Univ.-Prof. Jörg Flecker: "Leistung wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen, was der Menschenwürde widerspricht.“
Univ.-Prof. Jörg Flecker: "Leistung wird mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen, was der Menschenwürde widerspricht.“
Das Süd-Vikariat lädt am 9. März ab 17.30 Uhr zur „Industrieviertel-Akademie“ ins Bildungszentrum St. Bernhard in Wiener Neustadt ein. Den Hauptvortrag hält Univ.-Prof. Jörg Flecker, Institut für Soziologie an der Universität Wien.
Was bedeutet es für die Industrie südlich von Wien, dass die industrielle Arbeitswelt in einem enormen Umbruch steckt?
Flecker: „In der industriellen Produktion sind mehrere Entwicklungen zu beobachten: Schon seit vielen Jahren verändert sich die internationale Arbeitsteilung durch Auslagerung und Verlagerung von Arbeit in andere Länder von Mittelosteuropa bis China.
Die Verteilung von Arbeit in Konzernen und Firmennetzwerken bleibt recht dynamisch. Dazu kommt eine neue Welle der Automation, die geeignet ist, Arbeit einzusparen und die Anforderungen an die Beschäftigten zu verändern.
Mit der Automation wird manchmal auch die Hoffnung verbunden, dass Fertigungsschritte wieder in Länder wie Österreich oder Deutschland zurückverlagert werden. Das ist aber eher unsicher.“
Welche Konsequenzen hat das für die Arbeitswelt und den Arbeitsmarkt?
Flecker: „Insgesamt dürfte die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie zurückgehen.
Das wirft die Frage auf, wie die vorhandene Arbeit in Zukunft verteilt wird. Gerade in der industriellen Fertigung spielen die Personalkosten keine so große Rolle mehr.
Es könnten also Arbeitszeiten weiter verkürzt und mehr Arbeiter/innen eingestellt werden. Das ist wirtschaftlich gesehen sinnvoll, weil die Arbeiter/innen in der automatisierten Produktion die Aufgabe haben, Unterbrechungen und Stillstände vorbeugend zu vermeiden. Und Stillstände kosten viel mehr als zusätzliches Personal.
Die technischen Neuerungen könnten auch dazu genutzt werden, die Arbeit menschlicher zu machen. Das kann unter anderem in der Verminderung von Nachtarbeit, im Abbau von körperlichen Belastungen und in einer abwechslungsreichen und lernförderlichen Gestaltung von Arbeit bestehen.“
Haben wir in unserer vielzitierten Leistungsgesellschaft menschenwürdige Löhne?
Flecker: „Die Löhne und Gehälter sind im Hinblick auf die Menschenwürde unter zwei Gesichtspunkten zu sehen: Erstens stellt sich die Frage, ob es für die Anstrengungen und Beiträge eine ausreichende finanzielle Gegenleistung gibt, die es den Arbeitenden erlaubt, ihre Lebenshaltungskosten zu decken und einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen.
Zweitens geht es darum, ob der Abstand zum Einkommen anderer angemessen ist, weil mit der Bezahlung auch eine Wertschätzung für die Leistung ausgedrückt wird.
In beiderlei Hinsicht bestehen immer größere Probleme: Es gibt einen relativ großen Niedriglohnbereich, in dem Arbeit nicht vor Armut schützt. Und die Abstände zwischen den Einkommen der Geschäftsführer/innen und der Angestellten und Arbeiter/innen wachsen stark, der Abstand zwischen Männer- und Fraueneinkommen ist in Österreich hartnäckig hoch.
Leistung wird also mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen, was der Menschenwürde widerspricht.“
9. März 2018 im Bildungszentrum St. Bernhard in Wiener Neustadt,
Thema:
„Arbeitswelt und Arbeitsmarkt im Wandel – Eine soziale und demokratiepolitische Herausforderung“.
17.30 Uhr: Eintreffen.
18.10 Uhr: Referat von Univ.-Prof. Jörg Flecker, Arbeitsmarktexperte und Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Wien.
19 Uhr: Arbeitsgruppen
mit Univ.-Prof. Jörg Flecker; Georg Grund-Groiss, Leiter des Arbeitsmarktservice (AMS) Wiener Neustadt; Gabriele Kienesberger, Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung (KAB) der Erzdiözese Wien und Dietmar Köhler, Verein „Zum alten Eisen“.
20 Uhr: Podiumsgespräch, Moderation: Michael Ausserer, Chefredakteur „Der Sonntag“.
20.30 Uhr: Agape.
02622/29131 oder
E-Mail: st.bernhard@edw.or.at
zur Person:
Univ.-Prof. Jörg Flecker, Arbeitsmarktexperte und Professor für Allgemeine Soziologie an der Universität Wien.
weitere Informationen zu
die Zeitung der Erzdiözese Wien
Stephansplatz 4/VI/DG
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at