„Der Wunsch nach der Ehe für alle ist eigentlich ein schönes Zeugnis für ihre Unvergleichlichkeit. Das ist etwas sehr Tiefes. Aber die Ehe hat auch entscheidend mit der Generationenfolge zu tun.“
„Der Wunsch nach der Ehe für alle ist eigentlich ein schönes Zeugnis für ihre Unvergleichlichkeit. Das ist etwas sehr Tiefes. Aber die Ehe hat auch entscheidend mit der Generationenfolge zu tun.“
Was aus der Diözesanversammlung folgt, wie er in die Jugend-Synode in Rom geht – und was er sich von der Bundesregierung bei der Ehegesetzgebung erwartet: Kardinal Christoph Schönborn im Interview.
Nur 72 Stunden blieben unserem Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, zwischen dem Ende der Diözesanversammlung und der Abreise zur dreiwöchigen Jugendsynode in Rom. Trotzdem hat er sich Zeit genommen für ein Interview mit dem SONNTAG.
Was ist für Sie der Fokus nach der Diözesanversammlung?
Ein wichtiges Vokabel war dort: „Gemeinschaft“. Das ist das große Anliegen. Wo der Pfarrer ein Einzelkämpfer ist oder man spürt, da ist keine Gemeinschaft, die aus der Freude des Glaubens heraus miteinander lebt, ist es uninteressant. Da bleiben die Menschen weg. Aber wo Gemeinschaft gelingt, zieht das Menschen an, strahlt es aus.
Gemeinschaft-Werden: Was tut da Not?
Zwei Stoßrichtungen: Es muss die Leidenschaft für den Herrn spürbar sein. Ich habe in vielen Echos von der Diözesanversammlung gehört: Man spürt, dass in der Diözese das Bewusstsein, wir wollen mit dem Herrn gehen, heute deutlich spürbar ist. Aber es braucht auch das ganz praktische Wissen, wie Teamwork geht, das Handwerk.
Teamwork ist Sache der Basis. Kann die Diözesanleitung dazu etwas beitragen?
Ja. Auch ein Fußballteam muss ständig an seinem Teamwork arbeiten und braucht dazu Trainer. Ein ganz wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren ist, unseren Gemeinden zu helfen, Teams aufzubauen, wo jeder mit seinen Begabungen seinen Platz hat, wo man weiß, wohin man den Ball spielen muss: ein Training des Miteinanders.
Wir haben ein sehr konsistentes Programm entwickelt, das wir nun anbieten. Wir haben auch gelernt, dass eine Pfarre mit Teilgemeinden – eine „Pfarre neu“ – nur dann sinnvoll entstehen kann, wenn zuerst ein gutes Team existiert.
Am Ende der Versammlung haben Sie über Willkommenskultur gesprochen...
Willkommenskultur ist ein durchgehendes Merkmal lebendiger Gemeinden. Das Wort gab es eine Zeit lang in der Flüchtlingsfrage und wurde dann von manchen zum Unwort erklärt. Für die Kirche ist es ein absolutes Muss.
Menschen, die in eine Gemeinde hineinkommen möchten und nach dem dritten oder vierten Mal immer noch alleine herumstehen, die kommen nie wieder. Wir müssen denen, die neu dazukommen, mit Neugierde und Willkommen begegnen, wenn wir wachsen wollen.
Erwarten Sie tatsächlich, dass es – wie Sie das in den Raum gestellt haben – auch einmal Diakoninnen geben wird?
Ich habe gesagt: Vielleicht werde ich auch einmal Diakoninnen weihen können. Tatsächlich ist die Frage lehramtlich offen. Es gibt keinen zwingenden theologischen Grund, warum es niemals so sein wird. Es ist eine Frage, was der Herr mit seiner Kirche vorhat.
Nehmen Sie von der Diözesanversammlung etwas mit, was Sie bei der Jugendsynode in Rom der Weltkirche sagen wollen?
Ich gestehe, dass ich vor allem hinfahre, um zuzuhören. Gerade beim Thema Jugend soll man, wenn man 73 ist, einmal zuhören. Es wird sich dann vielleicht ein Wort einstellen, das passt.
Es sagen auch viele Jugendliche, es tut ihnen so gut, wenn ihnen jemand zuhört. In der Tageslesung am Freitag der Diözesanversammlung hieß es ja auch: „Alles hat seine Zeit... Es gibt eine Zeit zu schweigen und eine Zeit zu reden.“
Sie haben Ihrer Predigt gesagt, dass es oft schwer ist, als Bischof zu wissen, ob man besser reden oder schweigen soll.
Richtig. Etwa, wenn die Kirche zu Sorgen und Hoffnungen der Gesellschaft nicht schweigen darf – aber dann erlebt, dass auf der anderen Seite der Rollladen heruntergeht. Etwa in der Flüchtlingsfrage oder bei der „Ehe für alle“.
Was gilt es bei der „Ehe für alle“ zu sagen?
Das erste, was mir an der Diskussion auffällt: Ehe ist offensichtlich anziehend. Ich glaube, das ist auch eine Botschaft an unsere Gesellschaft: Offenbar gilt die Ehe als die Höchstform des menschlichen Zusammenlebens.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Hochzeiten ein Riesenmedienthema sind – und wir erleben gleichzeitig, viele von uns hautnah, dass das ungeheuer zerbrechlich ist.
Ich deute die Sehnsucht nach der Ehe auch als eine Sehnsucht nach Beständigkeit. Zum besonders Anziehenden an der Ehe gehört dieses Feierliche: Du bist es mir wert, einen Bund fürs Leben zu schließen! Insofern kann ich gut verstehen, dass Menschen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Eingetragene Partnerschaft zu wenig ist.
Dieser Wunsch nach der Ehe ist eigentlich ein schönes Zeugnis für ihre Unvergleichlichkeit. Das ist grundsätzlich etwas sehr Tiefes.
Warum bestehen Sie dann auf der Ehe als Bund von Mann und Frau?
Ich verstehe den Wunsch. Aber die Ehe hat noch ein anderes Element, das bei dieser Sicht allein noch nicht in den Blick kommt, und das sicher für manche schmerzlich ist: Die Ehe hat entscheidend mit der Weitergabe des Lebens zu tun, mit der Generationenfolge der Menschheit, in der wir selber stehen. Die ist ausschließlich möglich in der Verbindung von Mann und Frau.
Aber auch eine Verbindung von Mann und Frau kann kinderlos bleiben...
Ja, aber trotzdem muss man sagen: Wir alle verdanken unser Dasein der Generationenfolge, gesichert durch Mann und Frau.
Deshalb sagt nicht nur die Kirche, sondern auch die Vernunft, dass die Ehe – auch in ihrer rechtlichen Form – aus diesen beiden Elementen bestehen soll: der gegenseitigen Liebe mit ihrem öffentlichen Bekenntnis – und der Ausrichtung auf die Generationenfolge.
In seinem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof den Bezug auf Mann und Frau gestrichen, aber stehen gelassen, dass das Paar gemeinsam Kinder zeugen will. Da bleibt ein Widerspruch.
Trotz heutiger Fortpflanzungsmedizin?
Ja, denn da stellt sich etwa die ganz ernste ethische Frage der Leihmutterschaft. Auch das ist nicht nur Thema der Kirche, sondern für viele Menschen ein Thema: eine Entwürdigung der Frau, die verzweckt wird, um den Kinderwunsch anderer zu erfüllen. Auch bei der Samenspende stellen sich ähnliche Fragen.
Und dazu kommt die Frage, die sich dann in der Lebensgeschichte der Kinder stellen kann: Wer ist mein Vater? Die dann oft dramatische Suche nach der eigenen Herkunft... Das ist ein wirkliches ethisches Problem.
Was sollte also die Regierung tun?
Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs sind zu respektieren und umzusetzen. Ich erwarte mir aber von den Regierungsparteien eine gewissenhafte Prüfung: ob es Wege gibt, das Erkenntnis so umzusetzen, dass es keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mehr gibt und trotzdem die Unverwechselbarkeit der Ehe bleibt – in ihrer Doppelfunktion des öffentlichen Gelöbnisses und der Sicherung der Generationenfolge durch Mann und Frau.
Warum wird die Diskussion über Ehe für alle – auch mit Menschen, die nicht direkt betroffen sind – oft so emotional?
Vermutlich haben wir alle eine tiefe Sehnsucht nach gelungener Partnerschaft. Ich komme selber aus einer Scheidungsfamilie, und ich weiß, wie es ist, wenn man als Kind doch ein bisschen schief oder mit Vorbehalt angeschaut wird: Du kommst ja nicht aus einer normalen Familie. Das tut einfach weh.
Und da ein ganz großer Teil unserer Bevölkerung direkt oder in der Familie oder im Freundeskreis betroffen ist, ist die Sensibilität sehr groß gegenüber jeder Form von Geringschätzung gegen Situationen, die nicht dem Leitmodell „Vater Mutter Kinder“ entsprechen.
Als Kirche nicht mehr auf diesem Leitbild zu bestehen – wäre das eine Lösung?
Ich denke nein, weil die Sehnsucht nach diesem Leitmodell ja da ist. Ich denke auch nicht, dass die Gleichsetzung aller Formen von Partnerschaft mit dem Begriff Ehe die vielen Wunden, die da sind, heilen kann.
Ich glaube eher, dass es unserer Gesellschaft gut tut, sich darauf zu einigen, dass „Vater Mutter Kinder“ nach wie vor ein Leitbild ist.
Aber dass wir sehr viel behutsamer umgehen mit den vielen Situationen, die nicht so sind. Schließlich haben wir alle dieselbe Würde, und niemand ist ohne Wunden.
Manche plädieren angesichts der öffentlichen Stimmung für geordneten Rückzug.
Wie immer die Mehrheiten ausschauen: Ich bin überzeugt, dass die unverwechselbare Ehe als Bund von Mann und Frau, offen für Nachwuchs, unersetzlich ist. Auch weil so vieles davon abhängt, ob es genug Kinder gibt. Die Ehe von Mann und Frau ist für alle da.