Von einem "Kulturwandel" in der katholischen Kirche in Österreich spricht die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention in der Erzdiözese Wien, Martina Greiner-Lebenbauer.
Von einem "Kulturwandel" in der katholischen Kirche in Österreich spricht die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention in der Erzdiözese Wien, Martina Greiner-Lebenbauer.
Auseinandersetzung findet in allen kirchlichen Ausbildungseinrichtungen statt. Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention in der Erzdiözese Wien, Greiner-Lebenbauer.
Von einem "Kulturwandel" in der katholischen Kirche in Österreich spricht die Leiterin der Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention in der Erzdiözese Wien, Martina Greiner-Lebenbauer, im "kathpress"-Interview.
Die Stabsstelle gibt es seit 2012. Seither gebe es bei der Thematisierung und Aufarbeitung von Missbrauch und bei der Sensibilisierung für dieses Themas große Fortschritte. Freilich gelte es immer noch mehr zu tun und mitunter gebe es auch immer noch innerkirchliche Widerstände, sich intensiv mit der Thematik bzw. Problematik auseinanderzusetzen, räumte Greiner-Lebenbauer ein.
2010 trat österreichweit eine einheitliche Rahmenordnung gegen Missbrauch und Gewalt in Kraft, die 2016 überarbeitet wurde. In allen Diözesen gibt es längst die in der Rahmenordnung von 2010 geforderten Einrichtungen (Ombudsstelle, diözesane Kommission und Stabsstelle Gewaltprävention). Der Schwerpunkt der Arbeit der Präventionsstellen ist die Sensibilisierung aller haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Themen wie Nähe-Distanz oder Machtmissbrauch. Zudem wird fundiertes Fachwissen über (sexualisierte) Gewalt bereitgestellt.
Österreichweit informieren und schulen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Präventionsstellen mit Workshops und Vorträgen hauptamtliche wie ehrenamtliche kirchliche Mitarbeiter. Und das sowohl in den zentralen Dienststellen der Diözesen als auch in den Pfarren, in Ausbildungseinrichtungen und in verschiedensten Gremien wie Dechantenkonferenzen oder Pfarrgemeinderäten. Greiner-Lebenbauer: "Es geht schließlich um den Schutz aller Personen, die uns als Kirche anvertraut sind, besonders um Kinder und Jugendliche."
In jeder Pfarre der Erzdiözese Wien gebe es beispielsweise auch einen Präventionsbeauftragten, der als "Themenanwalt" das Anliegen wach hält, so Greiner-Lebenbauer. In den Gruppenleiter-Schulung, die für alle in der Kinder- und Jugendpastoral Tätigen verpflichtend sind, werde das Thema ebenfalls besprochen.
Greiner-Lebenbauer: "Übergriffe und Gewalt können überall vorkommen, wo Menschen miteinander arbeiten. Ziel unserer Workshop ist Sicherheit im Umgang mit Nähe und Macht zu vermitteln. 'Gspürig' für Grenzverletzungen zu werden, die ich bei mir selber wahrnehme und die ich beobachte. Es geht darum, für einen grenzachtenden Umgang miteinander zu sensibilisieren." Es gelte auch genau hinzusehen, "sind die mit den Kinder arbeitenden Personen auch geeignet für die Aufgabe".
Alle kirchlichen Mitarbeiter in ganz Österreich müssten zudem eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen, sich an die Rahmenordnung zu halten. Greiner-Lebenbauer: "Viele machen das in großer Selbstverständlichkeit, die Unterschrift bestätigt das. Zugleich ist die Unterschrift ein wichtiges Zeichen für die von Gewalt betroffenen Menschen, dass die Kirche und alle Mitarbeiter verhindern möchten, dass es je wieder zu Gewalttaten kommt, wie es in früheren Jahrzehnten möglich war."
Grundlegend für die Verhinderung von (sexueller) Gewalt sowie der richtigen Intervention im Falle eines Verdachtes sei," dass alle kirchlichen Mitarbeiter verpflichtet sind, einen Verdacht an die diözesane Ombudsstelle zu melden". Das Fachteam der Ombudsstelle kläre dann den Sachverhalt.
Ein heikler Punkt gerade in der Kirche sei zudem der Umgang mit geistlichem Missbrauch, so die Präventionsexpertin, "wenn also eine geistliche Autorität ausgenützt wird, um Menschen zu manipulieren oder unter Druck zu setzen." Es gehe um das Verursachen von Schuldgefühlen oder Angstmachen durch religiöse Unterweisungen, und das könne dann auch zu sexueller Gewalt führen.
