Eine Tonne Ziegelsteine schichteten die Mitarbeiterinnen der Gesprächsinsel zu einer Klagemauer auf, in die die Menschen auf Zetteln ihre Klagen schreiben konnten.
Eine Tonne Ziegelsteine schichteten die Mitarbeiterinnen der Gesprächsinsel zu einer Klagemauer auf, in die die Menschen auf Zetteln ihre Klagen schreiben konnten.
Die romanische Kapelle im Schottenstift wurde für 300 Menschen zehn Tage lang zum Trauer-Raum. Wie, schildert Brigitte Vater-Sieberer.
Der Portier des Schottenstiftes war geschockt: eine Tonne Ziegel, Lieferadresse Besinnungsraum. Ziegel um Ziegel schlichteten Frauen dort zu einer mannshohen Wand auf. Es waren die Mitarbeiterinnen der Gesprächsinsel im Schottenstift, einer Einrichtung, wo Gespräche über Lebensfragen angeboten werden.
"Alle Trauer fängt mit der Klage an, einen geliebten Menschen, eine Beziehung oder ein Haustier unwiederbringlich verloren zu haben", erklärte Schwester Hermi Dangl, die stellvertretende Leiterin der Gesprächsinsel. Die aufgeschichtete Klagemauer lädt die Besucher ein, ihre Klagen auf kleine Zettel zu schreiben und in Zwischenräume zwischen den Ziegeln zu stecken.
"Wir leben in einer Zeit, in der trauernde Menschen wenig Verständnis finden", setzte Schwester Hermi Dangl fort. "Im Trauerraum stellen wir die einzelnen Stationen des Trauerweges symbolisch dar und geben den Besuchern die Möglichkeit, sich zu finden, wo sie grad stehen."
Lärmend und scherzend betrat eine spanische Pilgergruppe die Kapelle, sie wollte sich die älteste Marienstatue Wiens anschauen. Die Erklärungen der Reiseleiterin verhallten, die Menschen verteilten sich im Raum und legten bedächtig neue Scherben in das stilisierte Scherbenkreuz vor dem romanischen Kreuz.
Währenddessen erhob sich eine ältere Dame vom Sessel vor der Klagemauer und wandte sich weiteren Trauerstationen zu. Die große Schale mit Blumen und Schwimmkerzen am Altar hatte es ihr besonders angetan. Sie schnitt eine Blüte vom bereitstehenden Blumenstock ab und legte sie bedächtig ins Wasser. "Wissen Sie", sagte sie, "mein Mann ist schon vor zwei Jahren gegangen und ich bin dankbar für die gemeinsame Zeit, aber die Sehnsucht nach ihm bleibt." Ein Wort ergab das andere, aus dem Nichtkennen entstand ein Gefühl von Verständnis füreinander: "Ja, es tat gut darüber zu reden."
Ob alt oder jung, Touristen oder Einheimische, Männer oder Frauen; zufällige Besucher oder neugierig gewordene, rund 300 Personen haben in der Zeit vom 26. Oktober bis zum 2. November den Trauerraum besucht. Das ist ein voller Erfolg für die Gesprächsinsel, die diese Idee verwirklicht hat.
Die Leiterin der Gesprächsinsel, Angela Simek-Hall, freut sich über den großen Erfolg der Aktion: "Alle Anstrengungen haben sich ausgezahlt. Nächstes Jahr schleppen wir die Ziegel umso lieber!" Wenn für 300 Menschen die Klagemauer wichtig war, ist die Botschaft klar, im kommenden Jahr wird es sie wieder geben.
Gesprächsinsel:
Nicht alleine in der Trauer sein
Informationen und Angebote der Kirche, die Betroffenen durch diese schwere Zeit helfen.