Ulrich Körtner ist evangelischee Theologe und Direktor des Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie.
Ulrich Körtner ist evangelischee Theologe und Direktor des Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie.
Argumentarium des Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie will Paare bei Entscheidungsfindung unterstützen.
Hohen Diskussionsbedraf rund um die Themen Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin hat der evangelische Theologe und Direktor des Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie (IöThE), Ulrich Körtner, geortet. Während es vor drei Jahren noch eine intensive öffentliche Debatte gegeben habe, sei es, seit das neue Fortpflanzungsmedizingesetz Anfang 2015 in Kraft getreten ist, um das Thema ruhig geworden, so Körtner am Freitag, 8. Dezember 2017 in einer Aussendung. Tatsächlich bleibe die Entwicklung aber nicht stehen. "Immer neue Untersuchungsmethoden kommen auf den Markt, und auch die Keimbahntherapie rückt in greifbare Nähe. Hier besteht großer Diskussionsbedarf."
Reproduktionsmedzinische Entscheidungen wie künstliche Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik, Pränataldiagnostik, Samenspende usw. seien quasi Alltag geworden. "Vieles, was früher dem Zufall überlassen war, ist heute der Wahl bzw. einer bewussten Entscheidung anheimgestellt. Und die Frage ist: Wie können betroffene Paare gute und verantwortete Entscheidungen treffen? Dafür braucht es ethische Reflexion", so Körtner.
Diese Entscheidungen will nun ein neues Argumentarium unterstützen, das das IöThE der Diakonie erstellt hat. Auf zwölf Seiten werden verschiedene ethische Positionen und Argumente zu In-vitro-Fertilisation, Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagnostik vorgestellt.
"Die verschiedenen Methoden und Verfahren der modernen Reproduktionsmedizin bieten Paaren mit Kinderwunsch und werdenden Eltern neue Möglichkeiten. Aus evangelischer Sicht geht es nicht darum, zu sagen: Diese Methode ist gut und erlaubt, jenes Verfahren ist schlecht und verboten; sondern evangelische Ethik betrachtet reproduktionsmedizinische Entscheidungen als moralische Konfliktsituation, in denen abgewogen werden muss", erklärte die Autorin des Argumentariums und wissenschaftliche Referentin des IöThE, Maria Katharina Moser.
Sie denke hier etwa an Paare, die nach einer pränatalen Untersuchung die Diagnose "schwere Behinderung" bekommen. Prinzipielle moralische Urteile würden solchen Paaren nicht helfen. "Es geht darum, der konkreten Situation möglichst gerecht zu werden und Verantwortung zu übernehmen", so Moser.
Allerdings sei die evangelische Ethik überzeugt, dass jedes Leben wertvoll und schützenswert ist - auch und besonders das kranke und behinderte, so Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Die evangelischen Kirchen seien sensibel gegenüber einer "Eugenik von unten". Eltern sollten sich auf ein behindertes Kind einlassen, das sei, so der Diakonie-Direktor, ethisches Ideal. "Aber man kann dieses Ideal nicht einfordern oder durch Verbote quasi erzwingen." Nicht moralische Appelle oder Verbote seien hier angezeigt, sondern konkrete Unterstützungsmaßnahmen ebenso wie ein gesellschaftliches Klima der Offenheit und des Respekts vor Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung.