Diskussion über das Sakrament der Firmung und die Vorbereitung darauf.
An drei Experten im Fach der Praktischen Theologie stellte Der SONNTAG folgende Fragen:
Johann Pock, Universitätsprofessor für Pastoraltheologie an der Universität Wien:
Die Festlegung des Firmalters bei ca. 14 Jahren hat nicht zuletzt den Grund darin, einen Jahrgang noch möglichst vollzählig erreichen zu können. Dies wird nach Beendigung der Schulpflicht schwieriger. Insofern wird eine Verschiebung des Firmalters auch eine Verringerung der Zahl der Firmanden bedeuten.
Mit 17 Jahren ist man nicht unbedingt reifer. Die Frage des Firmalters sollte abhängig gemacht werden vom Verständnis, das man von der Firmung hat. Als Teil der Initiationssakramente (Taufe, Firmung, Eucharistie) müsste sie sogar vor der Erstkommunion platziert werden. Verstanden als nachgeholte persönliche Entscheidung für den Glauben wäre das Firmalter von der Fähigkeit zur bewussten Entscheidung abhängig. Diese kann aber nicht an einem bestimmten Alter festgemacht werden. Und gerade die Jugendforschung zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen „Jugendphasen“ verlaufen können. Somit gibt es kein ideales Firmalter.
Die Frage der Firmung beschäftigt die Diözesen meines Wissens schon länger. Was jetzt jedoch immer deutlicher wird, ist die Auflösung des sogenannten "volkskirchlichen Milieus", zu dem der selbstverständliche Empfang der Sakramente dazugehörte. Stattdessen gibt es jetzt weniger Taufen, Firmungen, Trauungen. Die Kirche ist mit ihren sakramentalen Angeboten am Markt der Sinnangebote ein Anbieter unter anderen geworden. Die Änderung von Firmalter und Firmvorbereitungen ist eine Reaktion auf diese Entwicklung, die verstärkt auf die bewusste Entscheidung und eine intensivere Katechese setzt.
Regina Polak, Professorin am Institut für Praktische Theologie, Universität Wien:
Die Firmung ist nicht selten für viele Jugendliche in säkularen Gesellschaften der letzte und zunehmend häufiger oftmals auch erste und einzige Kontakt mit der Kirche. Das ist an sich eine große pastorale Chance, die noch viel zu wenig genutzt wird. In der Realität verabschiedet sich nach der Formung die Mehrheit der jungen Menschen aus der Kirche. Die Erhöhung des Firm-Alters allein wird dieses Problem nicht lösen. Wohl sind bei 17-Jährigen die Stürme der Pubertät im Abflauen, die Entfernung von der Kirche in diesem Alter aber wohl mindestens ebenso groß geworden.
So droht nicht nur die Zahl der Gefirmten zurückzugehen, es bleiben dann wohl auch primär jene jungen Menschen über, die zum engeren Milieu der Kirche gehören – und das wäre dann ein soziologisch, nicht theologisch zu erklärendes Phänomen des "Restes". Spannende, junge Menschen aus anderen als den klassisch kirchlichen Milieus, denen wir in Zukunft nachgehen werden müssen, weil wir sie brauchen, droht man so zu verlieren.
Und: Liegt das Problem des "Hinaus-Firmens" tatsächlich ausschließlich an den Jugendlichen und deren Alter? Haben sich die pastoral Verantwortlichen, ehe sie eine solch schwerwiegende Entscheidung fällen, die sich von einer volkskirchlich-missionarischen Ausrichtung hin zu einer (soziologischen) "Elite-Kirche" verabschiedet, auch überlegt, worin IHR, worin UNSER Anteil am Problem liegen könnte: Dass wir vielleicht den Glauben und die Lebensfragen junger Menschen zu wenig zueinander bringen können oder oder zu wenig zu sagen haben, was junge Menschen und ihre Fragen an die Zukunft angeht?
Paul M. Zulehner, emeritierter Universitätsprofessor, Pastoraltheologe und Religionssoziologe:
Die Kirche hat in unserem traditionell katholischen Land zwei Möglichkeiten: Sie hält den Anteil der nominellen Katholiken hoch und nimmt in Kauf, dass nicht wenige von diesen eine Art "Kulturchristen" bleiben. Oder sie wagt einen Schritt in Richtung mehr Entschiedenheit ihrer Mitglieder. Dann braucht es eine Begegnung mit den Heranwachsenden in einer Zeit, in der eine ansatzhaft ernsthafte erwachsene Entscheidung möglich ist.
Das hängt heute von vielen Umständen ab. Das Alter ist ein Indikator, aber dessen Gewicht unterscheidet sich schon bei Mädchen und Buben, hat mit dem Elternhaus zu tun, mit dem Engagement, mit kirchlichen Leitfiguren, der Pfarrgemeinde, der Art der Firmvorbereitung. Eine bloße Diskussion über das beste Firmalter bringt keine Klarheit. Dazu sind die Biographien viel zu verschieden. Weit wichtiger sind evangeliumförmige Erfahrungsräume und Projekte für die nachwachsende Generation.
Es ist klar, dass die Entwicklung der katholischen Kirche sich an der Wende einer Ära befindet. Mein kürzlich verstorbener Meister Peter L. Berger sah eine Akzentverschiebung "from fate to choice", vom Schicksal zu Wahl. Daher braucht es in den Biographien der Menschen Vorgänge, welche Entscheidung und Entschiedenheit begünstigen: ob jemand Mitglied sein will oder nicht, was an Glaubenspositionen ins persönliche Leben übernommen wird, an ethischen Weisungen, in welchem Ausmaß es zu einer Beteiligung am Leben kirchlichen Gemeinschaften/Gemeinden kommt. Das Anliegen, dem Evangelium im Leben der nachwachsenden Generation mehr Chancen zu verschaffen, ist der Hauptgrund für unsere pastorale Unruhe.