"Es ist das natürliche Bedürfnis von Kindern, dass die Mutter und der Vater für das Kind gemeinsam Verantwortung übernehmen", so Kardinal Christoph Schönborn im Sommergespräch mit dem SONNTAG.
"Es ist das natürliche Bedürfnis von Kindern, dass die Mutter und der Vater für das Kind gemeinsam Verantwortung übernehmen", so Kardinal Christoph Schönborn im Sommergespräch mit dem SONNTAG.
Warum ist es von der biologischen Uhr her eigentlich nicht vernünftig, im Sommer auf Urlaub zu fahren? Was ist der Sinn einer Ehe? Was erwarten Sie sich vom Wahlkampf und der Wahl im Oktober? Welche Botschaft haben Sie an die Österreicherinnen und Österreicher im Sommer?...
In unserem Nachbarland Deutschland sorgte vor ein paar Wochen eine historische Entscheidung für Unverständnis und Ärger bei den einen – und für Freude und Erleichterung bei den anderen. Der deutsche Bundestag sagt Ja zur Ehe für alle und entscheidet damit eine grundlegende konfliktbehaftete Frage, die seit Jahrzehnten am Fundament des Gemeinwesens rüttelte. Denn damit ist in Deutschland der Weg für die „Homo-Ehe“ geebnet. Und es entsteht bereits die nächste Diskussion darüber, ob nach der Ehe für alle jetzt auch noch die Elternschaft für alle kommen soll.
Kardinal Christoph Schönborn spricht dieses Thema im Sommergespräch mit dem SONNTAG explizit an und er hat eine ganz klare Haltung zur Ehe oder Elternschaft für alle:
„Es gibt ein chinesisches Sprichwort: ‚Nenne einen Kreis einen Kreis und ein Quadrat ein Quadrat. Dann wird die Politik wieder in Ordnung kommen.‘ Ich wende dieses Sprichwort auf die derzeit intensiv laufende Diskussion über Ehe für alle an und erinnere daran, dass hier die Dinge richtig beim Namen genannt werden müssen. Wenn man sich die Frage nach dem Sinn einer Ehe stellt und sich überlegt, was sie bringt, finde ich in Wahrheit nur einen Grund: und zwar das Kindeswohl. Es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, der nicht eine Mutter und einen Vater hat. Und es ist das natürliche Bedürfnis von Kindern, dass die Mutter und der Vater für das Kind gemeinsam Verantwortung übernehmen. Die Ehe ist der Weg der Generationen und sie wird immer unersetzlich sein, wenn Kinder da sein sollen und es eine Mutter und einen Vater gibt, die sich um dieses Kind kümmern wollen“, sagt Kardinal Schönborn.
Kommen wir vom Thema Ehe zur Politik:
Am 15. Oktober findet in Österreich die Nationalratswahl statt und langsam kommen die Parteien in den Wahlkampfmodus. Was erwarten Sie sich vom Wahlkampf und der Wahl?
Kardinal Christoph Schönborn: In Wahlkampfzeiten wird um jede Stimme gekämpft, das ist Teil unseres demokratischen Systems. Und ganz klar: Lieber so, als in einer Diktatur zu leben, wo einer zu wissen glaubt, was für alle gut ist und alle akzeptieren müssen, was der eine für gut hält. Da ist es doch deutlich besser, dass es ein freies Spiel der Kräfte gibt, was in der Wahlkampfzeit natürlich zugespitzt formuliert wird.
Wenn ich den Wahlkampf mit einem Fußballspiel vergleiche, wünsche ich mir, dass man kämpft, aber fair kämpft. Und so wie es beim Fußball einen Schiedsrichter gibt, haben wir einen Bundespräsidenten, der dazu berufen ist, in besonderer Weise daran zu erinnern, dass fair gekämpft wird. Und auch wir von kirchlicher Seite werden das wie immer in Erinnerung rufen. Schön wäre es, wenn es ein Fairnessabkommen zwischen den Parteien gäbe.
Abseits von politischen Gedanken, die Sie sich machen: Wie sehen Ihre Sommerpläne aus?
