Julia Roberts mit Auggie.
Julia Roberts mit Auggie.
Der starbesetzte Film „Wunder“ (derzeit im Kino) erzählt von einem außergewöhnlichen Buben, der lernen muss, mit seiner Behinderung in der Welt zu bestehen.
Der zehnjährige August „Auggie“ Pullmann (gespielt von Jakob Tremblay) ist witzig, klug und großzügig. Er hat wunderbare Eltern (Julia Roberts und Owen Wilson) sowie eine herzensgute große Schwester namens Olivia, die Via genannt wird (Izabela Vidovic). Doch Auggie ist ein Außenseiter. Ein seltener Gendefekt hat sein Gesicht entstellt. „Was immer ihr euch vorstellt, es ist schlimmer“, schreibt er einmal in sein Tagebuch.
Unzählige Operationen musste er bereits über sich ergehen lassen. Bisher wurde Auggie zu Hause von seiner Mutter unterrichtet, doch nun, so beschließen seine Eltern, soll er eine reguläre Schule besuchen.
An dieser Schwelle in eine unberechenbare Welt startet der Film „Wunder“ (derzeit in unseren Kinos) und begleitet seinen tapferen Helden bei z. T. schmerzhaften, aber auch ermutigenden Erfahrungen. Der Film „Wunder“ basiert auf dem gleichnamigen Roman der US-Autorin Raquel J. Palacio, die für dieses Buch mit unzähligen Preisen ausgezeichnet wurde, darunter dem Deutschen Jugendliteraturpreis.
Palacios humorvoller und sensibler Einblick in Auggies Leben – auch aus Sicht seiner Angehörigen und Freunde – begeisterte Millionen von Lesern. Der Roman deckt auf, dass unsere Gesellschaft mittlerweile derart von Äußerlichkeiten bestimmt ist, dass wir kaum noch wahrnehmen, was hinter einer Fassade steckt. „Ich wollte einfach ein kleines Buch mit einer simplen Botschaft über Freundlichkeit schreiben“, sagt Bestseller-Autorin Raquel J. Palacio.
Auslöser für die Entstehung des Buches war, was Auggie im Roman „dieses Ganz-schnell-woanders-Hinschauen“ nennt – jenen demütigen Moment, wenn die Leute verunsichert den Blick abwenden. Palacio ging 2008 mit ihren Kindern Eis essen und traf dabei auf ein Mädchen, das „anders“ aussah. „In der Eisdiele saßen wir neben einem Kind mit schwerer kraniofazialer Fehlbildung.“
Palacio mochte kaum hinsehen, was sie bitter bereute. Der Vorfall ließ die Grafikerin nicht los. Sie schämte sich und wollte ihre Reaktion wieder gut machen, indem sie sich radikal in den Standpunkt des Kindes hineindachte: „Ich frage mich, wie das sein muss, wenn man jeden Tag einer Welt gegenübertritt, die nicht weiß, wie sie sich dir gegenüber verhalten soll. Noch an jenem Abend begann ich das Buch zu schreiben.“
„Ich habe ,Wunder’ immer als Meditation über Freundlichkeit verstanden“, resümiert R. J. Palacio ihr Erfolgswerk.
Auggie hat sein entstelltes und von Narben gezeichnetes Gesicht in der Öffentlichkeit bisher am liebsten unter einem Astronautenhelm versteckt. Sein Lieblingsfest des Jahres ist Halloween, weil er sich da mit Gesichtsmaske als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlt.
Die erste Zeit in der Schule ist hart und mit Rückschlägen verbunden. Ein wunderbarer Lehrer – Daveed Diggs als Mr. Browne – und einige Kinder stehen Auggie zur Seite.
Lehrer Browne gibt seiner Klasse monatlich eine Maxime mit, das das soziale Zusammenleben in der Schule erleichtern soll, darunter „Freundliche Worte kosten nicht viel. Und doch erreichen sie viel“ von Blaise Pascal oder „Wenn du die Wahl hast, ob du recht behalten oder freundlich sein sollst, wähle die Freundlichkeit“ von Wayne W. Dyer.
Spannend: Auggie erleidet von Mitschülern Spott und Ausgrenzung aufgrund seines Äußeren. Julian (Bryce Geishar) mobbt ihn gnadenlos. Einzelne Kinder aber wie Summer (Millie Davis) fühlen sehr genau, das das nicht richtig ist und freunden sich mit Auggie an.
Herzerwärmend ist die Geschichte von Auggies Schwester Via: Die Teenagerin fühlt sich von ihrer Mutter, bei der sich alles stets um Auggie dreht, sträflich vernachlässigt und wird noch dazu von ihrer besten Freundin fallengelassen. Dennoch steht sie ihrem kleinen Bruder in einer schweren Krise bei. In der Freundschaft zu Justin (Nadji Jeter) findet sie neuen Mut.
Wie ist das, ein Kind zu haben, das anders ist? Wie überwindet man seine eigenen Ängste, damit es nicht isoliert wird?
Und wie kann man sein Kind, das man so gut kennt, bestärken und ermutigen, wenn andere in ihm einen Alien sehen? Fragen wie diese beschäftigen die Eltern des kleinen Auggie.
Isabell Pullman (Julia Roberts) kann ihren Sohn nur mit einem Stoßgebet („Gott, mach, dass sie nett zu ihm sind“) auf das Gelände der Schule entlassen. Vater Nate Pullman (Owen Wilson) gelingt es, seinen Sohn immer wieder zum Lachen zu bringen und ermutigt ihn, sich auch selbst zu verteidigen.
„Wunder“ ist Mut machendes Kino für die ganze Familie. Starbesetzt und sehenswert umgesetzt ist zu hoffen, dass die Botschaft des Films – nicht nach dem Äußeren zu urteilen und sich aufrichtig um Freundlichkeit zu bemühen – bei möglichst vielen Menschen ankommt.
weitere Artikel:
In dieser Gesellschaft hat jeder Platz
Ein Gespräch mit Susanne Kummer vom Wiener Bioethikinstitut IMABE und Andrea Strachota vom Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien über das Normalsein, die unantastbare Würde des Lebens und darüber, dass „anders“ nicht „weniger wert“ bedeutet.
Trailer
„Wunder“ ist der Film zum lesenswerten Buch!
Raquel J. Palacio
„Wunder“
erschien 2013 erstmals auf Deutsch und wurde vielfach ausgezeichnet.
Erhältlich z. B. als Taschenbuch bei dtv um EUR 10,30 im Buchhandel vor Ort.
ISBN: 978-3-423-08654-7
Julia Roberts über „Wunder“:
,Wunder’ hat mich daran erinnert, öfter nett zu sein und wenigstens einmal täglich den freundlichen Weg zu wählen anstatt den schnelleren, den sarkastischen oder den negativen – und sei es nur in einem Gespräch.“
Auggies Krankheit
ist eine kraniofaziale Fehlbildung aufgrund eines Gendefekts („Treacher Collins Syndrom“). Betroffene leiden u. a. an Fehlbildungen der Ohren, der Gesichtsknochen und der Augenlieder und müssen sich zahlreichen Operationen unterziehen.
Trotz dieser medizinischen Probleme sind es Kinder wie andere Kinder auch. Am schwersten sind für die meisten die oft gedankenlosen Reaktionen von Fremden.
weitere Informationen zu
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at