Der Bischofsrat der Erzdiözese Wien hat nun seine Standortbestimmung abgeschlossen und in einer Stellungnahme vorgelegt. Markus Beranek im Interview.
Der Bischofsrat der Erzdiözese Wien hat nun seine Standortbestimmung abgeschlossen und in einer Stellungnahme vorgelegt. Markus Beranek im Interview.
Pastoralamtsleiter Markus Beranek über die aktuelle „Standortbestimmung“ des diözesanen Entwicklungsprozesses APG 2.1.
Im Herbst 2012 hat der Entwicklungsprozess der Erzdiözese Wien durch die Leitlinien der Diözesanspitze eine klare Ausrichtung bekommen. Mission und Jüngerschaft sollen durch zeitgemäße Strukturen unterstützt werden. Im Mittelpunkt stand das Wachstum des Glaubens in die Breite und in die Tiefe – durch Ausrichtung der Gemeinden auf einen Weg der missionarischen Jüngerschaft, durch gemeinschaftliche Leitung von Haupt- und Ehrenamtlichen, Geweihten und Laien, durch größere Verwaltungsräume („Pfarre Neu“), in denen jeweils mehrere bisherige Pfarrgemeinden einander unterstützen und beginnen, Aufgaben und Ressourcen miteinander zu teilen und dabei ihr eigenes Profil behalten. Damit Kirche vor Ort und nahe bei allen Menschen Zukunft hat.
Dieser Prozess wurde in den vergangenen Monaten intensiv überprüft: Ist der Weg richtig? Wo muss man nachjustieren? Nach intensivem Austausch, etwa bei der Diözesanversammlung 2018 oder in Treffen mit den Mitgliedern der drei Vikariatsräte und mit den Dechanten hat der Bischofsrat der Erzdiözese Wien nun seine Standortbestimmung abgeschlossen und in einer Stellungnahme vorgelegt. Der SONNTAG hat darüber mit Pastoralamtsleiter Markus Beranek ein Gespräch geführt.
Wie lässt sich die Standortbestimmung des Bischofsrates in wenigen Sätzen zusammenfassen?
Beranek: Die zentrale Botschaft ist, dass wir den Diözesanen Entwicklungsprozess APG 2.1 forstsetzen. Wir haben viele Rückmeldungen bekommen, dass dieser Veränderungsprozess auch ein großer Lernprozess ist, der einfach seine Zeit braucht. Deshalb gibt es eine Konkretisierung des in den Richtlinien (für den Diözesanen Entwicklungsprozess APG 2.1 von 2012) genannten Ziels, und zwar dass bis 2022 80 Prozent der Entwicklungsräume zumindest als Pfarrverband organisiert sein sollen oder idealer Weise bereits als eine Pfarre mit Teilgemeinden. Wir sind auch noch einmal darin bestärkt worden, dass besonders die Pfarrer, die Priester, die Hauptamtlichen insgesamt in diesem Veränderungsprozess ganz stark Unterstützung brauchen. Es geht dabei auch darum, neue Rollenbilder zu lernen. Wie geht beispielsweise Pfarrer-Sein unter den gewandelten Situationen von Kirche in der heutigen Gesellschaft? Das funktioniert ganz anders in einer Pfarre mit mehreren Teilgemeinden oder in einem Pfarrverband als in einer kleinen Pfarre, wo es vielleicht tatsächlich möglich war, fast alle Menschen zu kennen.
Stichwort „Neue Rollenbilder“: Was kann man sich darunter vorstellen?
Beranek: Neue Rollenbilder heißt, dass ich als Pfarrer eines Pfarrverbandes oder einer Pfarre mit Teilgemeinden die eigene Aufgabe ganz neu anlegen muss. Das Anliegen, alle Menschen einer Pfarre zu kennen, ist eine Latte, die ich nicht erreichen kann. Die Herausforderung für das neue Rollenverständnis ist es, zu lernen, stärker mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu arbeiten. Als ich Pfarrer war und meine Pfarre Stockerau Teil eines Pfarrverbands wurde, war es ein wichtiger Schritt, mir selbst klar zu machen und auch zu kommunizieren, dass ich weder bei allen Anlässen dabei sein kann, noch dass ich persönlich mit allen Menschen der Pfarren selber Kontakt haben kann. Die Gruppe, mit der ich zuallererst zu tun hatte, war der Kreis der anderen Hauptamtlichen (Pfarrvikare, Kapläne, Pastoralassistentin), der Pfarrgemeinde- und Vermögensverwaltungsräte, der engagierten Ehrenamtlichen. Dies gilt in ähnlicher Weise für die Arbeit aller Hauptamtlichen: Dass sie klären, wer die Gruppe der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist, für die sie jetzt vor allem zuständig sind, die sie begleiten und unterstützen und denen sie den Rücken stärken, damit sie in der Lage sind, in einem immer größeren Maß selber und eigenständig Verantwortung zu übernehmen. Das kann, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, durchaus ein mühsamer Lernprozess sein.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Begriff „Team3“?
