe zur Musik und wie sie zur Bibel fand.
Manche nennen es „Schicksal“, Elisabeth Birnbaum nennt es theologisch korrekt „Fügung“: Nämlich den Umstand, dass und wie sie von der Musik zur Bibel gefunden hat. „Es hat sich Schritt für Schritt so gefügt“, sagt die ausgebildete Sängerin. Die Musik war ihr Ein und Alles. Sie ist in einer Musikerfamilie aufgewachsen, „mein Vater war Philharmoniker, meine Mutter Musik- und Deutschprofessorin“. Sie selbst ist „in der Oper aufgewachsen“. „Ich wollte nie etwas anderes als Opernsängerin werden. Bis heute könnte ich ohne Musik nicht leben“, sagt Birnbaum.
Kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag beschloss sie, ihr Leben „zu ändern, ihm noch einmal eine neue Ausrichtung zu geben“. Birnbaum ging auf die Berufs- und Studienmesse („BeSt“), sah sich alles an, wertete alles aus und es kam Theologie heraus. „Meine erste Vorlesung, die ich auf der Theologischen Fakultät besuchte, war Altes Testament bei Professor Georg Braulik. Und da habe ich dann gewusst, das ist es“, sagt sie rückblickend. Zum Alten Testament hatte sie auch einen Bezug aus ihrer gesanglichen Vergangenheit, Stichwort Oratorien.
Wann haben Sie das erste Mal in der Bibel gelesen?
Elisabeth Birnbaum: Eine gute Frage. Das muss im Religionsunterricht mit zehn Jahren gewesen sein.
Welche Erinnerungen haben Sie aus dieser Zeit?
Elisabeth Birnbaum: Ich hatte einen sehr guten Religionsunterricht in der Volksschule, dabei kann ich mich noch sehr gut an die Geschichte von Josef und seinen Brüdern (Genesis, Kapitel 37 bis 50) erinnern. Im Gymnasium in der Unterstufe waren es interessanterweise der Prophet Ezechiel und der Satz: „Gott ist nicht lieb, Gott ist gut.“ Das hat mich sehr aufgerüttelt und geprägt.
Wie oft lesen oder meditieren Sie die Heilige Schrift?
Elisabeth Birnbaum: Alleine schon aus beruflichen Gründen beschäftige ich mich den ganzen Tag mit der Bibel. In meiner Freizeit versuche ich darüber hinaus die liturgischen Texte zum Tag zu lesen.
Welches ist Ihr Lieblingsbuch in der Bibel?
Elisabeth Birnbaum: (Lacht) Immer das, womit ich mich gerade beschäftige.
Sie sind Alttestamentlerin: Warum ist es wichtig, dass Christen auch das Alte Testament regelmäßig lesen?
Elisabeth Birnbaum: Das hat viele Gründe. Einer der wichtigsten ist: um Christus zu verstehen. Es gibt den schönen Satz vom Kirchenvater Hieronymus: „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen.“
Und damit meinte er das Neue und das Alte Testament. Das Alte Testament ist die Heimat, aus der Christus kommt. Und auch die Heimat, aus der heraus er seine Sendung verstanden hat. Und auch, was er unter Gottes Volk, unter „Kirche“ versteht, kommt aus dem Alten Testament. Die Leute sind immer wieder überrascht, wenn ich versuche, ihnen das näherzubringen.
Das Neue Testament ist aus dem Geist des Alten Testaments geschrieben. Man schneidet seine Wurzeln ab, wenn man das nicht bedenkt und nicht beachtet. Das sogenannte Alte Testament war ja die Bibel Jesu und der ersten Jünger. Jesus kommt aus diesem Geist, er versteht sich aus diesem Geist heraus.
Warum ist die einfache und beliebte Gegenüberstellung – der gewalttätige Gott des Alten Testaments und der Gott der Liebe des Neuen Testaments – falsch?
Elisabeth Birnbaum: Weil sie von den Texten nicht gedeckt ist. Wir haben im Alten Testament Gewalttexte, wo auch Gott als Gewalttäter auftritt, aber wir haben dort auch mehrheitlich Texte, wo Gott sich wie eine Mutter erbarmt und der barmherzige Gott ist. Und umgekehrt gibt es einige Texte im Neuen Testament – die dann nicht so gern gelesen werden – die auch nicht nur den lieben Gott skizzieren. Aber diese Gegenüberstellung hält sich sehr hartnäckig.
Was ist Ihre aktuelle Tätigkeit in Linz?
Elisabeth Birnbaum: Ich bin Projektmitarbeiterin an der Katholischen Privat-Universität Linz und befasse mich mit Salomo-Rezeptionen in der Neuzeit in Musik und Literatur. Wir versuchen herauszufinden, wie verschiedene Zeiten die Bibel anschauen, aber auch, wie die biblischen Gestalten die Zeit mitprägen.
Welche Verbindung gibt es zwischen der Bibel und der Musik?
Elisabeth Birnbaum: Ich beschäftige mich mehr mit Vertonungen der Bibel als mit der Musik in der Bibel. Das ist von meiner Geschichte her mein Schwerpunkt.
Sie werden ab dem ersten September Direktorin des Katholischen Bibelwerks. Was wünschen Sie sich als Direktorin?
Elisabeth Birnbaum: Ich wünsche mir und ich werde das auch umzusetzen versuchen, die Bibel sichtbar zu machen. Die Bibel und die vielfältige Arbeit, die es jetzt schon gibt, sichtbarer zu machen und auch die Leute neugierig auf die Bibel zu machen, die bis jetzt wenig mit ihr zu tun hatten. Oder die über die Kunst mit der Bibel verbunden sind, ohne es genau zu wissen. Oder über die Literatur. Da versuche ich einzuhaken und die Leute neugierig zu machen. Die, die man nicht mehr neugierig machen muss, denen versuche ich zu zeigen, wo sie das bekommen können, was sie noch brauchen, um die Bibel besser zu verstehen. Und den anderen versuche ich Lust auf die Bibel zu machen.
Hat die Bibel den innerkirchlichen Stellenwert, den sie verdient?
Elisabeth Birnbaum: Das würde jede Bibelwissenschaftlerin mit Nein beantworten. Natürlich müsste vielmehr getan werden. Auch da werde ich versuchen, Akzente zu setzen, mit verschiedenen Initiativen, die wir vielleicht gesamtösterreichisch machen können. Damit das Thema Bibel mehr ins Bewusstsein kommt.
Wie steigt man dann am leichtesten in das Bibellesen ein? Haben Sie da
für die SONNTAG-Leserinnen und -Leser Tipps?
Elisabeth Birnbaum: Für Leute, die noch nie Bibel gelesen haben, empfehle ich einfachere Texte, Erzähltexte, etwa zu Abraham. Und Fortgeschrittenen dann durchaus einen Kohelet, durchaus dann auch sperrigere Texte, zum Beispiel den Propheten Ezechiel. Ja, auch das Buch Jesaja darf man sich gönnen.
Ein anderer Weg wäre: Ich schlage mal die Psalmen auf und schaue, ob es da einen Psalm gibt, der mich in meiner Tagesverfassung besonders anspricht. Für andere wäre es vielleicht schöner, zu sagen, ich nehme ein ganzes Buch, etwa das Buch Tobit, und lese es.
Für Wissensdurstige oder Forschernaturen wäre es spannend, bei Bible-Server (www.bibleserver.com) das Stichwort „Hoffnung“ einzugeben und zu schauen, was da für Texte rauskommen. Das wäre für die computervertraute Generation ein Zugang.
Alle, die einen Psalmtext suchen, könnten im Anschluss darüber nachdenken und meditieren und ihn wirken lassen. Und dann schauen, ob man den Nachbarpsalm auch noch mag.
Es kann Leute geben, die sich mit einem sperrigen Buch befassen wollen, etwa die Makkabäer-Bücher, weil sie wissen, dass die Welt nicht so einfach und so lieb ist. Und die vielleicht gerade bei Gewalttexten sagen: Gott sei Dank, dass das einmal thematisiert und nicht immer ausgeblendet wird.
Für Wissensdurstige oder Forschernaturen:
der Bible-Server www.bibleserver.com
Künftige Bibelwerkchefin Elisabeth Birnbaum
Werk der österreichischen Bischofskonferenz
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