Die Wiener Stabsstelle hat zwei Arbeitshilfen herausgegeben: Im Behelf "Ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche sein" werden Sommerwochen, Wochendfreizeiten, Wallfahrten, Ausflüge und Reise aus der Perspektive der Prävention beleuchtet. Der zweite Behelf richtet sich an alle in der Seelsorge Tätigen: "Unter vier Augen. Verantwortungsvoller Umgang mit Nähe und Macht im Seelsorgegespräch, im Beichtgespräch und in der Geistlichen Begleitung in der Erzdiözese Wien". Wie Greiner-Lebenbauer sagte, gehe es hier vor allem auch um das zuvor angesprochene Thema des geistlichen Missbrauchs, "aber auch darum, wie wir Betroffene von Gewalt aber auch Tätern bei der Verantwortungsübernahme begleiten können".
Die Stabsstelle werde zudem von kirchlichen Mitarbeitern kontaktiert, "die zum Beispiel einen Sachverhalt auf einem Sommerlager abklären wollen oder eine Wallfahrt planen und nachfragen, was hinsichtlich der Prävention zu bedenken ist". Darüber hinaus stelle die Stabsstelle auf ihrer Homepage www.hinsehen.at und der Facebook-Seite Informationen und Arbeitshilfen sowie aktuelle Neuigkeiten zur Verfügung.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Präventionsarbeit ist die Vernetzung und das Lobbying mit zivilgesellschaftlichen Fachberatungsstellen sowie weiteren kirchlichen Einrichtungen. Die Stabsstelle der Erzdiözese Wien ist beispielsweise Mitglied im "Wiener Netzwerk gegen sexuelle Gewalt an Mädchen, Buben und Jugendlichen".
Präventionsstabsstellen gibt es in jeder Diözese. Die Einrichtungen stehen auch in engem Kontakt zueinander und tauschen sich regelmäßig aus. Die Arbeit der Stabsstellen "zielt letztlich darauf ab, dass jeder an seinem Platz die Verantwortung übernimmt. Verantwortung für das, was ich getan oder nicht getan habe", so der Psychotherapeut Stefan Schäfer von der Stabsstelle der Diözese Feldkirch.
Wenn Missbrauch und Gewalt in ihren vielfältigsten Formen nicht erkannt werden, "haben wir keine Sprache dafür". Die Folge sei Sprachlosigkeit oder eine "beschwichtigende Ersatzsprache mit leerer Argumentation". Für viele Betroffene sei das fatal, so Schäfer: "Sie kennen sich nicht aus und die Scham und Schuld bleibt an ihnen hängen wie klebriges Pech."
Gewaltprävention habe die Aufgabe, "Unfassbarem eine Sprache zu geben". Sie schaffe bei Mitarbeitern und der Öffentlichkeit ein Bewusstsein und die Fähigkeit, Grenzverletzungen und Gewalt als solche zu bezeichnen. Denn: "Wenn Grenzverletzung und Gewalt nicht erkannt werden, kann nicht gehandelt werden."
"Gewalt und Missbrauch in der Kirche sind meist verknüpft mit spiritueller Gewalt bzw. geistlichem Missbrauch", so Ingrid Lackner von der Stabsstelle der Diözese Graz-Seckau. Dieser Bereich sei zwar inzwischen den Verantwortlichen stärker bewusst, man stehe hier bei der Präventionsarbeit aber noch relativ am Anfang. Ganz generell wolle sie betonen: "Bewusstseinsbildung muss gekoppelt sein mit einem strukturellen Wandel. Da muss sich im Amtsverständnis viel tun, damit ein kirchliches Wirken auf Augenhöhe geschehen kann."
Die Aufgaben der Präventionsstabsstellen sind im Prinzip in allen Diözesen Österreichs gleich. Einige Diözesen setzen aber auch innovative Schwerpunkte: So forciert die Diözese Innsbruck das Projekt "e-learning child-protection", das an der Uni Innsbruck zur Schulung von seelsorglich Tätigen angeboten wird. Dieses Programm wurde von der Kinderschutzkommission des Vatikans entwickelt und von der römischen Universität Gregoriana übernommen und adaptiert. Das e-learning-Programm setzt bei der eigenen Auseinandersetzung über die im Internet zur Verfügung gestellten Inhalte an. Diese werden dann in Peer-Gruppen ein Semester lang vertieft. Die Diözese Linz hat einen mehrtägigen Lehrgang zum Thema Missbrauchsprävention entwickelt, in dem kirchliche Multiplikatoren ausgebildet werden.