Albanische Gemeinde: Die Familien kommen sonntags zum Gottesdienst zusammen.
Albanische Gemeinde: Die Familien kommen sonntags zum Gottesdienst zusammen.
Der SONNTAG zeigt die Buntheit und Vielfalt der sogenannten anderssprachigen Gemeinden in unserer Erzdiözese.
Die albanischsprachige katholische Gemeinde in Wien zählt rund 1.500 Mitglieder. Sie ist zwar klein, hält aber zusammen wie kaum keine andere. Besonders das gemeinsame Feiern der Eucharistie macht sie stark. Ein Lokalaugenschein.
Ein Sonntag im Oktober. Kirchenglocken läuten. Immer mehr Menschen strömen in die Kirche Rudolfsheim der Pfarre Hildegard Burjan im 15. Gemeindebezirk in Wien. Bald wird sie bis auf den letzten Platz voll sein. Zwei Jugendliche warten in einer Kirchenbank sitzend geduldig auf den Beginn der heiligen Messe; unterhalten sich abwechselnd auf Albanisch und Wienerisch.
Ein scheinbar ganz normaler Sonntagvormittag in ihrem Leben und in dem der Pfarrgemeinde der Albaner in der Erzdiözese Wien – jedoch nicht ganz: Weihbischof Franz Scharl ist heute zu Gast, besucht wieder die albanischsprachige katholische Gemeinde in Wien.
Gleich nach Beginn der heiligen Messe begrüßt er alle Mitfeiernden mit einigen Worten in ihrer Muttersprache. „Ich bemühe mich, wenn ich hier bin, immer etwas auf Albanisch zu sagen“, sagt er beim anschließenden Pfarrcafé zum SONNTAG. Diese Sprache könne er zwar nicht, aber Pfarrer Nikson Shabani habe ihm den Text in der Lautschrift vorgelegt, so Scharl. Ein Gemeindemitglied ergänzt begeistert: „Seine Aussprache ist fast akzentfrei.“
„So viele wie heute waren wir schon lange nicht mehr in der heiligen Messe“, freut sich Niq Krasniqi. Er war früher Mitglied des Pfarrgemeinderats und trug wesentlich zur Entwicklung der Gemeinde bei. Im Jahr 1996 zog er vom Kosovo nach Wien. Diesen Schritt habe er nie bereut. Nicht nur er, sondern auch viele andere Gemeindemitglieder haben nach wie vor Verwandte im Kosovo, in Albanien oder in Mazedonien.
Allein in Wien und Umgebung zählt die albanischsprachige Gemeinde mit ihren über 400 Familien rund 1.500 Seelen. Sie alle werden von Pfarrer Nikson Shabani, der aus dem Kosovo stammt, seelsorgerisch betreut. Die meisten von ihnen wohnen im 15. und 16. Gemeindebezirk in Wien. Die Wahl auf die Rudolfsheimer Kirche fiel daher aus diesen naheliegenden Überlegungen.
Insgesamt sind es sogar weit über 6.000 Gläubige in ganz Österreich, um die sich der Seelsorger annimmt. Weitere Gemeinden befinden sich in Tschechien und der Slowakei. „Ich bin als Pfarrer auch für diese beide Ländern mitverantwortlich“, erzählt er. Persönlich kenne er beinahe jede Familie im großen Pfarrgebiet. „Ich weiß, wo viele meiner Gemeindemitglieder wohnen.“
Seit 2012 ist Nikson Shabani in Österreich und erst der vierte Seelsorger der albanischsprachigen katholischen Gemeinde. Jeden Sonntag um 11.30 Uhr feiert er etwa in Wien-Rudolfsheim mit ihr die Heilige Messe. Die Sprache dabei ist fast ausnahmslos Albanisch.
Zum Bersten voll ist das markante Gebäude besonders zu Ostern und Weihnachten, ergänzt der Pfarrer. Über 1.000 Gläubige drängen dann ins Gotteshaus.
Die Jugend ist oft schon in Österreich geboren. Für sie ist das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen selbstverständlich. Beide verbinden sie wie eine Brücke miteinander. Ihre Pfarre bedeute ihr sehr viel, erzählt eine Jugendliche, die soeben aus der Kirche kommt und zum Pfarrcafé geht. Das liege vor allem an der gelebten Gemeinschaft, die sie hier vorfinde. Auch gebe ihr der Glaube an Gott viel Hoffnung und Mut.
Wien sei für sie Heimat, wo sie auch geboren wurde. Gemeindemitglied Niq Krasniqi dazu: „Unsere Pfarre ist ein Treffpunkt für die Jungen. Hier tauschen sie sich untereinander gerne aus.“ Während der Jugoslawienkriege in den 90er-Jahren kamen viele Kosovaren als Flüchtlinge nach Österreich. Sie trafen hier auf eine Generation, die schon früher ihre Heimat verlassen hatte. Die nächste Generation wurde hier bereits geboren.
