Paul M. Zulehner: "Worauf es mir ankam, war den beiden Buben die Chance zu geben, die Anliegen Jesu kennenzulernen und sich dafür zu entscheiden."
Paul M. Zulehner: "Worauf es mir ankam, war den beiden Buben die Chance zu geben, die Anliegen Jesu kennenzulernen und sich dafür zu entscheiden."
Ein Gastkommentar des emeritierten Wiener Universitätsprofessors für Pastoraltheologie, Paul Michael Zulehner, zum Sakrament der Firmung.
Von Kurzem hatte ich ein Paar in gutem Lebensalter getraut. Ein halbes Jahr später erhalte ich von diesen einen Anruf: Sie hätten einen Sohn Max. Fünfzehn Jahre alt. Und dieser habe wiederum einen Freund, auch mit Namen Max. Auch 15. Sie möchten nun gefirmt werden. In der Pfarre seien aber die Buben 12. Dafür fühlten sie sich zu alt. Ob ich nicht die Vorbereitung übernehmen könnte. Mache ich, war meine Antwort. Hab ohnedies nicht viel zu tun!
Wir vereinbarten zehn Sessions bei mir zuhause, mit Laptops und allem was in diesem Alter dazugehört. Dann schuf ich gleich Klarheit: Ich würde das Dokument, mit dem sie gefirmt werden können, nur unterschreiben, wenn zwei Dinge klar sind: Jeder müsse mir, auf einem Bein stehend, erklären, was Jesu Vision von seiner Bewegung war. (Das musste in Israel ein Hausvater einem Goy eben in dieser kurzen Zeit erklären können.) Und zweitens: Ich muss in den Zusammenkünften die Klarheit gewinnen, dass sie "wild entschlossen sind, sich der Jesusbewegung anzuschließen". Sie sind inzwischen gefirmt.
In unseren Zusammenkünften haben wir uns nicht nur über das kirchliche Leben unterhalten. Sie lernten auch die Gruft kennen: also einen Ort, wo das Evangelium getan wird. Und dann haben wir bedacht, was sie dort erlebt haben.
Worauf es mir ankam, war den beiden Buben die Chance zu geben, die Anliegen Jesu kennenzulernen und sich dafür zu entscheiden.
Sobald einmal ein solches Ziel klar ist, ist die Frage nach dem besten Alter zweitrangig. Vielleicht gehört die Zukunft der Flexibilität?
Und noch eine Erfahrung. Der Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, erzählte den Studierenden und mir bei einem Pastoralbesuch, wie er es in Ostdeutschland mit der Firmung halte. Eine der Vorgaben sei die staatliche Jugendweihe. Um diesen Termin komme die Kirche nicht herum. Also am Ende der Grundschule, mit 14 etwa. Aber, so der Bischof, für eine Kultur mit starkem Gegenwind gegen eine christliche Existenz zumal in Verbundenheit mit der Kirche, sei das zu früh. Es brauche erwachsenen Widerstandskraft. Deshalb splittete er das Firmsakrament neuerlich. Dabei war dieses ja schon in Frühzeiten gesplittet worden, weil die Taufe und die abschließenden Salbungen dem Bischof vorbehalten waren, aber sich in Landgebieten bei den sogenannten "pagani" (den Heiden) immer mehr eine Taufe aufdrängte. Also behielt sich der Bischof den Abschluss der Aufnahme in die Kirche vor und "firmte". Bischof Wanke teile nunmehr die Firmung noch einmal: Parallel zu Jugendweihe feierte er mit den Kindern Firmung. Er bat aber die Gefirmten, die anderen im Auge zu behalten. Sie selbst sollten dann mit 18 neuerlich zu ihm kommen, um den Eingliederungsvorgang in die Kirche, nämlich Taufe – Firmung – Eucharistie, feierlich zu vollenden. Es kamen nie alle. Aber die kamen, wurden "gestandene Christen", für welche die Firmung nicht die feierliche Verabschiedung von der Kirche wurde. Geht doch auch anders.
Paul M. Zulehner
Neue Schläuche für jungen Wein.
Unterwegs in eine neue Ära der Kirche
Verlag Patmos, 2017.
ISBN: 978-3-8436-0984-5
Die Jahrhunderte währende Zeit der Volkskirche ist definitiv zu Ende. Christsein ist nicht mehr Schicksal, sondern Wahl (Peter L. Berger). Die Kirchen sind auf dem Weg in eine neue Ära, in der sie sich wieder dem biblischen Normalfall annähern. Wie sieht aber der Weg in die neue Ära unserer Kirchen praktisch und theologisch aus? Viele Diözesen haben mit hohem Einsatz die Kirchengestalt umgebaut, um mit weniger Personal, Mitgliedern und Finanzen über die Runden zu kommen. Manche Diözesen befinden sich im zweiten Strukturumbau. XXL-Pfarreien als Ziel. Ist das die Zukunft?
In der Spur von Papst Franziskus ermutigt Paul M. Zulehner, eine neue Gestalt von Kirche zu suchen, die aus der Verwurzelung in Gott solidarisch bei den Menschen ist.