Martina Kronthler, die Generalsekretärin der "Aktion Leben".
Martina Kronthler, die Generalsekretärin der "Aktion Leben".
"Wer Abtreibungen vermeiden will, muss auch über alle Methoden der Empfängnisregelung und Verhütung informieren".
Den in der Enzyklika "Humanae vitae" formulierten Anspruch, bei der Familienplanung "auf das körperliche Wohl oder seelische Gleichgewicht" der Frau Bedacht zu nehmen, teilt die "Aktion Leben" mit dem Verfasser Papst Paul VI. Für nicht entscheidend hält Martina Kronthaler, die Generalsekretärin des u.a. in der Schwangerenberatung engagierten parteiunabhängigen, überkonfessionellen Vereins jedoch, welche Methode angewendet wird, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Die vom päpstlichen Lehramt empfohlene natürliche Empfängnisregelung sei nicht für jede Frau geeignet, und Rücksicht auf die Partnerin bzw. auf den eigenen Körper hänge nicht von der gewählten Methode ab, gab Kronthaler im Interview mit "kathpress" zu verstehen.
Die "natürlichen Methoden", bei denen es den weiblichen Monatszyklus sorgsam und diszipliniert zu beachten gilt, seien nach Erfahrung der "Aktion Leben" für selbstbewusste Frauen interessant, die ihren Körper und ihren Zyklus gut kennen, und die in Einklang mit ihrem Körper und auch mit Partnern leben, die diese Haltung teilen. Das Interesse daran sei durchaus nicht immer religiös motiviert, sondern werde auch durch Bewegungen geschürt, die sich mit Ökologie und Achtsamkeit befassen.
Kronthaler: "In unserer Beratung sehen wir immer wieder Frauen, denen die Männer Verhütung verbieten, die Buben zur Welt bringen sollen und die physisch und psychisch am Ende sind." Viele Frauen hätten auch nie erfahren, dass sie gut mit sich umgehen oder ihren Männern Grenzen setzen dürfen. In deren Familien habe es kein Vorbild für liebevolle Partnerschaften oder für das Reden über Familienplanung gegeben. Umgekehrt treffe die "Aktion Leben" aber auch auf Paare, "die in gemeinsamer Verantwortung die für ihre aktuelle Situation passende hormonelle oder andere Methode der Verhütung wählen und dadurch aufeinander Rücksicht nehmen".
De facto spiele etwa die symptothermale Methode, die Rückschlüsse auf fruchtbare Tage durch penible Körperbeobachtung zulässt, in der Beratung eine geringe Rolle, teilte Kronthaler mit. Viele der Ratsuchenden lebten in Beziehungen, "in denen die Voraussetzungen dafür völlig fehlen". Das Thema Familienplanung anzusprechen, sei den "Aktion Leben"-Fachfrauen aber sehr wichtig: "Denn können sie nicht verhüten, geraten sie bald wieder in eine krisenhafte Schwangerschaft, die vielleicht zu einem Abbruch führt", gab die Generalsekretärin zu bedenken. Ihre Überzeugung: "Wer Abtreibungen vermeiden will, muss auch über alle Methoden der Empfängnisregelung und Verhütung informieren - wobei ein Abbruch für uns keine Verhütungsmethode ist."
In der Bildungsarbeit lege die "Aktion Leben" großen Wert darauf, dass der weibliche Zyklus und die männliche Fruchtbarkeit verstanden werden. Diese Kenntnisse seien grundlegend dafür, um die einzelnen Methoden der Verhütung zu verstehen. "Außerdem geben unsere Workshops Impulse dafür, sich selbst gut spüren und wahrnehmen zu lernen, sich in Beziehungen respektvoll zu verhalten." Grundlegend sei eine positive, achtsame Sprache, das Ernstnehmen des Gegenübers, "was in der Sexualpädagogik ganz besonders wichtig ist".
In puncto "Sicherheit" der verschiedenen Methoden verwies Kronthaler auf den "Pearl-Index", der angibt, wie viele von 100 Frauen schwanger werden, wenn sie eine bestimmte Form der Verhütung ein Jahr lang praktizieren. Bei der Pille liegt der Index je nach Zusammensetzung bei 0,1 bis 0,4 Prozent, bei der Hormonspirale bei 0,16 Prozent, beim Kondom liegt die Bandbreite zwischen 2 und 12 Prozent. Die symptothermale Methode mit dem Markennamen "Sensiplan" liegt laut Kronthaler bei einer Schwangerschaftsrate von 1,8 von 100 Frauen - Anwendungsfehler mit eingerechnet.
Solche Fehler passieren freilich auch bei Pille und Kondom, schränkte Kronthaler ein. Grundsätzlich sei keine Verhütung zu 100 Prozent sicher, es kann bei jeder Methode zu ungeplanten Schwangerschaften kommen. "Wir informieren auch, welche Produkte eine Einnistung des Embryos verhindern", ging die "Aktion Leben"-Vertreterin auf eine weitere kirchlicherseits abgelehnte, weil frühabtreibende Methode ein. Diese werde jedoch ständig weiterentwickelt und die Wirkweisen veränderten sich dadurch. "So wie in der Beratung raten wir weder ab noch zu, sondern versetzen die Menschen in die Lage, informierte Entscheidungen zu treffen. Die ärztliche Beratung empfehlen wir hingegen immer."
Befürworter der vor 50 Jahren veröffentlichten Enzyklika "Humanae vitae" sprechen oft von einem "prophetischen Wort" des Papstes. Und auch die wegen ihrer Methoden-Offenheit von manchen Kirchenvertretern kritisch beäugte "Aktion Leben" attestiert dem umstrittenen Lehrschreiben einen bleibenden Wert.
Kronthaler würdigte, dass Paul VI. Sexualität als Ausdruck gegenseitiger Liebe und Achtung und als etwas Schöpferisches gesehen habe. Das werde dem Menschen in seiner Sehnsucht nach einer Gesamtwahrnehmung seiner selbst gerecht. "Niemand möchte nur ein Objekt der Befriedigung für jemand anderen sein", betonte Kronthaler, und da stelle die Enzyklika klar, "dass Sexualität viel mehr bedeutet". Paul VI. hat weiters in seiner Sorge vor der Instrumentalisierung des Menschen die Gefahr der Pornografie vorausgesehen, die heute für Jugendliche oft der erste Einstieg in die Auseinandersetzung mit Sexualität ist, wie die Generalsekretärin weiß. Zu dieser Warnung passe aktuell auch die Verzweckung der Frau z.B. durch Leihmutterschaft. Was von "Humanae vitae" bleibt, hat laut Kronthaler Papst Franziskus in "Amoris laetitia" (Nr. 82) wie folgt zusammengefasst: "Bei der moralischen Bewertung der Methoden muss die Würde der Person respektiert werden."
Sexualität ist ihrer Überzeugung nach eine positive Kraft für uns Menschen. "Sie so in unser Leben zu integrieren, dass wir ohne Angst vor Folgen in der Liebe bleiben können oder bei ungeplanten Schwangerschaften von unseren Partnern aufgefangen werden, halte ich für ein menschenfreundliches Ziel", erklärte Kronthaler. Die Realität hinke leider oft hinterher "und sich um Verhütung zu kümmern, wird meist immer noch allein den Frauen überlassen - oder ihnen verboten".