Kardinal Christoph Schönborn: Ich habe mir vorgenommen, heuer etwas ausgiebiger Urlaub zu machen als in früheren Jahren. Mit 72 Jahren ist es angemessen, eine ausreichende Zeit der Erholung vorzusehen. Ich möchte in Vorarlberg bergwandern gehen.
Ist der Sommer eine Jahreszeit, die Sie gerne haben?
Kardinal Christoph Schönborn: Ja – der Sommer ist eine meiner vier liebsten Jahreszeiten (schmunzelt). Allerdings ist der Sommer etwas ganz Verkehrtes geworden. In meiner Kindheit am Land war der Sommer die Hauptarbeitszeit, da wurde gemäht und geerntet. Der Winter hingegen war die Ruhezeit. Heute ist es umgekehrt: Der Sommer ist die Ferienzeit und der Winter ist die intensivste Arbeitszeit.
Das ist von der biologischen Uhr her eigentlich nicht vernünftig. Im Sommer sind die Tage lang, Energien und Kraft sind da, wohingegen man im Winter eigentlich hinter dem Ofen sitzen und ruhen müsste. Aber wir leben nun mal nicht mehr in dieser bäuerlich geprägten Welt, sondern in einer technisch geprägten. Deshalb ist im Sommer ein Stressfaktor des „Erholen-Müssens“ zu beobachten. Man hat das Gefühl, man muss möglichst spannende Ferien machen und möglichst weit wegfliegen, damit man später im Büro etwas zu erzählen hat.
Ob das der wirklichen Erholung aber immer gut tut, frage ich mich oft. Ich habe Zeiten gehabt, wo für mich das Schönste am Sommer war, einfach im Kloster zu sein und ohne Stress einen klösterlichen Alltag zu leben. Ich muss sagen, dass das Ferien-Machen eigentlich eine Kunst ist. Und oft frage ich mich, ob wir diese Kunst nicht verlernt haben.
Welche Botschaft für die Österreicher haben Sie jetzt im Sommer?
Kardinal Christoph Schönborn: Diese Botschaft muss ich zuerst an mich selber richten: Wird es mir gelingen, das Handy etwas weniger zu verwenden? Etwas weniger das Internet zu verwenden? Wird es mir gelingen, mich mehr zu bewegen? Wird es mir gelingen, genügend Zeit zum Lesen zu haben? Denn gute Bücher zu lesen ist für mich ein wichtiges Element in den Ferien.
Und: Werde ich genügend Zeit haben für den lieben Gott? Denn meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Ferien ohne den lieben Gott nicht wirklich erholsam sind.
In den Pfarren der Erzdiözese Wien sind derzeit viele Priester, Diakone, Pfarrgemeinderäte und Mitarbeiter ebenfalls auf Urlaub und man hat den Eindruck, dass es ruhiger zugeht.
Kardinal Christoph Schönborn: Von meiner Kenntnis her weiß ich, dass sehr viele unserer Pfarren ein Sommerlager haben – mit Kindern, Ministranten und Pfadfindern. Für sehr viele Pfarren ist der Sommer also nicht nur ein Moment der Erholung, sondern ein wichtiger Moment der Gemeinschaft und der Vermittlung hin zur Jugend.
1. liebste Sommerlektüre:
ein großer Stapel
2. Lieblingsplatz im Sommer:
Schruns in Vorarlberg
3. liebstes Erfrischungsgetränk:
Heißer Tee. Schauen Sie sich die Araber an...
4. Lieblingsmusik im Sommer:
Franz Schubert
5. Schwimmen:
am liebsten nicht im Schwimmbad, sondern im Meer
6. Hitze:
gehört zum Sommer, wie die Kälte zum Winter
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn
Warum unser Kardinal die Stadtdechanten zur anglikanischen Kirche nach London schickt, und welchen Spirit sie anschließend in unsere Pfarren reintragen sollen, verrät Kardinal Christoph Schönborn am Montag, 31. Juli um 17.30 Uhr, in Sommergespräche auf radio klassik Stephansdom.
Wiederholung am Sonntag, 6. August, um 17.30 Uhr.
die Zeitung der Erzdiözese Wien
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