Kurienkardinal Kurt Koch bei seinem Vortrag in der Eisenstädter Wirtschaftskammer.
Kurienkardinal Kurt Koch bei seinem Vortrag in der Eisenstädter Wirtschaftskammer.
Fest des burgenländischen Landespatrons im Martinsdom. Vatikanischer "Ökumeneminister": Martinus verweist auf Evangeliums-Kerngedanken der Nächstenliebe und Gottes verborgener Gegenwart.
Hoher Besuch zum Martinstag in Eisenstadt: Kurienkardinal Kurt Koch hat am Sonntag, 11. November 2018 das Pontifikalamt zum Fest des burgenländischen Diözesan- und Landespatrons geleitet. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen rief in seiner Festpredigt dazu auf, die Armen als "privilegierten Zugangsort zu Jesus Christus" zu sehen und in ihnen Gott zu begegnen. Der Heilige Martin von Tours habe diese Haltung eindrucksvoll vorgelebt.
Koch zelebrierte den Gottesdienst im Martinsdom gemeinsam mit Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics, dem Apostolischen Nuntius Peter Stephan Zurbriggen und dem Heiligenkreuzer Abt Maximilian Heim. Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl war bei der Festmesse, an die eine Festakademie anschloss, zugegen.
Den heiligen Martin bezeichnete Koch als einen "besonders volkstümlichen Heiligen", er gelte sogar als beliebtester Heilige in Europa. Zahlreiche Bräuche und Legenden rund um den Gedenktag, von der Martinigans bis zu den Laternenumzügen, bezeugten die Verwurzelung in der Volksfrömmigkeit. Zugleich stehe Martinus für einen Kerngedanken des Evangeliums: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
Jesus sei derjenige, "der sich mit dem Armen und Leidenden, dem Hungrigen und Durstigen, dem Nackten und Gefangenen nicht nur solidarisiert, sondern geradezu identifiziert", so der "Ökumeneminister" des Vatikan. Er sei "in unserer Welt verborgen gegenwärtig in allen Menschen, die leiden und arm und verlassen sind."
Koch war bereits Ende Februar in Eisenstadt zu Gast, als er und Bischof Zsifkovics dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem griechisch-orthodoxen Metropolit Arsenios Kardamakis eine persönliche Großspende von Papst Franziskus für das orthodoxe Klosterprojekt in St. Andrä am Zicksee überreichten. Damals würdigte Koch die Bedeutung der Diözese Eisenstadt als Brückenbauer in Europa.
Am Ende der Festmesse erhielt Zsifkovics eine von der Katholischen Jugend und Jungschar kreierte Stola als Einladung zur Diözesanjugendmesse "FeelTheDome" überreicht, die am 24. November 2018 im Martinsdom stattfindet. Im Anschluss wurde zum Teilen des "Martinskipferls" eingeladen, ehe eine ökumenische Festakademie zum Martinsfest auf dem Programm stand. Neben dem Hauptreferat von Kardinal Koch waren dabei auch Referate von Metropolit Arsenios und des evangelischen Superintendenten Manfred Koch vorgesehen
Der Heilige Martin wurde um das Jahr 316/17 in der Stadt Sabaria geboren, im heutigen ungarischen Szombathely (Steinamanger). Der Sohn eines römischen Tribuns trat auf Wunsch seines Vaters in die Armee ein. Nach seiner Bekehrung ließ sich Martin mit 18 Jahren taufen, quittierte den Militärdienst und wurde Eremit. Seit 371 war er wider Willen Bischof von Tours an der Loire; er starb am 8. November 397 in seiner Diözese. Das Grab des fränkischen Nationalheiligen und Patrons der Bettler, Schneider, Geächteten und Kriegsdienstverweigerer in Tours ist eine wichtige Wallfahrtsstätte. Außer von Eisenstadt ist Sankt Martin auch Patron der Diözesen Szombathely, Mainz und Rottenburg.
Die nach dem heiligen Martin von Tours benannten Laternenumzüge rund um den 11. November, bei denen sich Kinder als Soldaten und Bettler verkleiden, erinnern an die Legende, nach der Martin seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Der Brauch der zu diesem Datum verzehrten Martinigans ist dem Zahl- und Pachttag 11. November geschuldet, erinnert aber auch an die Legende, wonach sich der Heilige in einem Gänsestall versteckte, um seiner Wahl zum Bischof durch das Volk zu entgehen; die schnatternden Tiere verrieten ihn aber. Über die historische Gestalt Martins ist dennoch vergleichsweise viel gesichert: Mit Sulpicius Severus (um 363-420/25) verfasste ein Weggefährte am Ende des 4. Jahrhunderts eine ausführliche Biografie.
Auf die wachsende Verfolgung von Christen in vielen Weltregionen hat der vatikanische Kurienkardinal Kurt Koch bei der diesjährigen Festakademie der Diözese Eisenstadt zum Martinsfest am Sonntag aufmerksam gemacht. Das Leiden so vieler Christen in der heutigen Welt bilde dabei über alle christlichen Konfessionen hinweg eine "gemeinsame Erfahrung" und zugleich einen starken Aufruf für stärkere ökumenische Bemühungen, betonte der Präsident des päpstlichen Einheitsrates. Christen würden nicht verfolgt, weil sie katholisch oder protestantisch sind, sondern "weil sie Christen sind", erinnerte Koch. Angesichts des Leids so vieler Christen in der heutigen Zeit müssten zentrale Kontroversen im ökumenischen Dialog der Gegenwart entschlossen und engagiert gelöst werden.
"Das Martyrium ist heute ökumenisch und man muss von einer eigentlichen Ökumene der Märtyrer sprechen", sagte der Schweizer Kardinal im Beisein des Eisenstädter Bischofs Ägidius Zsifkovics, des Wiener griechisch-orthodoxen Metropolit Arsenios (Kardamakis) und des evangelischen Superintendenten Manfred Koch. "Die Märtyrer gehören allen Kirchen und ihr Leiden ist eine 'Ökumene des Blutes'", woraus eine "vordringliche ökumenische Verantwortung" resultiere, sagte Koch. "Gerade die Zunahme der Christenverfolgungen verdeutlicht die existenzielle Dringlichkeit der Ökumene in der heutigen Welt."
Unter den verschiedenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften gebe es heute einen weitgehenden Konsens über "viele Einzelfragen des Glaubensverständnisses", sagte Koch. Eine breite Kluft bestehe aber gerade im Verständnis von "ökumenischer Einheit der Kirche selbst". Einheit sei eine Grundkategorie des christlichen Glaubens. Ohne Bemühen um Einheit der Christen und damit um Überwindung der Spaltungen des einen Leibes Christi in der einen von Gott geschaffenen Welt "gibt sich der christliche Glaube selber auf", so der Kurienkardinal.
Gerade angesichts dringlicher ethischer Fragen - von Aspekten des Lebensschutzes bis zur Gerechtigkeit und einem christlichen Menschenbild - brauche es ein gemeinsames und einheitliches Auftreten der Christen. "Wenn die christlichen Kirchen und Gemeinschaften zu den großen ethischen Fragen in der heutigen Zeit nicht mit einer Stimme sprechen können, wird diese christliche Stimme in den säkularistischen Gesellschaften immer schwächer", stellte der Präsident des Einheitsrates fest. Koch rief in diesem Zusammenhang zu mehr Mut für die christliche Ökumene, für Solidarität und Geschwisterlichkeit der Christen auf.