Univ.-Prof. em. Augustinus Wucherer-Huldenfeld 90er.
Univ.-Prof. em. Augustinus Wucherer-Huldenfeld 90er.
Emeritierter Wiener Professor für Christliche Philosophie: Erneuerung der Kirche braucht Überwindung des Klerikalismus durch Wiederentdecken einer neutestamentlich fundierten Würde und Berufung aller Gläubigen.
Er füllte nicht nur über Jahrzehnte den größten Hörsaal der Theologie an der Uni Wien, sondern jetzt mit einem "Biblischen Vortrag" auch die Wiener Pfarrkirche St. Josef zu Margareten randvoll: Die Rede ist vom langjährigen Ordinarius für Christliche Philosophie, Univ.-Prof. em. Augustinus Wucherer-Huldenfeld, der als Prämonstratenser dem Stift Geras angehört, aber schon seit Jahrzehnten in der Pfarre St. Josef auch als Seelsorger wirkt, wo er am Sonntag seinen 90. Geburtstag beging. In seinem Vortrag "Weck die tote Christenheit" - angelehnt an eine Strophe eines bekannten Kirchenlieds - hielt der Jubilar ein kraftvolles Plädoyer für eine biblisch fundierte Laien-Spiritualität, die für eine Erneuerung der Kirche auf Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils unabdingbar sei.
Die Auflösung der flächendeckenden "Volkskirche", die mit dem Staat eng verbunden ist, bezeichnete Wucherer als einen fortschreitenden Prozess. Großangelegte Restaurationsversuche - wie der des autoritären christlichen Ständestaates in Österreich - seien definitiv gescheitert. Entgegen den gegenwärtigen Versuchen der Kirche nach flächendeckenden Strukturreformen empfahl der Priester-Philosoph eine "kirchliche Selbstkorrektur hin zu einer Spiritualität des Laien". Dabei müsse zuerst der landläufige Begriff von "Laie" - laut Duden handelt es sich dabei um einen "Christ, der nicht Geistlicher ist" - überwunden werden. Diese Sicht sei theologisch falsch und eher Ausdruck eines "weltweit verbreiteten Klerikalismus", den Papst Franziskus bereits als Problem erkannt habe.
Als Laie sei vielmehr ein Christ in seiner Eigenschaft als "Mitglied des Volkes Gottes" gemeint, betonte Wucherer demgegenüber und verwies auf den Apostel Paulus, der die Gläubigen als "Pneumatiker" und als "Heilige" angesprochen habe, die ihre Charismen und Talente für andere einbringen sollten. Alle Gläubigen seien im paulinischen Sinn in der von Jesus verkündeten "Königsherrschaft Gottes" sowohl "Gekrönte als auch Thronerben Gottes". Diese Diktion mache deutlich, dass das "Reich Gottes" nicht unterdrücke und dass alle Gläubigen - so wie vom Konzil auch festgehalten - Anteil am gemeinsamen Priestertum Christi haben. "Von daher ist das Weihepriestertum ein Dienstamt an der Entfaltung aller zu Pneumatikern in der Königsherrschaft Gottes, ein Dienst am Mündigwerden der Gläubigen", unterstrich Wucherer.
Eine recht verstandene Spiritualität der Laien nehme die Worte des Apostels Paulus ernst, wonach die Gläubigen bereits "der Tempel Gottes sind, in dem der Geist Gottes wohnt". Von daher spreche Paulus die Gläubigen bewusst als "Heilige" an. Oft werde diese Sicht verdeckt durch eine falsch verstandene "Sündenfrömmigkeit" der Gläubigen. Dem stehe aber eine christliche "Gnadenfrömmigkeit" entgegen, die sich von einem "Vertrauensglauben in die Treue Gottes zum Menschen, der uns ermächtigt und beschenkt", getragen wisse. Ein so verstandener Glaube lasse keinen Platz für eine "privatisierte Aussteigermystik", so Wucherer. Vielmehr befähige er zu einem weltzugewandten Mit- und Füreinander der Gläubigen, die sich als mit Christus Auferstandene verstehen sollten. Eine in dieser Weise wiederentdeckte "Würde der Spiritualität der Laien" sei unabdingbar für die immer wieder aufs Neue nötige Erneuerung der Kirche, resümierte der Jubilar.
Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld wurde am 1. Juli 1929 im steirischen Gleinstätten geboren. Ab 1947 studierte er Philosophie, Psychologie und Ethnologie an der Universität Wien, wo er 1957 promovierte. Darauf folgte bis 1961 in InnsbrucK das Theologiestudium. 1956 trat Wucher-Huldenfeld in das Prämonstratenserstift Geras ein, nahm den Ordensnamen Augustinus an und wurde 1961 zum Priester geweiht.
1964 begann seine Lehrtätigkeit zuerst in Klosterneuburg und dann ab 1967 an der Universität Wien. Von 1974 bis zur Emeritierung 1997 leitet er als Professor das Institut für Christliche Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Atheismusforschung - seine diesbezügliche Expertise konnte er von 1978 bis 1983 als Konsultor in das Päpstliche Sekretariat für die Nichtglaubenden einbringen. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Daseinsanalyse. So war Wucherer von 1990 bis 2002 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Daseinsanalyse (ÖGDA) und von 1997 bis 2001 war er auch Präsident der Internationalen Ferdinand-Ebner-Gesellschaft. Seit 2002 ist er Emeritus und lehrt weiter an der Universität Wien sowie an verschiedenen Fachhochschulen.