Starke Frau(en) Prof. Ingeborg Schödl vor einem Bild der seligen Hildegard Burjan (1883-1933).
Starke Frau(en) Prof. Ingeborg Schödl vor einem Bild der seligen Hildegard Burjan (1883-1933).
Vor 100 Jahren gründete Hildegard Burjan in Wien die Schwestergemeinschaft der Caritas Socialis. Burjan-Expertin Ingeborg Schödl über das praktische, hilfeorientierte Engagement einer Seligen.
Würde Hildegard Burjan heute leben, so wäre sie sicherlich keine Feministin, sie würde sich auch nicht bei Maria 2.0 engagieren“, ist Ingeborg Schödl, Burjan-Biographin, im SONNTAG-Gespräch überzeugt: „Burjan würde, so wie damals, ihren eigenen Weg gehen und sich nur ihrem Glauben verpflichtet sehen.“
Was macht das Charisma von Hildegard Burjan aus?
Ingeborg Schödl: Hildegard Burjan war eine Persönlichkeit, die kaum dem damals von Kirche und Gesellschaft vorgegebenen Frauenbild entsprach. Nicht gesellschaftliche Vorgaben, sondern Gott und ihr Gewissen bildeten allein die Richtschnur für ihr Handeln.
Obwohl sie der höheren Gesellschaftsschicht angehörte, stand der Einsatz für die Randschichten der Gesellschaft im Mittelpunkt ihres Lebens. Dafür wagte sie auch den Weg in die Parteipolitik, um sich für mehr soziale Gerechtigkeit, vor allem für Frauen einzusetzen.
Mut gehörte auch dazu als verheiratete Frau und Mutter eine religiöse Schwesterngemeinschaft zu gründen, die sie bis zu ihrem Tod 1933 als Vorsteherin leitete. Den Menschen in Notsituationen Hilfe zu bieten, neue soziale Initiativen umzusetzen, dem fühlte sie sich aus ihrem Glaubensverständnis heraus verpflichtet.
„Das Evangelium durch die soziale Tat verkünden“, das wurde für Hildegard Burjan nach ihrer Konversion zum Katholizismus zum Lebensmotto.
In welchen politischen Feldern würde sich Hildegard Burjan heute engagieren?
Die Not hat viele Gesichter, zeigt sich zu jeder Zeit immer wieder anders und bleibt in manchen Bereichen immer gleich.
Ich meine damit die Situation der Alleinerzieher, Mütter und heute auch Väter. Hildegard Burjan hat sich hier besonders engagiert. Trotz heftiger Kritik, auch aus katholischen Kreisen, hat sie das erste Mutter-Kind-Haus in Wien errichtet. Diese Unterkünfte sind auch heute mehr als je notwendig und werden von der CARITAS SOCIALIS angeboten.
Engagieren würde sich Hildegard Burjan aber heute sicher in der Migrationsfrage, in der Flüchtlinghshilfe. In ihrem parteipolitischen Engagement hat sich Hildegard Burjan in erster Linie immer ihrem Gewissen verpflichtet gefühlt.
Obwohl sie sich aus diesem Grund auch mit dem Klubzwang schwer tat, engagierte sie sich trotzdem auch auf der parteipolitischen Ebene. Sie war überzeugt, dass „volles Interesse für die Politik zum praktischen Christentum gehört“. Nur so könnten die Ursachen für gesellschaftliche Missstände beseitigt und Verbesserungen erreicht werden .
Als Christen haben wir den Auftrag aus unserem Glaubensverständnis her und nach unseren Möglichkeiten in die Welt hineinzuwirken. Das war die Motivation von Hildegard Burjan, sich auch parteipolitisch zu engagieren.
Die CARITAS SOCIALIS feiert heuer ihr 100-jähriges Bestehen. Wo liegen, gegenüber der Anfangszeit, heute ihre Aufgaben?
Das Ziel von Hildegard Burjan mit der Gründung dieser Schwesterngemeinschaft war, in die Not der Zeit hineinzugehen, um so die Ursachen dieser Not zu finden und Mittel zur Abhilfe zu schaffen.
Die Schwestern sind nach dem Tod ihrer Gründerin 1933 diesen Weg weitergegangen. Sie haben die für sie gefährliche Zeit des NS-Regimes überlebt und sich 1945 vor allem in der Flüchtlingshilfe engagiert.
Neu, aber ganz im Geiste von Hildegard Burjan, war die Umsetzung des Hospiz-Gedankens in Österreich. Es war die CS-Schwester Hildegard Teuschl, die durch Kontaktaufnahme mit anderen Hilfsorganisationen für die Umsetzung gesorgt hat. An künftigen, vielleicht wieder neuen Aufgabengebieten wird es der CARITAS SOCIALIS sicher nie mangeln.
Menschen, die dringend Hilfe benötigen, die aus dem Rahmen staatlicher sozialer Hilfen fallen, oder besondere Lebensumstände haben, wird es immer geben.
2019 feiert die Caritas Socialis, gegründet von der seliggesprochenen Hildegard Burjan, ihr 100-jähriges Bestehen.
Das Jubiläumsjahr steht unter dem Motto „menschen.leben.stärken“.
Höhepunkt ist am 3. Oktober um 15 Uhr eine Festmesse
in der Wiener Servitenkirche,
Servitengasse 9,
1090 Wien,
der Kardinal Christoph Schönborn vorstehen wird.
Biographie
Erschienen im Wiener Dom-Verlag
ISBN 978-3-85351-204-3
232 Seiten
Paperback
€ 16,90
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E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at