Jean Vanier, Gründer der christlichen "Arche"-Gemeinschaften, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung zusammenleben, ist im Alter von 90 Jahren gestorben.
Jean Vanier, Gründer der christlichen "Arche"-Gemeinschaften, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung zusammenleben, ist im Alter von 90 Jahren gestorben.
Der Kanadier Vanier erhielt 2015 den Templeton-Preis für Verdienste um die Menschlichkeit.
Jean Vanier, Gründer der christlichen "Arche"-Gemeinschaften, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung zusammenleben, ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Das teilte der Präsident der "Federation de L'Arche en France", Bernard Bresson, am Dienstag, 7. Mai 2019 auf der Website der Organisation mit. Demnach starb der durch eine Krebserkrankung geschwächte Vanier in der Nacht zum Dienstag im Kreis nahestehender Personen in seiner Arche-Gründung in Paris.
Papst Franziskus wurde am Dienstag während seiner derzeitigen Balkanreise vom Tod Vaniers informiert. Er bete für Vanier und die Arche-Gemeinschaften, teilte Vatikansprecher Alessandro Gisotti im nordmazedonischen Skopje mit.
Jean Vanier wurde am 10. September 1928 in Genf geboren. Er war Sohn des späteren Generalgouverneurs von Kanada, Georges Vanier, und wuchs in Kanada, England und Frankreich auf. Als er 15 Jahre alt war, trat er der Marine bei. Zuletzt diente er auf dem kanadischen Flugzeugträger HMCS Magnificent. 1950 nahm er von der Marine Abschied, um in einer Kommunität bei Paris zu leben. Vanier begann ein Theologie- und Philosophiestudium in Paris. Nach Abschluss des Doktorats lehrte er ab 1962 am St. Michael's College an der Universität von Toronto.
1964 nahm Vanier mit dem Dominikanerpater Thomas Philippe zwei geistig behinderte Männer in ein Häuschen in Trosly-Breuil, einem französischen Dorf bei Compiegne, dem ersten Haus der Arche, auf. Er entdeckte "die Tiefe ihres Leidens und ihren Schrei nach wahrhaftiger Beziehung, aber auch ihre Freude an der Gemeinschaft mit Menschen" (Zitat Vanier). Er wollte ihnen helfen und merkte auf einmal, wie sie ihm halfen.
1965 übernahm Vanier die Leitung des Behindertenheimes in Val Fleuri, wo 32 Männer mit einer geistigen Behinderung lebten. Er veränderte das Heim unter dem Konzept, dass Behinderte und Nichtbehinderte in Hausgemeinschaften miteinander lebten, woraus die Arche-Bewegung entstand. 1969 wurden erste Archegemeinschaften außerhalb Frankreichs, "Daybreak" im kanadischen Toronto und "Asha Niketan" im indischen Bangalore, gegründet. In den 1970er Jahren wurden Strukturen, gemeinsame Leitlinien und eine Charta der Archegemeinschaften entwickelt.
1981 nahm Jean Vanier ein Sabbatjahr und übergab seine Leitungsfunktion an andere Mitverantwortliche. Seither gibt er seine Erfahrungen im Zusammenleben mit geistig behinderten Menschen weltweit in Vorträgen und Veröffentlichungen weiter. Heute gibt es weltweit rund 150 "Archen" mit etwa 5.000 Mitgliedern in 35 Ländern. In Österreich gibt es zwei "Arche"-Häuser in Steinach am Brenner und in St. Jodok; beide gehören zum Verein "Arche Tirol".
Vanier verbrachte seine letzten Lebensjahre auf dem Gelände der ersten "Arche"-Gemeinschaft in Trosly-Breuil, rund 75 Kilometer nördlich von Paris. 2014 wurde berichtet, dass der 1993 verstorbene Arche-Mitgründer P. Philippe Frauen sexuell missbraucht haben soll. Jean Vanier sah sich veranlasst, um Verzeihung zu bitten. 2015 erhielt er den Templeton-Preis für Verdienste um die Menschlichkeit. Die Auszeichnung gehört mit umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro Preisgeld zu den höchst dotierten im Bereich Religion und Spiritualität. Zu den Preisträgern gehörten auch der Dalai Lama (2012), der südafrikanische Bischof Desmond Tutu (2013) sowie Mutter Teresa (1973). 2016 erhielt Vanier aus der Hand des damaligen Premierministers Manuel Valls eine Ehrung der Französischen Ehrenlegion. Im Oktober 2017 erlitt Vanier einen Herzinfarkt und überstand eine Operation.