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11.01.2018 · Österreich & Weltkirche · Spiritualität

Glück ist kein Zufall

„Es gibt das Wohlfühlglück und das Werteglück. Letzteres hat nicht mit Zufall, sondern mit der Lebenseinstellung zu tun“, sagt die Philosophin Katharina Ceming.

Die Philosophin und Theologin Katharina Ceming sagt: „Denken macht glücklich.“ Mit ihren Büchern will sie uns ein wenig glücklicher machen. Allerdings, sie nimmt es uns nicht ab, selbständig zu denken.

 

Es ist noch nicht lange her, da haben wir einander zugeprostet und „Viel Glück im Neuen Jahr!“ gewünscht. Ist das Glück so zufällig wie das Auffinden eines vierblättrigen Kleeblattes?

 

Nein, Glück ist kein Zufall! Das behauptet die Philosophin und Theologin Katharina Ceming. Sie organisiert Philosophie-Reisen nach Griechenland und hält Seminare zum Thema „Glück ist kein Zufall“. Ich habe sie in St. Virgil in Salzburg getroffen.

 

Glück ist kein Zufall, was ist es dann?

Glück kann, muss aber kein Zufall sein. Die antiken Philosophen unterschieden zwei Arten von Glück. Das eine ist ein „Wohlfühlglück“. Das sind die schönen Momente. Die kann ich mir selber erzeugen, aber vielfach fallen sie mir zu.

 

Ganz anders ist es mit dem „Werteglück“. Es hat nicht mit Zufall, sondern mit der Einstellung dem Leben gegenüber zu tun.

 

… und mit dem Denken, sagen Sie. Warum?

 

Das Denken hilft uns, unseren Blick auf die Welt zu reflektieren. Davon ging die antike Philosophie aus. Auch die kognitive Verhaltenstherapie leitet uns an, unsere Denk- und Handlungsmuster zu überdenken.

 

Ein entscheidender Aspekt dabei ist: Wir meinen häufig, dass unsere Vorstellung von der Welt die Welt selbst ist. Doch es ist unsere Brille, mit der wir die Welt sehen.

 

Denken ist ein wichtiges Werkzeug, um das zu erkennen; und dann etwas zu verändern, von einem destruktiven zu einem konstruktiven Zugang zur Welt, zu mir selber.

 

Wenn ich beim Zahnarzt sitze, sehe ich die Welt anders, als wenn ich mich gerade verliebt habe. Meinen Sie das?


Ja. Aber noch mehr: Ich kann im Wartezimmer sitzen und denken: Immer sitzen 10 andere vor mir… Wenn ich mich reinsteigere, bin ich am Ende überzeugt, die ganze Welt ist ungerecht. Oder ich kann sagen: Aha, sind anscheinend ein paar Notfälle vor mir. Es hat aber nichts mit mir zu tun.

 

Epiktet, ein stoischer Philosoph, würde sagen: Stopp, mach dir bewusst, hier beginnt deine persönliche Vorstellung von etwas. Was ist denn der wirkliche Sachverhalt?

 

Wer also meint, die ganze Welt hätte sich gegen ihn verschworen, der sollte Ihr Buch lesen?


Unbedingt, aber nicht nur lesen, sondern selber denken!

 

Sollten wir uns nicht stärker auf unser Bauchgefühl verlassen, anstatt rational zu denken?


Man sollte das Denken nicht gegen das Gefühl ausspielen. Wir haben heute einen verkürzten Vernunftbegriff, der dann gegen die Intuition steht. Für die antiken Denker war das kein Gegensatz.

 

Natürlich ist Intuition wichtig, und zwar im Sinne von wahrnehmen, was passiert. Das haben wir uns leider oft abtrainiert. In der Meditation kann man es wieder lernen.

 

Allerdings, die antiken Denker würden den Kopf schütteln, wenn sie sehen, was wir rational nennen. Wir sind auf kurzfristige Gewinne orientiert, und sägen uns dabei den Ast ab, auf dem wir sitzen.

 

Sich glücklich denken – was heißt das?

 

Selbst Epikur, der ja sehr mit dem Thema der Lust (hedoné) verbunden ist, sagt: Damit du erkennst, was zielführend ist, musst du die Vernunft einsetzen.

