Falls im Wiener Stadterweiterungsgebiet irgendwann Architekten für neue Kirchen gesucht werden, wären sie vorbereitet.
Falls im Wiener Stadterweiterungsgebiet irgendwann Architekten für neue Kirchen gesucht werden, wären sie vorbereitet.
16 Architekturstudenten haben im laufenden Sommersemester an der Technischen Universität Wien die Lehrveranstaltung „Kirchenbau in der Seestadt Aspern“ absolviert. Falls im Wiener Stadterweiterungsgebiet irgendwann Architekten für neue Kirchen gesucht werden, wären sie vorbereitet.
Bauen Anna Brettl und Jakob Reider schon bald unsere Kirchen der Zukunft? Sie sind zwei von insgesamt 16 Architekturstudenten, die in diesem Semester an der Technischen Universität Wien eine Lehrveranstaltung für Kirchenbau absolviert haben.
Beide sind in religiösen Elternhäusern aufgewachsen, aber die Motivation der beiden liegt nicht alleine in ihrem Glauben: „Kirchenbau ist für mich die Königsdisziplin.
Die Architektur hat nämlich gewissermaßen ihre Wurzeln im Sakralbau und nicht in der Notwendigkeit, Behausungen zu gestalten. Seit jeher ging es in der Architektur deshalb darum, einen sinnhaften und bleibenden Ausdruck für Tempelbauten, Kultstätten und später für große Kirchenbauten zu finden. Sich mit dem Kirchenbau auseinanderzusetzen ist also gewissermaßen eine sehr spannende Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte des Architektenberufes“, sagt der 26-jährige Jakob Reider aus Wien.
Auch für seine Studienkollegin Anna Brettl wäre es ein Traum, wenn sie irgendwann einen Kirchenbau planen und umsetzen könnte: „Klar würde ich gerne mal eine Kirche planen. Ich wurde katholisch erzogen und es wäre vor allem architektonisch unglaublich spannend“, sagt die 25-jährige Burgenländerin.
Doch wie hoch ist die Chance, dass Anna Brettl, Jacob Reider und die weiteren 14 Absolventen der Kirchenbau-Lehrveranstaltung irgendwann tatsächlich eine Kirche bauen dürfen?
Laut ihrem Universitätsdozenten Dr. Ivica Brnic durchaus hoch: „In der Seestadt Aspern haben wir ein wachsendes Stadterweiterungsgebiet. Und wo viele Menschen hinziehen, stellt sich irgendwann automatisch die Frage nach Orten für die Religionsausübung. Irgendwann wird meiner Meinung nach also unweigerlich der Wunsch nach Kirchen laut werden, in denen die Gemeinden zusammenkommen und Gottesdienste feiern können.“
Als Leiter der Universitätslehrveranstaltung war es Ivica Brnic ein Anliegen, den Studenten nicht nur architektonisches Wissen zu vermitteln, sondern er hat den Lehrgang als gesamtkirchliches Projekt angelegt: „Meine Studenten sollten zuerst verstehen, dass Kirchen nicht nur Gebäude sind, sondern in erster Linie Gemeinschaften. Bei der Planung von Kirchengebäuden müssen deshalb in erster Linie die Bedürfnisse der Gemeinschaften berücksichtigt werden. Folglich sollten moderne Kirchenräume so flexibel wie möglich gestaltet sein“, sagt der Uni-Dozent.
Die Studenten seines Lehrganges kamen aus unterschiedlichen Nationen (Österreich, Philippinen, Kolumbien etc.) und sie haben allesamt unterschiedliche Glaubenszugänge, erklärt Brnic: „Einige sind katholisch, manche haben hingegen gar keinen Bezug zum Glauben und einer meiner Studenten ist ein Moslem. Deshalb sollten meine Studenten ein gutes Gefühl für liturgische Abläufe in der Kirche bekommen. Wir haben zum Beispiel gemeinsam Brot gebacken und untereinander geteilt, um den Sinn der Eucharistie besser zu verstehen. Und wir hatten auch spezielle Gastvorträge über die Liturgie in Kirchen.“
Diese Gastvorträge wurden von Martin Sindelar, dem Leiter des Liturgiereferates in der Erzdiözese Wien gehalten. Sindelar: „Es ist sehr spannend, jungen Studenten zuzuhören, die keine fundierte kirchliche Vorerfahrung haben. Bei meinen Vorträgen hatte ich die Möglichkeit, in die junge Generation hineinzuhören und ihre Vorstellungen von Kirche der Zukunft auf mich wirken zu lassen. Wir brauchen solche Nachdenkprozesse.“
Wie die jeweiligen Vorstellungen der jungen Studenten über die Kirchen der Zukunft aussehen, haben sie im Laufe des Semesters anhand von Modellen skizziert, geplant und entworfen: „Kirchen haben nicht nur die Aufgabe den Raum für eine bestehende Kirchengemeinde zu bieten. Sondern sie sollen auch fernstehende Personen begeistern und neugierig machen. Die Architektur kann hier sicher einen wichtigen Beitrag leisten. Mein zentrales Thema im Entwurf war deshalb eine gewisse räumliche Ernsthaftigkeit. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass alle spielerischen Ansätze sehr kurzfristig gedacht sind, da sie das langfristige Bedürfnis nach Stabilität der Menschen nicht treffen“, sagt Student Jakob Reider.
Auch Anna Brettl versucht mit ihrem Entwurf architektonisch auf die Bedürfnisse der Menschen in der Seestadt zu reagieren: „Mein Entwurf ist bewusst flexibel gehalten. Gerade in Aspern gibt es ja noch keine richtige Gemeinde und wir wissen deshalb noch nicht genau, wie der Gottesdienst dort stattfinden soll. Deshalb ist der Innenraum so gestaltet, dass er sehr flexibel verwendet werden kann.“
Universitätslektor Ivica Brnic zieht zufrieden Bilanz über die Leistungen und Projekte seiner Studenten. Seiner Ansicht nach erkennt man daran ganz deutlich die Herausforderungen für künftige Kirchenbauten: „Wir beobachten stark geprägte Individualitäten und eher schüchterne Gemeindebildungen. Deswegen ist bei künftigen Kirchenbauten zu berücksichtigen, dass man als Individuum dort sein kann und es im Kirchenraum Rückzugsmöglichkeiten gibt. Ein konkretes Beispiel sind Galerien im Inneren, auf denen die Menschen an den Messen teilnehmen, aber trotzdem ein wenig abseits sitzen können“, so die Vision von Dozent Brnic.
Die Lehrveranstaltung für Kirchenbau an der Technischen Universität Wien endet Ende Juni mit dem Beginn der Sommerferien. Aus jetziger Sicht ist noch nicht geplant, wann es eine Fortsetzung geben wird. Aber das große Interesse und der hohe Studentenandrang spricht für sich. Und Absolventen wie Anna Brettl und Jakob Reider scheinen gewappnet, irgendwann unsere Kirchen der Zukunft bauen zu können.
Herzliche Einladung zu einer Ausstellung von 16 Projektmodellen, die aus dem Seminar entstanden sind:
noch bis 12.07.2017,
Di-Sa-10:00-18:00,
So 10:00-13:00
im JesuitenFoyer,
Bäckerstraße 18,
1010 Wien.
Links zu den Kurzfilmen:
Licht im Raum
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at