Nach wie vor wächst die Gemeinde. Etwa 50 neue Familien kommen jedes Jahr hinzu, freut sich Seelsorger Shabani. Auch der junge Nachwuchs bleibt nicht aus: Über 17 Erstkommunionkinder und 40 Firmlinge zählt die albanischsprachige Gemeinde gegenwärtig. Doch ein Priester allein werde all das bald nicht mehr bewältigen können, ist Nikson Shabani überzeugt. Er hofft daher bald auf seelsorgerische Untersützung aus dem Kosovo.
Über 50.000 Kilometer legt Nikson Shabani jedes Jahr mit dem Auto zurück, um seine Schäfchen, die in zehn Städten leben, zu besuchen und mit ihnen Eucharistie zu feiern. Das viele Unterwegs-Sein mache ihm aber nichts aus, strahlt der 43-Jährige. Er begegnet dabei Menschen, die sich mit der Kirche stark verbunden fühlen.
Nikson Shabani: „Weihbischof Franz Scharl kennt unsere Gemeinde gut und er ist sehr zufrieden mit uns.“ Heuer durfte er auch zweimal Kardinal Christoph Schönborn in Rudolfsheim begrüßen. „Jeder Besuch von ihm stärkt uns zusätzlich“, betont der Pfarrer.
Seit jeher ist die Gemeinde nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch des Austauschs und der Begegnung, so Niq Krasniqi. Davon zeugen auch die vielen Veranstaltungen das ganze Jahr über – seien es Konzerte, Lesungen oder Ausstellungen. Allen Altersgruppen werde ein buntes Programm geboten.
Im Vorjahr gab es sogar eine Buchpräsentation anlässlich des 25-jährigen Bestehens der albanischsprachigen katholischen Gemeinde, erzählt ein weiteres Gemeindemitglied stolz.
„Kosten Sie diese herrliche Pita“, sagt Berisha mit sanfter Stimme und legt ein Stück davon auf einen Teller. „Unsere Pfarre schmeckt anders als die anderen.“ Auch weitere kulinarische Spezialitäten aus dem Kosovo warten darauf, hier verkostet zu werden. Bei Jung und Alt sind sie gleichermaßen beliebt, weiß Berisha. „Auch das ist für uns Heimat.“
Die Nachmittagssonne liegt bereits über Rudolfsheim. Pfarrer Nikson Shabani verabschiedet sich von seinen beim Pfarrcafé verbliebenen Gemeindemitgliedern. „Ich muss nach Amstetten“, entschuldigt er sich bei ihnen für seinen abrupten Aufbruch. „Bereits um 16 Uhr feiere ich mit der Gemeinde dort.“
Alle vier Jahre soll ein albanischsprachiger Pfarrer seine Gemeinde im Ausland wieder verlassen. Doch Nikson Shabani dient schon wesentlich länger in Österreich. Wie lange er aber noch hier bleiben werde, wisse er nicht. Pfarrer Nikson Shabani: „Das entscheidet nicht Wien, sondern die Diözese Prizren-Pristina im Kosovo.“
Seelsorger Nikson Shabani mit Mitgliedern der albanischen katholischen Gemeinde in Wien.
Der Sonntag als Höhepunkt
Es ist für uns eine große Freude, dass wir die anderssprachigen Gemeinden in unserer Mitte haben. Wir wollen sie gut begleiten, auf sie hören und voneinander lernen.
Ganz wichtig ist es auch, dass sich die anderssprachigen Gemeinden bei uns willkommen fühlen. Jede und jeder bringt natürlich seine Kultur mit, wie auch wir dies tun.
Warum gibt es hier bei uns andersprachige Gemeinden? Weil entweder die Mitglieder arbeitsmäßig gebraucht wurden und werden, oder weil sie durch Flucht und Migration zu uns gekommen sind, oder weil sie bei der UNO arbeiten oder als Wissenschaftler und Manager tätig sind. Ganz wichtig ist es, dass wir uns alle als Brüder und Schwestern sehen.
Das Besondere an der albanischen Gemeinde hier bei uns sind die vielen jungen Familien, konkret die Dominanz der Taufen gegenüber den Sterbefällen. Mich fasziniert auch die Sprache, die sie sprechen, die ganz einzigartig ist.
Die Familie hat für die Albaner eine sehr große Bedeutung, denn das zeigt sich gerade auch in den Gottesdiensten: Eltern, auch Großeltern, sind mit ihren Kindern da. Hier feiern Familien gemeinsam die Gottesdienste mit. Dass sich die albanische Gemeinde am Sonntag trifft, ist der Gemeinde ganz wichtig, weil die Menschen Glaube und Kultur leben und in ihrer Sprache ein Stück Heimat und auch Gemeinschaft erleben. Die Gläubigen kommen auch aus dem Süd- und Nord-Vikariat nach Wien zur Messe.
Wie seit den Anfängen der Christenheit ist für die albanische Gemeinde der Sonntag der Höhepunkt der Woche.
Der SONNTAG berichtete bisher über:
Die vietnamesische Gemeinde der Erzdiözese Wien
Die Philippinische Gemeinde (FCC) der Erzdiözese Wien
Die tschechische Gemeinde der Erzdiözese Wien
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