 

Es gibt lustvolle Dinge, aber wenn wir sie ausleben, zahlen wir einen zu hohen Preis. Wir können Lust aufschieben, auf etwas Größeres hin. Wir können sogar etwas Unangenehmes über uns ergehen zu lassen, uns also erst einmal anstrengen für etwas. Um das zu erkennen, brauchen wir die Vernunft, das Denken.


Glück, im Sinne von gelingendem Leben (eudaimonia), hat in vielen philosophischen Richtungen damit zu tun, die großen Zusammenhänge durch Vernunft zu erkennen.

 

Ist also jeder seines Glückes Schmied?

 

Nein! Das ist das Problem vieler Ratgeber. Sie propagieren einen Selbstoptimierungsweg. Wer nicht glücklich ist, ist selber schuld. Aber es sind nicht alle Menschen gleich stark, leistungsfähig und fit.

 

Vieles hängt davon ab, in welche Verhältnisse wir hineingeboren sind. Hier wird völlig auf die gesellschaftliche Verantwortung vergessen.

 

Ein Stück Schokolade, ein Glas Wein, ein Kurzurlaub – sind das die Glücksmomente, die die antiken Philosophen meinten?


Das alles macht durchaus glücklich, würde etwa Aristoteles sagen. Aber diese Momente kommen und gehen, sie dauern nicht an. Das dauerhafte Glück nennen wir heute eher Zufriedenheit.

 

Ein guter Job, eine stabile Beziehung –  macht das glücklich?

 

Das Leben in Gemeinschaft gehört für Aristoteles zum gelingenden Leben.
Was Arbeit oder Beziehung betrifft, können zu hohe Erwartungen auch destruktiv sein.

 

Wichtiger ist, wie wir aus der Sinnforschung wissen, die Fähigkeit zur Selbsttranszendierung, nicht nur im religiösen Sinn. Gemeint ist, über sich selbst hinauszuwachsen auf etwas anderes, eine Aufgabe hin, sich für andere Menschen oder für Naturschutz einzusetzen.

 

Menschen, die das leben, empfinden ihr Leben als sinnvoll, und das ist eng mit dem Werteglück, mit Zufriedenheit verbunden.


Sie sagen, dass wir zu sehr dem Glück hinterherjagen. Wir sollten die Dinge um ihrer selbst willen tun. Was bedeutet das?


Ich kann joggen gehen, um fit zu werden, oder einfach, weil ich die Bewegung in der Natur mag. Dieses „um zu“ ist ein ziemlicher Killer.

 

Das Glück ist bei Aristoteles mit der Muse gekoppelt, mit einem Raum völliger Präsenz, in dem man sonst nichts zu erreichen hat. Dann, so sagen sowohl Aristoteles als auch Platon, ist der Mensch ganz bei sich und ganz beim Göttlichen. Das ist die wahre Glückseligkeit.

 

Alles andere, was dem Zweckrationalismus folgt, ist bedingt, und macht nicht dauerhaft glücklich.

 

Wann waren Sie zuletzt richtig glücklich?

 

Immer wenn ich in Griechenland bin. Ich verbringe dort den Urlaub, und komme auch durch meine Philosophiereise oft hin.  Es ist das Land, die Sonne, der Geruch, die Menschen... In Griechenland zu sein ist für mich ein großes Glück.

erstellt von: Der SONNTAG / Stefanie Jeller
11.01.2018
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Katharina Ceming hat Germanistik, Theologie und Philosophie studiert. 2002 hat sie sich über mystische Theologie in Christentum, Buddhismus und Hinduismus habilitiert. Sie ist außerplanmäßige Professorin an der Universität Augsburg, Autorin und organisiert „Philosophische Reisen“ u.a. nach Griechenland und Italien.


Buchtipps:

Katharina Ceming

Denken hilft!


Philosophische Anstöße für heute

Patmos, 2017
ISBN: 978-3-8436-0968-5

 

 

Christa Spannbauer und Katharina Ceming

Denken macht glücklich.

Wie gutes Leben gelingt

Europaverlag, 2016
ISBN: 978-3-95890-049-3

 

 


 

 

radio klassik Stephansdom ZUM NACHHÖREN

Viel Glück!

Katharina Ceming im Interview mit Stefanie Jeller

https://radioklassik.at/glueck/

 

 

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