Benedikt XVI. leistete mit "Caritas in veritate" einen bedeutenden Beitrag zur Aktualisierung und Fortschreibung der Katholischen Soziallehre im Zeitalter der Globalisierung.
Benedikt XVI. leistete mit "Caritas in veritate" einen bedeutenden Beitrag zur Aktualisierung und Fortschreibung der Katholischen Soziallehre im Zeitalter der Globalisierung.
Auch zehn Jahre nach ihrem Erscheinen hat die Sozialenzyklika "Caritas in veritate" nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Im Mittelpunkt des Fortschritts müssten stets der Mensch und seine ganzheitliche Entwicklung stehen. Er sei "das erste zu schützende und zu nutzende Kapital".
Mehrfach wurde der Text überarbeitet und umgeschrieben, der Veröffentlichungstermin verschoben. Mitten in die Arbeit an der ersten - und einzigen - Sozialenzyklika von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) platzte 2007 die Weltwirtschaftskrise. Benedikt und seine Berater mussten nachbessern, die neuen Entwicklungen, ihre Ursachen und Herausforderungen aufgreifen.
Das große Lehrschreiben "Caritas in veritate" (Die Liebe in der Wahrheit), das eigentlich zum 40. Jahr der Sozialenzyklika "Populorum progressio" Pauls VI. von 1967 erscheinen sollte, trägt daher erst das Datum vom 29. Juni 2009. Veröffentlicht wurde es - und damit bekamen die Verzögerungen dann doch noch etwas Gutes - am 7. Juli, einen Tag vor dem damaligen G8-Gipfel der mächtigsten Industrienationen im von einem schweren Erdbeben erschütterten L'Aquila.
Die Enzyklika von Benedikt XVI. lieferte keine Antwort und schon gar kein Patentrezept für die Wirtschaftskrise oder für die vielen Fragen der Globalisierung. Die Kirche biete keine technischen Lösungen. Aber sie habe eine "Mission der Wahrheit zu erfüllen", stellte der deutsche Papst klar.
Im Mittelpunkt des Fortschritts müssten stets der Mensch und seine ganzheitliche Entwicklung stehen. Er sei "das erste zu schützende und zu nutzende Kapital". Die Kirche setze sich zum Wohl der Menschen für Gerechtigkeit und Frieden, für Solidarität und Subsidiarität sein. Zudem komme menschlicher Fortschritt nicht ohne Gott aus; ohne ihn drohe der Fortschritt inhuman zu werden.
Die Wirtschaft brauche für ein korrektes Funktionieren eine menschenfreundliche Ethik. Ausdrücklich warnte Benedikt XVI. vor einem Fatalismus oder einem blinden Widerstand gegen die Globalisierung. Die weltweite Vernetzung sei in sich weder gut noch schlecht, sondern werde zu dem, was die Menschen daraus machten. Der Markt sei kein Raum ohne moralische Grenzen, er brauche Regeln und Rahmenordnungen.
Benedikt XVI. leistete mit "Caritas in veritate" einen bedeutenden Beitrag zur Aktualisierung und Fortschreibung der Katholischen Soziallehre im Zeitalter der Globalisierung. Er wollte damit die soziale Marktwirtschaft auf Weltebene etablieren - ein Thema und ein Anliegen, dass viele dem Theologen-Papst zuvor nicht zugetraut hätten.
Die Enzyklika stieß auf ein weitgehend positives Echo in der Kirche wie in der Politik. Seine Analysen seien häufig abstrakt, aber brillant, scharfsinnig und informiert, auf höchstem fachlichen und intellektuellen Niveau, wie es dem Stil und den Dokumenten des Ratzinger-Pontifikats entspreche, meinten Kommentatoren.
Ungewöhnlich konkret äußert sich der Theologen-Papst zu schwerwiegenden Verzerrungen und Missständen, die die Finanzkrise deutlich gemacht habe. Er sprach vom Skandal des Hungers und vom wachsenden Graben zwischen Arm und Reich. Er kritisierte skandalöse Spekulationen, Wucher, Dumpinglöhne und eine rein profitorientierte Auslagerung von Arbeit in andere Regionen. Die weltweite Ausbreitung des Wohlstands dürfe nicht weiter durch egoistische, protektionistische oder von Einzelinteressen geleiteten Projekte gebremst werden. Und er warnte vor einem Machbarkeitswahn und einer Selbstüberschätzung des Menschen, der meine, alles allein technisch lösen zu können.
Dabei spannte Benedikt den Bogen der sozialen Sorgen ungewöhnlich weit. Er behandelte - wie später sein Nachfolger Franziskus in dessen Sozialenzyklika "Laudato si" - etliche Facetten des Umweltschutzes, der letztlich vor allem Menschen- und Lebensschutz sein müsse. Allerdings ging er dabei nicht auf den Klimawandel ein. Benedikt XVI. argumentierte biblisch, unterstrich die Verantwortung für die Schöpfung, die sich der Menschen untertan machen und die er schützen müsse - während Franziskus hier eher die Überlebensfrage für die Menschheit im Blick hat.
Die päpstliche Sozial-Enzyklika hat rechtzeitig die Mächtigen der Welt im 200 Kilometer entfernten l'Aquila erreicht. Und dem neuen US-Präsident Barack Obama, der drei Tage später zu seinem Antrittsbesuch in den Vatikan kam, konnte er ein druckfrisches Exemplar seines Schreibens persönlich in die Hand drücken.