Die Entscheidung des Höchstgerichts werfe zahlreiche methodische und politische Fragen auf, so Wolfgang Mazal, der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung.
Die Entscheidung des Höchstgerichts werfe zahlreiche methodische und politische Fragen auf, so Wolfgang Mazal, der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung.
Linzer Kirchenrechtler und Generalvikar Lederhilger: Kein gesellschaftlicher Konsens mehr über die Ehe.
Die Kritik an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur "Ehe für alle" hält an. So spricht etwa der Wiener Sozialrechtler und Familienexperte Prof. Wolfgang Mazal in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" (14. Dezember) von einer "Verfremdung des Ehebegriffs". Die Entscheidung des Höchstgerichts werfe zahlreiche methodische und politische Fragen auf, so der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung.
Vor dem Hintergrund des allgemeinen Sprachgebrauchs könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Ehe eine Gemeinschaft von zwei Personen verschiedenen Geschlechts ist, "die den Willen haben, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitig Beistand zu leisten", so Mazal unter Zitierung von Paragraf 44 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches. Im Zusammenwirken mit der "Eingetragenen Partnerschaft" habe der Verfassungsgerichtshof (VfGH) dieses Eheverständnis nun aber als Ausgangspunkt von Diskriminierungen im Alltag qualifiziert, wundert sich Mazal und weist zugleich auf den Aspekt der Kinderlosigkeit hin.
Zunächst wirke es skurril, dass nach Ansicht des Höchstgerichts laut dem eingemahnten künftigen Wortlaut von Paragraf 44 gleichgeschlechtliche Paare nur dann eine Ehe eingehen können, wenn sie den Willen haben, Kinder zu zeugen. Mazal: "Will der VfGH wirklich den Willen zu einem absolut unmöglichen Handeln zur Voraussetzung eines zivilrechtlichen Vertrages erheben?"
Nüchtern betrachtet sei freilich angesichts zahlreicher Fälle von ungewollter Kinderlosigkeit weiters zu fragen, warum der Staat überhaupt noch an einem Vertrag, der die Zeugung von Kindern zum Gegenstand hat, festhalten soll und weshalb überhaupt "Ehe" und "Eingetragene Partnerschaft" nebeneinander bestehen sollen. Konsequenter wäre es, schlicht eine "Lebensgemeinschaft auf Dauer mit gegenseitigen Rechten und Pflichten" zur alleinigen Grundlage zivilrechtlicher und sozialrechtlicher Folgen einer Paarbindung zu machen. Und konsequent wäre es auch, dieses Rechtsinstitut nicht mehr als "Ehe" zu bezeichnen, "anstatt den religiös-kulturell geprägten Ehebegriff des Zivilrechts zu verfremden", so Mazal. Nachsatz: "Der Gesetzgeber ist am Wort!"
Der Kirchenrechtler und Generalvikar der Diözese Linz, Severin Lederhilger, hat in einem Interview für die Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen konstatiert, dass es wohl keinen gesellschaftlichen Konsens mehr über die Ehe gebe. Das theologische Selbstverständnis und die kirchenrechtliche Definition von Ehe könnten durch die Gesetzgebungen einzelner Staaten nicht verändert werden, betonte Lederhilger, es sei künftig aber zu beachten, "dass bei der Erläuterung des Ehesakramentes und in der Vorbereitung auf die kirchliche Trauung nicht mehr von einem gemeinsamen gesellschaftlichen Grundkonsens hinsichtlich Ehe und ihrer Wesenselemente ausgegangen werden kann".
Aufgrund der gemeinsamen Rechtstradition und des Öffentlichkeitscharakters von Ehe habe die Kirche bislang auch Wert auf eine zivilrechtliche Eheschließung gelegt. Es bleibe nun aber abzuwarten, "welche Regelung der österreichische Gesetzgeber nun im Einzelnen aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes trifft, um seitens der Kirche festzustellen, inwieweit künftig noch allgemein von einer gleichartigen Verbindung und Begründung des Ehestandes gesprochen werden kann, wie dies eigentlich wünschenswert wäre".