Die Pflege in Österreich will die "Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt" (BAG) mit einem Positionspapier und dem darin enthaltenen Forderungskatalog langfristig absichern - und das Thema in die laufenden Regierungsverhandlungen einbringen.
Die Pflege in Österreich will die "Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt" (BAG) mit einem Positionspapier und dem darin enthaltenen Forderungskatalog langfristig absichern - und das Thema in die laufenden Regierungsverhandlungen einbringen.
Caritas-Expertin Marte-Huainigg: Mit aufgewertetem Pflegefonds sicherstellen, "dass es vergleichbare Leistungen zu vergleichbaren Kosten in allen Bundesländern gibt".
Die Pflege in Österreich will die "Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt" (BAG) mit einem Positionspapier und dem darin enthaltenen Forderungskatalog langfristig absichern - und das Thema in die laufenden Regierungsverhandlungen einbringen. Angesichts von 400.000 Pflegegeldbeziehenden und einer Million Betroffener, dem absehbar steigenden Pflegebedarf und dem wachsenden Problem des Personalmangels in dieser Branche gelte es nachhaltige Weichen zu stellen, waren sich die Vertreterinnen der in die BAG bildenden Hilfsorganisationen bei einer Pressekonferenz am Dienstag, 28. November 2017 einig. Ein Hebel dafür müsse der 2011 eingerichtete und bisher stets zeitlich begrenzt verlängerte Pflegefonds sein; er soll "Dauerrecht" werden, so Judit Marte-Huainigg, Sozial-Expertin der Caritas Österreich.
Weitere Teilnehmerinnen der Pressekonferenz in Wien waren Monika Wild (Rotes Kreuz), Elisabeth Anselm (Hilfswerk), Daniela Palk (Diakonie) und Erich Fenninger (Volkshilfe). "Der Handlungsdruck ist enorm", waren sich die Fachleute auf dem Podium einig. Es sei sinnvoll, dass sich Zuständige aus Politik und Pflegebereich an einen Tisch setzen, um sich über den "grundlegenden Reformbedarf im System" auszutauschen. "Wir stehen als Fachgruppe bereit", bot Fenninger Expertise an.
Die weiteren BAG-Vertreterinnen zeigten in ihren Statements Schwachstellen bei Pflege und Betreuung auf und legten Forderungen zur Verbesserung vor. Laut Judit Marte-Huainigg soll mit einem dauerhaft eingerichteten Pflegefonds auch gelingen, "dass es in Österreich vergleichbare Leistungen in vergleichbarer Verfügbarkeit und zu vergleichbaren Kosten für die Menschen in allen Bundesländern gibt". Sie erinnerte daran, dass sich die Einrichtung eines Bundespflegegeldes statt davor neun Landesregelungen trotz anfänglicher Skepsis bewährt habe. Österreichweit gleiche Bedingungen heiße somit nicht Zentralismus, aber - so Marte-Huainigg - es müsse gewährleistet sein, dass das Angebot an Betreuung und Pflege nicht vom Wohnort abhängt. Die Caritas-Expertin forderte eine "unkomplizierte, Bundesländer-überschreitende Versorgung, wenn beispielsweise ein pflegebedürftiger Elternteil aus einem anderen Bundesland übersiedeln möchte".
Um die Lenkungseffekte des Pflegefonds wirksamer zu machen, müsse der Anteil der Pflegefondsgelder an der Gesamtfinanzierung der Pflege von zuletzt 6,5 Prozent ausgeweitet werden, betonte Marte-Huainigg weiter. Handlungsbedarf ergebe sich auch aus der demografischen Entwicklung: Die Generation der "Babyboomer" lasse einen überproportionalen Anstieg an Pflegebedarf erwarten.
Dieser Anstieg erfordere es, mobile Dienste zu forcieren und die Pflege zuhause zu stärken, unterstrich Monika Wild vom Österreichischen Roten Kreuz. 83 Prozent der Pflegebedürftigen leben derzeit in den eigenen vier Wänden, Betroffene so lange wie möglich dort zu belassen entspreche nicht nur deren Wunsch, sondern mache auch volkswirtschaftlich Sinn: Eine Verlagerung von der privat geleisteten zur stationären Pflege würde ein Vielfaches der derzeitigen Mittel verschlingen. Ohne das Engagement pflegender Angehöriger sei das derzeitige Pflege- und Betreuungssystem in Österreich weder finanzier- noch organisierbar, wies Wild hin. Deshalb gelte es in mobile Dienste zu investieren, die eine wichtige Ergänzung pflegender Angehöriger seien.
Knapp fünf Prozent aller Pflegegeldbeziehenden nutzen eine 24-Stunden-Betreuung, etwa 62.000 Personenbetreuerinnen bieten mit aktivem Gewerbeschein hierzulande ihre Dienste an, informierte Elisabeth Anselm vom Hilfswerk Österreich. Sie forderte "ein klares Bekenntnis zu einer fachlich hinterlegten Qualitätssicherung sowie die Anpassung der Förderung, die - ohnehin schon gering - in den letzten zehn Jahren nicht valorisiert wurde und maßgeblich an Kaufkraft eingebüßt hat".
Um die Bedürfnisse Pflegebedürftiger in einer zunehmend heterogener und individueller werdenden Gesellschaft zu berücksichtigen, plädierte Daniela Palk von der Seniorenarbeit des Diakoniewerkes dafür, "neue Wohnformen zu entwickeln und Innovation gezielt zu fördern". Heime seien unbeliebt, kleinräumige Lösungen vorzuziehen.
Den Blick auf das Pflegepersonal richtete abschließend Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger: Gerade im Langzeitpflegebereich sei deren Image zunehmend in Gefahr und damit einhergehend die Attraktivität der Pflegeberufe. "Dieser Entwicklung müssen wir mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und fairer Entlohnung entgegenwirken", so Fenninger. Er forderte eine Studie zur Erhebung des Bedarfs von Pflege- und Betreuungspersonal sowie eine daran anschließende gezielte Ausbildungsoffensive - "vor allem, weil wir der prognostizierten Reduktion der informellen Pflege sowie einer Pensionierungswelle von Pflegepersonen in den nächsten fünf bis sieben Jahren entgegensehen."
Einig waren sich die Fachleute am Podium, dass der derzeitige Anteil von 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für den Bereich Pflege und Betreuung erhöht werden muss - in Richtung 2 Prozent, so der Tenor.
"Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt":
www.freiewohlfahrt.at/