So nimmt Dr. Michael Prüller die Diskussion um "Awakening Austria" wahr.
So nimmt Dr. Michael Prüller die Diskussion um "Awakening Austria" wahr.
Ein Gebet für Sebastian Kurz am Rande einer christlichen Veranstaltung sorgt für Aufregung innerhalb und außerhalb der Kirche. Zum besseren Verständnis, was tatsächlich geschehen ist, hier ein paar Informationen dazu.
Vom 13. bis 16. Juni 2019 hat in der Wiener Stadthalle ein christlicher Kongress unter dem Namen „Awakening Europe“ stattgefunden. Kardinal Schönborn war für einen Impuls als Gast eingeladen worden.
Für den Sonntagvormittag war vor längerer Zeit auch Bundeskanzler Sebastian Kurz für ein Statement eingeladen worden, diese Einladung war offenbar auch nach seiner Abdankung bestehen geblieben. Das an sich wäre noch keine so außergewöhnliche Tatsache. Ich war als Journalist etwa einmal dabei, als der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Hauptredner beim Deutschen Katholikentag eingeladen war.
Viele Menschen hat aber befremdet, dass nach dem dreiminütigen Statement von Kurz der Gründer von „Awakening Europe“, Ben Fitzgerald, die Teilnehmer bat, für Kurz zu beten. Das ist im angloamerikanischen Raum und besonders bei Christen der charismatischen Bewegungen auch keine Besonderheit. Dazu gehört, Gott für den betreffenden Menschen zu danken und den Heiligen Geist zu bitten, ihn mit den Gaben auszustatten, die er in seiner Funktion braucht. In diesem Fall waren es Weisheit, Rechtschaffenheit und Schutz.
Oft betet in solchen Fällen der Beter mit seinem ganzen Körper, etwa indem er dem anderen die Hand auf die Schulter oder den Kopf legt, wie es schon im Urchristentum Jesus und die Jünger getan haben.
Auch Ben Fitzgerald tat das in der Stadthalle, und die Menschen in der Halle haben als Entsprechung dazu ihre Arme im Gebet erhoben – als körperlich ausgedrückte Bitte, dass der Geist seine Gaben in Fülle ausgießt. Mit Anbetung einer Person hat das nichts zu tun.
Natürlich kann das missverstanden werden. Mein Eindruck war nicht, dass Kurz hier „gefeiert“ wurde. Er hat nach eigener Aussage auch gar nicht gewusst, dass für ihn gebetet werden würde. Freilich haben wir in Österreich die Tradition entwickelt, zu religiösen Veranstaltungen möglichst Politiker mehrerer Richtungen einzuladen. Wäre dies auch hier geschehen, wäre der Eindruck einer politischen Einseitigkeit vielleicht vermieden worden. Und es tut ja auch allen anderen Politikern gut, wenn ihnen der Herr Weisheit und Rechtschaffenheit verleiht. Darum haben die Christen schon unter ihrem Verfolger Nero begonnen, für die Verantwortungsträger in der Politik zu beten. Und wir tun dies in vielen Sonntagsfürbitten.
Obwohl er bei Kurz‘ Statement und Segensgebet gar nicht mehr dabei war, ist auch Kardinal Schönborn ein wenig in die entstandene Aufregung einbezogen worden. Wieso hat er denn überhaupt daran teilgenommen?
Zunächst einmal: „Awakening Europe“ ist eine aus mehreren Freikirchen heraus entstandene Reihe von Veranstaltungen, die alle christlichen Konfessionen umfasst. Ziel ist die Stärkung der Einheit der Christen im jeweiligen Land, der Befähigung der Christen zur Verkündigung des Evangeliums und die „Übermittlung der rettenden Liebe und Kraft Gottes zu den Menschen“.
An der Vorbereitung haben auch Katholiken teilgenommen, sie haben auch einen Teil der Teilnehmer gestellt. Aber es gab keine offizielle Beteiligung, auch nicht finanziell, der katholischen Kirche.
Kardinal Schönborn war schon vor geraumer Zeit eingeladen worden, einen Impuls zu geben. Nach einer Prüfung der vorhergehenden Awakening Europe-Veranstaltungen in Nürnberg (2015), Stockholm (2016), Prag (2017) und Riga (2018) hat der Kardinal die Einladung gerne angenommen. Er gehört – wie auch Papst Franziskus - zu den Förderern von ökumenischen Begegnungen zwischen Freikirchen und katholischer Kirche.
Dass manches an der freikirchlichen Theologie und Praxis für uns befremdlich wirkt, ist dabei kein Hindernis – Ökumene besteht ja gerade darin, über die Fremdheit hinweg Brücken zu bauen. Das gelingt bei einem Event wie Awakening Europe gut, weil es dort nicht um Werbung für die jeweils eigene Kirche geht, sondern darum, gemeinsam den Menschen vom großen Schatz zu erzählen, der in der Begegnung mit Jesus Christus liegt.