Die Freude auf das Kind sollte bei einer Schwangerschaft im Vordergrund stehen können.
Die Freude auf das Kind sollte bei einer Schwangerschaft im Vordergrund stehen können.
Die Frage, ob das Kind, das sie erwarten, gesund sein wird, beschäftigt alle werdenden Eltern. Die Medizin bietet in Form zahlreicher vorgeburtlicher Untersuchungen an, auf diese Frage Antworten zu liefern. Aber wie sind diese Antworten einzuordnen? Und können sie tatsächlich Sicherheit bringen?
Ein Gespräch mit Martina Kronthaler, Generalsekretärin der „aktion leben österreich“ im Vorfeld vom „Tag des Lebens“ über Vermögen – und Unvermögen – der Pränataldiagnostik.
Ein Combined Test und eine Nackendickemessung, ein Dopplerultraschall und ein Organscreening. Und was ist eigentlich mit dem „NIPT“, dem nicht invasiven Pränataltest? Muss man den machen? Sollte man den machen?
Es ist nicht immer leicht, schwanger zu sein, in Zeiten der modernen Medizin. In Zeiten, in denen den Untersuchungen vor der Geburt, der Pränataldiagnostik, eine so große und wichtige Rolle eingeräumt wird.
In Zeiten, in denen Schwangere eigentlich von einer Vorsorgeuntersuchung in die nächste purzeln (können) und in denen – gefühlt – jede dritte Schwangerschaft sowieso schon von vornherein als Risikoschwangerschaft eingestuft wird.
9 Monate lang, so scheint es wenigstens, geht es darum, abzutesten, Risiken abzuwägen und Abweichungen vom Normalen zu finden.
Das Wohlbefinden der werdenden Mutter, des werdenden Vaters und des Babys scheinen geradezu abhängig davon zu sein, was die nächste Untersuchung bringt. Von Ruhe, entspannter Erwartung, „guter Hoffnung sein“ – wie es noch zu Zeiten unserer Mütter und Großmütter geheißen hat – ist da irgendwie kaum mehr eine Spur.
„Der Wunsch nach einem gesunden Kind ist sehr verständlich“, sagt dazu Martina Kronthaler, Generalsekretärin der „aktion leben österreich“. Seit Jahren beschäftigt sich die Organisation mit dem Vermögen – aber auch dem Unvermögen – pränataler Diagnoseverfahren.
„Man muss ganz klar sagen“, so Martina Kronthaler: „die Basis-Untersuchungen, die der Mutter-Kind-Pass vorschreibt, sind sinnvoll.“ Derzeit haben Schwangere in Österreich im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen neben der allgemeinen geburtshilflichen Begutachtung auch Anspruch auf drei Ultraschalle und zwei Laboruntersuchungen.
„Es sind Basisinformationen für die Intaktheit der Schwangerschaft“, konkretisiert Martina Kronthaler: „Untersuchungen, die Aufschluss über die Lage der Plazenta oder die Herztöne des Kindes geben können.
Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist mit der Einführung des Mutter-Kind-Passes in den vergangenen Jahrzehnten massiv zurückgegangen.“
Kritisch sieht die „aktion leben“ allerdings, wenn erweiterte Pränataldiagnostik ohne gute Begleitung angeboten wird.
„Pränataldiagnostik kann keine gesunden Kinder garantieren“, sagt Martina Kronthaler: „Sie kann in einigen wenigen Fällen Auffälligkeiten erkennen oder ausschließen, aber sehr oft die konkreten Auswirkungen nicht vorhersagen.“ Vorgeburtliche Therapien seien in den seltensten Fällen möglich.
Schwierig sei außerdem, dass ein auffälliger Befund immer eine Krise bei den werdenden Eltern auslöse. „Immer schwingt mit: Ein behindertes Kind muss nicht sein.
Eltern werden bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung vor die Wahl gestellt, ob sie das Kind so annehmen können, oder einen Abbruch wollen“, sagt Martina Kronthaler. Die Pränataldiagnostik kann damit zu einer tiefen Verstörung der Eltern-Kind-Beziehung führen, „die nicht unterschätzt werden darf“.
