„Coffee to stay“ in „Maria Lourdes“: Pastoralassistent Stefan Pollin mit Gast Gerhard im Garten der Pfarre.
„Coffee to stay“ in „Maria Lourdes“: Pastoralassistent Stefan Pollin mit Gast Gerhard im Garten der Pfarre.
Am 19. November ist „Welttag der Armen“ . Der SONNTAG nimmt diesen Termin zum Anlass, um beispielhaft zu zeigen, wie viel unsere Pfarren im Kampf gegen Armut und Not leisten. Ein Lokalaugenschein in den Wiener Pfarren „Zu allen Heiligen“ und „Maria Lourdes“.
Am Tag unseres Besuches gibt es zwischen 10 und 12.30 Uhr in der Teilgemeinde Allerheiligen (Wien 20), die zur neuen Pfarre „Zu allen Heiligen“ gehört, Nudelsuppe und Linsen mit Semmelknödel.
Zehn Liter Linsen und an die 40 Semmelknödel hat Küchenchef Heinz Koschutnig zubereitet. Einige Bedürftige sind schon beim Essen im Pfarrsaal, viele weitere nehmen das Mittagessen im mitgebrachten Geschirr mit. „Mehr als 30 werden heute kommen, ab Ende November sind es dann noch mehr. Die Leute warten dann schon auf den warmen Tee“, sagt Koschutnig. Nur 50 Cent bezahlt jeder Bedürftige für das Mittagessen.
Seit zehn Jahren kocht Koschutnig von September bis Ende Juni, jeweils von Montag bis Freitag. Dabei hat er zwei Helfer, die einkaufen und abwaschen. Das karitative Element hat Tradition in dieser Pfarre. Früher gab es auch ein Frühstück für Bedürftige, auch Schmalzbrot und Tee. Dann ein gemeinschaftliches Abendessen, bei dem viele Ehrenamtliche mitwirkten.
Seit dem Jahr 2000 gibt es das Mittagessen. Die Idee für diese „Bedürftigen-Küche“ hatte der langjährige Pfarrer Fritz Koren.
Getragen wird die „Bedürftigen-Küche“ von der „Bereichsgruppe Caritas“ der Pfarre. Eduard Mitsche ist einer von den insgesamt zwölf Mitgliedern dieser Bereichsgruppe. Er engagiert sich in der sogenannten „Sozialberatung“ der Pfarre – zwei Mal im Monat, jeweils zwei bis drei Stunden lang.
„Diese Ärmsten der Armen kommen großteils aus unserem Pfarrgebiet“, erzählt er: „Man ahnt gar nicht, wie viele Gutsituierte durch Krankheit, Scheidung, oder Alkoholismus ins Bodenlose fallen können oder sich dann nach diesen Schicksalsschlägen einfach gehen lassen.“
Die „Bereichsgruppe Caritas“ gibt „keine Geld-, sondern ausschließlich Sachspenden“, unterstreicht Mitsche.
Seine Motivation, um den Armen zu helfen, erklärt er so: „Ich hatte Glück im Leben, ich war immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Ich möchte daher den anderen, die es sich nicht aussuchen können, etwas zurückgeben.“
Gemeinsam mit Mitsche leitet Johann Niedermayer die „Bereichsgruppe Caritas“. „Wir spüren, dass die Not immer größer wird“, sagt er: „Die Leute haben Probleme, mit dem oft Wenigen auszukommen, was sie haben.“ Die Pfarrcaritas hilft den Menschen, mit diesen Gegebenheiten zurechtzukommen. „Nicht wenige müssen jeden Euro zwei Mal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben.“
Ortswechsel: Jeden Donnerstagnachmittag bietet die Pfarre „Maria Lourdes“ im 12. Wiener Bezirk von 15 bis 17.30 Uhr einen sogenannten „Coffee to stay“ an, also einen „Kaffee zum Bleiben“.
Das ist eine Idee und Initiative vom Pastoralassistenten Stefan Pollin. Anfangs betreute er alleine die Gäste, „die aus ganz Wien kommen“. Mittlerweile hat er sechs Helferinnen und Helfer, die durch das „Le+O“-Projekt der Caritas im Laufe der Zeit dazugekommen sind.
„Unsere Gäste leben teils in Obdachloseneinrichtungen, teils auf der Straße, manche beziehen Mindestsicherung“, weiß Stefan. Andere haben zwar eine Bleibe, können sich aber z.B. den Strom nicht mehr leisten. „Ihre Motive sind oft Hunger und die Sehnsucht nach ein bisschen Herberge“, sagt er.
Diese Betroffenen pflegen untereinander Gemeinschaft. „Am Donnerstag treffen wir uns beim Stefan“, ist ein geflügeltes Wort in der „Szene“. „Ein jeder hat so seine Geschichte, oft eine Lebensgeschichte mit Brüchen. Viele hatten einen qualifizierten Beruf, dann ging bei manchen die Beziehung in Brüche, bei anderen kam der Alkohol dazu, einige erkrankten schwer und dann drehte sich die Spirale nach unten“, erzählt Stefan.
Dieses Donnerstagnachmittags-Engagement „ist eine Bereicherung für unsere Pfarre, viele helfen, viele spenden und unterstützen uns“, unterstreicht er. Wichtig ist ihm dabei „der wertschätzende Umgang“: „Das beginnt damit, dass ich versuche, alle mit ihrem Namen anzusprechen.“
Einer der Gäste ist Gerhard. Er kommt seit sechs Jahren am Donnerstagnachmittag hierher. „Das ist für mich ein Fixtermin zum Plaudern“, betont er. Der 61-Jährige kennt hier viele der eher älteren Besucherinnen und Besucher. „Es ist ein gemütlicher Nachmittag, wo sich alle Zeit nehmen.“ Gerhard schätzt „den Garten und die Feste, zwei Mal im Jahr helfen wir auch beim Pfarrcafe mit“.
Auch 52-jährige Andreas freut sich jeden Donnerstagnachmittag „auf die sehr gute Kaffeejause beim Stefan“, sagt er zum SONNTAG. Er kommt seit „zwei, drei Jahren“. „Das hier ist wie ein zweites Zuhause“, betont er. Nach einem schweren Arbeitsunfall – er hatte einen Wirbelsäulenbruch erlitten – versucht er jetzt via „Volkshilfe“ in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen. „Ich kann nur mehr leichte Tätigkeiten ausüben“, unterstreicht er, „aber mein Arbeitswille, der ist ungebrochen“. Mit dem derzeitigen Verdienst als Straßenreiniger kommt Andreas so recht und schlecht über die Runden, wie er sagt, es bleibt wenig übrig, wenn die Fixkosten abgezogen sind.
An die vierzig bis fünfzig Männer und Frauen sitzen an diesem Donnerstagnachmittag an den Tischen, es duftet nach Kaffee, die Brötchen sind schön belegt, es gibt Teller mit Mehlspeisen und Kuchen. Norbert und Hu, zwei Gäste der ersten Stunde, helfen ebenso eifrig in der Küche mit wie die Ehrenamtlichen Gabi, Ferry und Manfred.
Einige Besucher stehen bei der Gratis-Kleiderausgabe, die es einmal im Monat, gerade auch beim SONNTAG-Besuch, gibt. Christine leitet diese sogenannte „Boutique“. Hier stapeln sich Pullover, Jacken, Hosen. Christine ist seit einem knappen Jahr dabei, sie stieß über das „Le+O“-Projekt dazu.
Es wird viel Kleidung in der Pfarre und in den umliegenden Pfarren des Dekanats Wien 12 gespendet, für den Flohmarkt des „Le+O“-Projekts und für die Kleider-Ausgabe. „Unsere Gäste finden hier eine große Auswahl vor. Sie nehmen dieses Angebot gerne in Anspruch“, freut sich Christine. Sie führt sogar eine „Kleidungs-Wunschliste“ und versucht dann die Wünsche der Besucherinnen und Besucher auch zu erfüllen.
Freude macht ihr der Dank der Bedürftigen, sie erfüllt diese Aufgabe gern. „Das Lob baut auf“, sagt sie.
Pastoralassistent Stefan fasst das Engagement so zusammen: „Papst Franziskus hat mit seinem Engagement für die Ärmsten der Armen uns Christinnen und Christen die Latte hoch gelegt. Eine Pfarre, die viel gibt, die bekommt auf vielen Wegen auch viel zurück.“
„Zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit wollte ich der Kirche den Welttag der Armen schenken, damit in der ganzen Welt die christlichen Gemeinden immer mehr und immer besser zum konkreten Zeichen der Liebe Christi für die Letzten und Bedürftigsten werden“, schreibt unser Papst Franziskus in seiner Botschaft zum ersten „Welttag der Armen“ (heuer am 19. 11.).
Franziskus: „Ich möchte, dass dieser Welttag zur Liste der anderen hinzugefügt wird, die meine Vorgänger eingerichtet haben und die zu einer Tradition in unseren Gemeinden geworden sind.“
Unser Papst lädt „die gesamte Kirche sowie alle Menschen guten Willens ein, an diesem Tag ihren Blick auf die zu richten, die mit ausgestreckter Hand um Hilfe bitten und auf unsere Solidarität hoffen.
Dieser Welttag will zuerst die Gläubigen anspornen, damit sie der Wegwerfkultur und der Kultur des Überflusses eine wahre Kultur der Begegnung entgegenstellen.“
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