Beranek: „Team3“ ist ein Projekt, das genau aus dieser Erfahrung heraus entstanden ist. Dass nämlich diese Hauptamtlichen-Teams, die bei der Bildung eines Pfarrverbandes oder einer Pfarre mit Teilgemeinden entstehen, Unterstützung und Begleitung brauchen. Auch dafür, damit dann das Teamwork gemeinsam mit den Ehrenamtlichen funktioniert und fruchtbar ist. „Team3“ steht für Persönlichkeitsentwicklung, spirituelle Entwicklung und Gemeindeentwicklung.
Angesprochen werden in dem „Brief“ auch „neue, übersichtlichere Formen der Kommunikation“. Was wird damit angestrebt?
Beranek: Wir haben momentan die Herausforderung, dass beispielsweise allein innerhalb des Pastoralamts die Referate sehr selbständig mit ihren unterschiedlichen Zielgruppen mittels Newsletter oder durch Aussendungen kommunizieren. Derzeit agieren die pastoralen diözesanen Dienststellen relativ eigenständig. Das hat den Vorteil, dass man sehr flexibel sein kann, dass man sehr spontan auf Herausforderungen reagieren kann. Das hat aber den Nachteil, dass es schnell dazu führt, dass Pfarren und Einzelpersonen mit Informationen richtig zugeschüttet werden. Und wir merken auch, dass Informationen auf weite Strecken schlicht nicht ankommen. Die Frage ist: Wie können wir in den diözesanen Dienststellen die Kommunikation beispielsweise in Richtung Pfarren stärker bündeln, wie können wir ein gemeinsames Portal schaffen, wo bestimmte Zielgruppen wie Pfarrgemeinderäte, Hauptamtliche und engagierte Ehrenamtliche sich auf einen Blick sich in fünf Minuten schlau machen können, was es da an Unterstützungsmöglichkeiten gibt.
Und: Wie können wir auch stärker strukturiertes Feedback bekommen, welche Unterstützung wirklich gefragt ist, damit Angebot und Bedarf möglichst nahe beisammen liegen?
Was ist unter „Leadershipkultur“ zu verstehen?
Beranek: Sie hat stark mit der erwähnten neuen Rolle der Hauptamtlichen zu tun. Dass nämlich Hauptamtliche viel stärker Ehrenamtliche in ihren Bereichen begleiten, damit diese selbständig Verantwortung übernehmen können. Dass beispielsweise Handlungsspielräume klar definiert sind, damit Menschen wissen, welche Entscheidungen sie eigenverantwortlich treffen können. Egal ob es um die Firmvorbereitung, das Pfarrfest oder eine neue Form von Gebetsabend geht. Wenn Handlungsspielräume klar sind, kann Selbstverantwortung wachsen und etwa der Pfarrer oder auch der PGR muss sich nicht um jede Kleinigkeit wie den Preis der Würstel selber kümmern. Für jene die Leitung haben heißt das, Vertrauen zu haben, Macht abzugeben und die eigene Aufgabe wirklich als Dienst zu betrachten.
Der Bischofsrat bittet auch um die Umsetzung der sieben Punkte des Hirtenbriefs 2015. Welche der sieben Punkte waren Ihnen als Pfarrer besonders wichtig?
Beranek: Es waren vor allem zwei Punkte, die uns stark beschäftigt haben. Auf der strukturellen Ebene der Punkt 7: „Macht Schritte auf dem Weg zu Pfarre Neu“. Bei uns war es konkret der Schritt, Pfarrverband zu werden, also über den Kirchturm hinauszuschauen und dabei zu lernen, wie Haupt- und Ehrenamtliche in dieser größeren Einheit stärker zusammenarbeiten können, wie da ein Mehr an Austausch und an Innovationskraft möglich wird. Für mich ist das Verändern von Strukturen ein äußerer Anstoß, tiefer zu gehen. Den eigenen Glauben mehr zu entdecken, mehr in eine Verbundenheit mit Jesus hineinzuwachsen, die Freude am Glauben mit anderen zu teilen (also Punkt 3 des Hirtenbriefs, „Teilnahme an einem Glaubenskurs“). Wir haben einen Glaubenskurs gestartet, wir haben konkret mit „Alpha“ gearbeitet, und wir haben erfahren, dass einige Menschen durch den Austausch in der Gruppe, durch die Phasen des gemeinsamen Betens auch einen lebendigeren Zugang zum Glauben finden konnten.
Wie kann die vielzitierte „Jüngerschaftsschulung“ konkret werden?
Beranek: Bei aller Irritation, die das Wort „Jüngerschaft“ bei manchen auslöste, hat es jedenfalls die Stärke, dass es letztlich ein biblischer Begriff ist. Jünger werden heißt, in eine ganz persönliche Beziehung mit Jesus hineinzuwachsen und eine ganz selbstverständliche Freude daran zu entwickeln, diesen Glauben auch mit anderen zu teilen. Das meint auch „Leadership“: Wenn ich Menschen befähige, aus ihrem Glauben heraus Verantwortung zu übernehmen, dann ist es genau das, was Jesus mit seinen Jüngern getan hat. Er hat sie mitgenommen und Schritt für Schritt haben sie in seiner Nähe gelernt, sie haben natürlich auch Fehler gemacht. Aber sie haben in all ihrer Unterschiedlichkeit durch ihre Verkündigung seine Botschaft weitergetragen und dabei seine kraftvolle Gegenwart erfahren.