Was sie und tausende andere Mädchen Nacht für Nacht erleben, hinterlässt tiefe Wunden auf ihren Körpern und Seelen.
Was sie und tausende andere Mädchen Nacht für Nacht erleben, hinterlässt tiefe Wunden auf ihren Körpern und Seelen.
Tausende Kinder müssen sich jede Nacht in Sierra Leones Hauptstadt Freetown prostituieren, damit sie sich den Schulbesuch leisten können oder etwas zu essen haben. Vom Leid der Mädchen erzählt ein neuer Film.
Es gibt gute Männer und es gibt böse Männer. Die Guten werden dir helfen. Aber die Bösen können dein Leben zerstören“, sagt die 17-Jährige Aminata.
Im Dokumentarfilm „LOVE“
Der Film beginnt mit einem Schlaflied, wie Eltern es ihren Kindern vorsingen. „Schlaf, mein Kind, lass mich dich zudecken. Mama ist auf dem Weg. Papa ist gleich da.“
Aminata hat keine Mutter und keinen Vater, kein Zuhause und kein Bett. Nachts schläft sie nicht, sie arbeitet. Sie verkauft ihren Körper an die Männer der Stadt und an Matrosen aus aller Welt. Für ein bisschen Essen und für die Schulgebühren.
Aminata lebt in einem der ärmsten Länder der Erde. Sierra Leone ist nach einem Jahrzehnt Bürgerkrieg ausgeblutet und hoch verschuldet. 2014 brach eine Ebola-Epidemie aus, viele Menschen starben und ließen ihre Kinder als Waisen zurück.
Aminata hat nur noch ihre Großmutter, die zu gebrechlich ist, um sich um sie zu kümmern. Seit sie 13 Jahre alt ist, lebt Aminata auf der Straße und prostituiert sich. Mit ihrem Verdienst versorgt sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Oma.
„Die Frauen mögen uns nicht“, erzählt Aminata, während sie mit Freundinnen und Leidensgefährtinnen über den Markt schlendert, „sie sagen, wir schlafen mit ihren Männern.“ In der Schule beschimpfen die Kinder sie als Hure. Aminata geht trotzdem hin und lernt. Sie träumt von einem kleinen Geschäft, einem Leben mit ihrer Oma, fern von Straße und Prostitution.
„Wir ermutigen die Mädchen zu träumen“, sagt P. Jorge Crisafulli. Er leitet das Kinderschutzzentrum „Don Bosco Fambul“ in der Hauptstadt Freetown und wurde von Jugend Eine Welt zur Österreich-Premiere von „LOVE“ nach Wien eingeladen.
Seit September 2016 ist P. Jorge Crisafulli mit seinem Team in einem umgebauten Linienbus, dem Don Bosco-Mobil, in den Rotlichtvierteln Freetowns unterwegs.
Für die minderjährigen Prostituierten ist das die erste Anlaufstelle. Hier finden sie Menschen, die ihnen zuhören, sie werden über Gefahren wie den Menschenhandel informiert und sie können einen kostenlosen Gesundheitstest machen. Denn viele Mädchen wurden mit sexuell übertragbaren Krankheiten angesteckt, jede zehnte ist HIV positiv, noch mehr haben Hepatitis B. Die Jüngsten sind erst neun Jahre alt.
„Ganz viele Mädchen sind Opfer von massiver Gewalt und schwer traumatisiert“, erzählt P. Jorge Crisafulli bei seinem Besuch in Wien, „ihre Seelen sind tief verwundet.“ Im Don Bosco Mädchenschutzhaus bekommen die Mädchen daher nicht nur Essen, Kleidung und medizinische Hilfe, sie werden auch therapeutisch begleitet.
Die Jüngeren gehen in die Schule, die Älteren erhalten eine Berufsausbildung. „Bildung ist der Schlüssel, um diese Mädchen von der Straße zu holen“, sagt P. Jorge Crisafulli.
Er berichtet von Aminata aus der Dokumentation „LOVE“. Nach vier leidvollen Jahren als Prostituierte, konnte sie ein kleines Friseurgeschäft aufmachen und lebt jetzt mit ihrer Großmutter zusammen. Niemand beschimpft sie mehr, sie ist eine respektierte junge Frau. Und Aminata strahlt.
„Das Schönste für mich ist zu sehen, wie sich der Gesichtsausdruck der Mädchen verändert, wenn sie zu uns kommen. Sie beginnen zu lächeln. Und dieses Lächeln kommt aus einer tiefen Freude und innerem Frieden.“
P. Jorge Crisafulli konnte 146 Mädchen beim Ausstieg aus der Prostitution begleiten und er dankt allen, die „dieses Wunder möglich machen“. Der Weg zum eigenen Glück ist, andere glücklich zu machen, sagt er.
Der Film „LOVE“ ist „den Heldinnen dieser Geschichte gewidmet, die sie teilen wollten, damit sie sich niemals wiederholt“.
Dafür braucht es viele Menschen wie P. Jorge Crisafulli und noch viele mehr, die Unterstützung leisten. 2.500 Mädchen müssen sich in Freetown prostituieren. Weltweit sind es 223 Millionen Kinder.
P. Jorge Crisafulli unterstützt die Mädchen bei ihrem Weg aus der Prostitution.
Die Republik Sierra Leone ist etwas kleiner als Österreich und hat ca. 7 Millionen Einwohner. Im Bürgerkrieg (1991-2002) kamen 50.000 bis 300.000 Menschen ums Leben, etwa 2,6 Millionen mussten fliehen.
Eine wesentliche Rolle im Konflikt spielten die Diamantenvorkommen. Das Land ist noch immer schwer gezeichnet, die Infrastruktur großteils zerstört. Die Lebenserwartung ist mit 51,3 Jahren (2016) eine der niedrigsten weltweit. Seit der Ebola-Epidemie (2014-2015) hat der Kinderhandel stark zugenommen.
Mehr als die Hälfte der 5- bis 14-Jährigen muss arbeiten – fast 900.000 Kinder.
Das Kinderschutzzentrum „Don Bosco Fambul“ der Salesianer Don Boscos hilft Straßenkindern, Kinderprostituierten, Opfern von Menschenhandel und Ebola-Waisen.
Unterstützt wird das Projekt von Jugend Eine Welt.
Spendenkonto für Kinderprostituierte
Raiffeisen Landesbank Tirol
IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000
Jugend Eine Welt lud am 13. April zur Österreichpremiere von „LOVE“ ins Wiener Top-Kino.
Der Kurzfilm begleitet die 17-jährige Aminata, die jahrelang ihren Körper verkaufen musste, um zu überleben, und zeigt die Arbeit von „Don Bosco Fambul“.
www.jugendeinewelt.at (unter Projekte – Afrika – Sierra Leone)
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at