„Wenn du das Glück suchst, vergiss nicht, es wohnt nirgends anders als in dir und nur in dir“, schreibt Thomas Sautner in seinem ersten Roman „Fuchserde“.
„Wenn du das Glück suchst, vergiss nicht, es wohnt nirgends anders als in dir und nur in dir“, schreibt Thomas Sautner in seinem ersten Roman „Fuchserde“.
Schreiben macht es möglich, über sich selbst hinaus zu wachsen, meint Autor Thomas Sautner. Über solche magischen Momente, über Grenzen im Kopf, die Weisheit alter Menschen und den Glauben spricht der Waldviertler im Sommergespräch mit Monika Fischer.
Interviews gibt Thomas Sautner nicht so gerne, jahrelang war er es, der die Fragen gestellt hat, als Journalist. Viel lieber liest er aus seinem jüngsten Roman „Das Mädchen an der Grenze“ vor. Er hält es für sein wichtigstes Buch, „sowohl was den Stil, als auch den Inhalt anbelangt“.
Es ist ein Buch über Grenzen – zwischen Realität und Illusion, zwischen hier und dort, Grenzen in den Köpfen und auf den Landkarten. Die Handlung spielt im nördlichen Waldviertel, wo Thomas Sautner aufgewachsen ist, direkt am Eisernen Vorhang, kurz bevor und während dieser fällt.
Ist es Zufall, dass Sie gerade jetzt, da in Europa und weltweit Grenzen wieder aufgebaut werden, ein Buch geschrieben haben, in dem es um den Fall einer lange bestandenen Grenze geht?
Das ist glücklicher literarischer Zufall. Als ich mit diesem Buch begonnen habe, waren diese Tendenzen des Dichtmachens und Engziehens der Grenzen noch nicht so sichtbar, wie es jetzt der Fall ist.
Aber gerade die Historie zeigt uns, wie bedrückend es war, innerhalb enger, geschlossener Grenzen zu leben.
Umso verrückter erscheint es heute, dass man freiwillig die Grenzen wieder enger zieht. Oft wird nicht bedacht, dass mit dem Engerziehen von räumlichen Grenzen auch das Denken enger wird. Auch die Grenze im Kopf zieht sich damit zusammen, und das ist das eigentlich Dramatische und Hochgefährliche daran.
In vielen Ihrer Bücher geht es um Tod, Ewigkeit, darum, was das Leben eigentlich ist, um Gott. Sind das Themen, die Sie auch persönlich sehr beschäftigen?
Ja natürlich und gerade im „Mädchen an der Grenze“ geht es um die ganz großen Dinge und die ewigen Dinge der Menschheit. Aber ich denk’, Literatur muss sich immer des Großen annehmen und nach den Sternen greifen.
Gerade bei diesem Grenzthema lag es nahe, dass man sich nicht nur die räumlichen Grenzen vornimmt, sondern natürlich auch die metaphorischen, symbolischen, philosophischen Grenzen. Denn was, wenn nicht Literatur, ist dazu da, diese Grenzen zu sprengen, sie zumindest aufzumachen. Und ich denk’ mir, man kann sein Leben auf zweierlei Art leben: entweder, indem man die Grenzen im Kopf bewacht, oder die andere Art zu leben ist Literatur.
Sie fühlen sich oft weniger als Autor, sondern mehr als Sekretär von etwas, das durch sie schreibt. „Magische Momente“ nennen sie das – wie fühlt sich das an?
Ich kann es gar nicht so beschreiben. Man merkt’s dann erst, wenn der Text dasteht, dass er gelungener ist und viel klüger, als man selbst je sein kann. So ist es ja generell bei guter Literatur, dass das Buch immer g’scheiter ist als der Autor, sonst müsste der Autor ja kein Autor sein, sondern könnte Redner oder Vortragender werden.
Sie vergleichen das Schreiben von Büchern mit dem Schreiben von Schummelzetteln. Wie meinen Sie das?
Durch Text und Literatur wird für gewöhnlich Flüchtiges festgehalten. Insofern ist Literatur ein Schummelzettel, weil man immer wieder nachlesen kann, was einem selbst wichtig ist. So wie es ja auch im Glauben stattfindet, egal in welcher Religion.
Die Gläubigen beten oder meditieren immer wieder über ein und dasselbe Thema, um dieses Thema in sich wach zu halten, um nicht zu vergessen, was wichtig ist im Leben, um nicht dem Alltagstrott zu erliegen, nicht unterzugehen im Alltagsleben.
Insofern ist Literatur ein Schummelzettel für’s tägliche Leben.