Viel zu wenig sei bekannt, dass 95 bis 97 Prozent der Kinder gänzlich ohne Auffälligkeiten auf die Welt kommen. Und nur ein kleiner Teil der Auffälligkeiten sei vorgeburtlich feststellbar. „Diese Information kann auch entlasten.“
Zudem müsste darüber nachgedacht werden, dass Pränataldiagnostik auch ein Instrument der Selektion sein kann – der Geschlechterselektion, aber vor allem auch der behinderter Kinder.
Beim „1st Trimester Screening“ etwa, das viele Frauenärzte empfehlen, werde unter anderem nur die Wahrscheinlichkeit für eine Auffälligkeit errechnet. Der Befund muss immer weiter abgeklärt werden.
Groß beworben wird auch der „NIPT“, der nicht invasive Pränataltest – eine Blutuntersuchung, bei der kindliche Zellen aus dem Blut der Mutter isoliert und untersucht werden. Damit können Chromosomenauffälligkeiten herausgefunden werden, sagt Martina Kronthaler: „In der Praxis sucht der Test vor allem nach Down-Syndrom – und das in einem relativ frühen Stadium der Schwangerschaft.
Viele Eltern entscheiden sich dann für einen Schwangerschaftsabbruch. Wie viele es sind, wissen wir mangels einer Statistik über Abbrüche in Österreich nicht.“
Aber worauf können Eltern achten, wie könnten sie sich im Bereich Pränataldiagnostik bewegen?
„Zunächst einmal sollen sich Eltern zu nichts drängen lassen“, sagt Martina Kronthaler: „Sie sollen sich Zeit nehmen, zu überlegen: Was wollen wir wissen und wozu wollen wir es wissen?
Was machen wir im Fall eines auffälligen Befundes? Welche Möglichkeiten haben wir?“ Vor allem darüber gebe es aber derzeit noch viel zu wenig Informationen.
„Wir brauchen dringend eine bessere Information für Eltern, eine bessere Begleitung im Ernstfall“, sagt Martina Kronthaler überzeugt.
Generell sollten werdende Eltern von den Ärzten informiert werden, dass es die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung während der Schwangerschaft gebe. „Bei der „aktion leben“ kann man so eine Beratung zum Beispiel in Anspruch nehmen, wenn man nähere Informationen zu Pränataldiagnostik haben möchte.
Und was sie hier auch bekommen können, sind Informationen rund um das wichtige Thema: vorgeburtliche Beziehungsförderung“, sagt Martina Kronthaler. Im Grund sei es doch so: „Schwangere Frauen und auch die Ärzte können mit den Mitteln der Pränataldiagnostik viel weniger beeinflussen, ob ein Kind gesund ist oder nicht, als in der Öffentlichkeit angenommen wird.
Was Eltern aber tun können, ist, schon während der Schwangerschaft eine Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, eine Bindung.“
„Wir sollten uns viel intensiver darum kümmern, dass Frauen ihre Schwangerschaft entspannt erleben und genießen können“, sagt Martina Kronthaler: „Warum holen wir uns nicht ein stückweit dieses ,in guter Hoffnung sein‘ zurück?
Die Freude auf das Kind sollte bei einer Schwangerschaft im Vordergrund stehen können. Kinder zu bekommen, Kinder zu haben, ist etwas Wunderbares. Wir wollen jede Frau dabei unterstützen, den für sie passenden Weg zu finden.“
Rund um den Tag des Lebens, dem 1. Juni, macht die „aktion leben österreich“ mit einer Aktion wieder darauf aufmerksam, dass das Leben ein Geschenk ist.
Gegen eine Mindestspende von 5 Euro werden Überraschungssackerln verteilt.
26. Mai:
Perchtoldsdorf, Marienkirtag
ab 10.30 Uhr;
29. Mai:
Millenium City
9.00 – 17.00 Uhr,
Auhof Center
9.30 – 17.00 Uhr,
Riverside
9.30 – 17.00 Uhr;
2. Juni:
Stephansdom,
9.00 – 13.00 Uhr
und 18.00 – 22.00 Uhr.
aktion leben österreich
1150 Wien
Diefenbachgasse 5/5
T: +43.1.512 52 21
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at