Spielt Glauben in Ihrem Leben eine Rolle?
Ich denke, ohne Glauben ist es schwer zu überleben. Glauben ist generell wichtig für den Menschen. Auch für mich ist es wichtig, im Unterschied zur Religion. Ich glaub’, Religion hat schon mehr angerichtet als irgendwie der Menschheit gut getan, aber das, was vor der Religion steht, nämlich der Glaube, das halte ich für wichtig und tröstend.
Der Glaube woran ist das?
Ganz naiv gesagt: der Glaube an den Sinn des Lebens. In meinem Buch „Der Glücksmacher“ geht es ja auch sehr um den Sinn und der Sukkus ist sozusagen: Den Sinn kann man nicht finden, man kann ihn nur für sich selbst erfinden.
Haben Sie herausgefunden, was für Sie persönlich ein sinnvolles Leben bedeutet?
Ich lebe es jeden Tag neu und anders, werfe die Konzepte über Bord und beginne neu. Das Wichtigste ist, es gibt für jeden einen anderen Sinn. Meiner Ansicht nach gibt es keinen großen universellen Sinn, jeder kann sich seinen persönlichen universellen Sinn suchen und dann versuchen, ihn zum Leben zu erwecken.
Sie haben bisher sechs Romane geschrieben, davor waren Sie Journalist. Wollten Sie schon immer schreiben?
Das Schreiben hat sehr bald begonnen, mit den klassisch herzigen Gedichten, die man so schreibt als Pubertierender. Während des Studiums begann ich, als Journalist zu arbeiten, war das sehr lange Jahre, bis mir das zu wenig wurde, sowohl im Stilistischen als auch inhaltlich.
Ich wollte mich tiefer und eingehender mit den Themen beschäftigen und da war das Buch und in meinem Fall die Literatur der nächste logische Schritt.
Gab es auf diesem Weg auch Stolpersteine?
Ständig! Die Literatur ist überhäuft von Stolpersteinen für den Autor, man taumelt von einer Krise in die nächste, der Selbstzweifel ist der ständige Begleiter. Aber das ist wahrscheinlich auch gut, um am Boden zu bleiben – sehr, sehr am Boden (lacht).
Warum sind Sie trotzdem dabei geblieben?
Die Literatur ist bisher das Sinnvollste, das mir für mich eingefallen ist.
Gibt es oder gab es Menschen, die Sie beeinflusst, Ihren Horizont erweitert haben?
Da gab es sehr viele. Meistens waren es ältere Menschen, vielleicht liegt das daran, dass ich sehr viel Zeit mit meinen Großeltern verbracht habe.
Ältere Menschen sind nicht automatisch weise – leider, das ist so eine schöne Illusion, die man oft hat –, dennoch gibt es sehr viele weise ältere Menschen und da hab’ ich von vielen profitiert, von meinen Großeltern, Lehrern, Bekannten und oft auch Zufallsbekanntschaften.
Was waren besonders schöne Momente in Ihrem Leben?
Wenn ein Text gelingt, das ist das Höchste. Das ist der Sinn meiner Arbeit. Dann kann man sich kurz zurücklehnen, bis man merkt, dass man wieder ansteht (lacht).
Thomas Sautner, 1970 in Gmünd geboren, lebt im Waldviertel und in Wien. Er studierte Politikwissenschaften und Zeitgeschichte und arbeitete als Journalist.
2006 erschien seinen erster Roman „Fuchserde“ (ISBN: 978-3746623788),
es folgten „Milchblume“ (ISBN: 978-3746628233),
„Fremdes Land“ (ISBN: 978-3746628646),
„Der Glücksmacher“ (ISBN: 978-3746630229),
„Die Älteste“ (ISBN: 978-3711720214) und
„Das Mädchen an der Grenze“ (ISBN: 978-3711720474)
sowie ein Buch über seine Heimat, „Waldviertel steinweich“ (ISBN: 978-3854526995),
das Kinderbuch „Rabenduft“ (ISBN: 978-3854521921) und zahlreiche Erzählungen.
Am 19. Oktober, um 19 Uhr, liest er in der Pfarrbibliothek Korneuburg aus
„Das Mädchen an der Grenze“.
Gebundene Ausgabe: 148 Seiten
Picus Verlag;
ISBN: 978-3711720474
Weitere Termine: www.thomas-sautner.at
Papierner Lebensstoff. Thomas Sautner liest aus seinem Roman „Das Mädchen an der Grenze“ und spricht mit Monika Fischer über Themen, die ihn bewegen.
Am Montag, 7. August, um 17.30 Uhr, auf radio klassik Stephansdom.
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