An die Christen in Wien appellierte Walter Rijs, sich nicht von "zeitgeistigen Schönheitsidealen des Stadtbildes" irritieren zu lassen.
An die Christen in Wien appellierte Walter Rijs, sich nicht von "zeitgeistigen Schönheitsidealen des Stadtbildes" irritieren zu lassen.
Caritas-Generalsekretär Schwertner gegen Kriminalisierung Betroffener. Katholische Aktion Wien in Sorge, dass man sich "politischer Hetze" gegen Bettler in Ungarn auch hierzulande "langsam nähert". Sozialstadtrat Hacker gegen organisiertes Betteln rumänischer Gruppen.
Vor einer aufkeimenden Bettler-Debatte in Wien hat die Caritas gewarnt. Zu jüngsten Meldungen, wonach künftig verstärkt gegen bettelnde Menschen in der Bundeshauptstadt vorgegangen werden soll, erklärte Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien am Montag: "Niemand stellt sich freiwillig für einen Teller Suppe oder zum Betteln auf die Straße. Diese Menschen in Not einmal mehr zu kriminalisieren wäre ein Schritt in die falsche Richtung." Schärfer noch die Reaktion der Katholischen Aktion (KA) der Erzdiözese Wien auf entsprechende Überlegungen des Wiener Sozialstadtrats Peter Hacker: "Betteln ist ein Menschenrecht - auch in Wien!", betonte KA-Wien-Präsident Walter Rijs am Montag in einer Aussendung.
Für Schwertner ist klar: "Betteln verstört, Betteln fordert heraus, Betteln bewegt" und sei "die sichtbarste Form der Armut". Diese Menschen in Not "einmal mehr zu kriminalisieren" wäre laut dem Caritas-Vertreter ein Schritt in die falsche Richtung - gerade in einer Stadt, die sich im Winter gemeinsam mit zahlreichen Hilfsorganisationen vorbildlich gegen akute Obdachlosigkeit einsetze.
In praktisch allen Bundesländern seien in den vergangenen Jahren Gesetze verschärft, sektorale Bettelverbote erlassen und polizeiliche Schwerpunktaktionen durchgeführt worden, erinnerte Schwertner. Landesregierungen hätten gewerbliches, aggressives und auch organisiertes Betteln zur Straftat erklärt, wobei vielerorts bereits der Blickkontakt unter bettelnden Menschen als Indiz für "organisierte Bettelei" gelte. Mit den Händen gen Himmel gestreckt zu betteln, könne als "aggressives Betteln" ausgelegt werden, und wer immer wieder am selben Ort bettelt, riskiere eine Anzeige wegen "gewerblicher Bettelei".
Laut Schwertner bekämpfen solche Bestimmungen "nicht die Armut, sondern armutsbetroffene Menschen". Bettelverbote würden nichts an der Not ändern - im Gegenteil: Durch eine Kriminalisierung werde die Notsituation aufgrund hoher Verwaltungsstrafen weiter verschärft. Um bettelnden Menschen effektiv zu helfen, sei vielmehr eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern notwendig.
KA-Wien-Präsident Rijs wertete die Aussagen des Wiener Sozialstadtrats Peter Hacker, in der Bundeshauptstadt konsequenter gegen organisierte Bettelei vorzugehen, als eine bedauerliche "Steigerung zur Sozialkürzungspolitik der ehemaligen türkis-blauen Regierung". Denn hier seien Menschen im Visier, die keinerlei Anspruch auf soziale Unterstützung in Wien haben, "hier geht es um Menschen, die sonst nichts haben", kritisierte Rijs. "Besonders perfid" sei es, dass die Stadt Wien am 10. Dezember groß feiere, dass sie seit fünf Jahren "Stadt der Menschenrechte" ist und gleichzeitig Bettelnde "kriminalisiert, vertrieben und abgeschoben werden sollen". Nach Überzeugung der Katholischen Aktion müsse es allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft erlaubt sein, um eine Gabe zu bitten.
Walter Rijs stellte auch einen Zusammenhang mit der "politischen Hetze" gegen Bettler in Ungarn her, wo vor einem Jahr Obdachlosigkeit per Strafe verboten wurde. Die Aussagen Hackers in Bezug auf Wien "machen mir Sorge, dass man sich hier auch dieser Politik langsam nähert", warnte der KA-Präsident. Dass aufgrund der harten Linie in Ungarn Bettler vermehrt nach Österreich kämen, sei "leider eine traurige Tatsache". Dies dürfe aber nicht mit Drohungen einer Abschiebung, die davon betroffene in ungarische Gefängnisse bringe, erwidert werden, betonte Rijs. Es dürfe nicht sein, dass die vom Investor George Soros gegründete, reiche "Central European University" aus Budapest "nach Wien gerettet wird" und gleichzeitig der Innenminister aufgefordert werde, Armutsbetroffene nach Ungarn und in andere EU-Länder abzuschieben.
An die Christen in Wien appellierte Walter Rijs, sich nicht von "zeitgeistigen Schönheitsidealen des Stadtbildes" irritieren zu lassen: Bettler seien keine Störfaktoren, "sondern Menschen, die etwas von uns brauchen und Armut sichtbar machen". Sie gelte es zu unterstützen. "Wegschauen und Schimpfen sind keine für Christen akzeptablen Handlungen." Es liege somit nicht nur an der Stadtregierung, sondern auch jedem einzelnen, "dass wir diese Stadt menschlich und christlich prägen".
Sozialstadtrat Peter Hacker hatte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil" (49/2019) erklärt: "Wir wissen, dass es Gegenden in Rumänien gibt, von wo ganze Dörfer auf Betteltour fahren. Das kann ich als Stadtrat nicht akzeptieren." Er fühle sich "vor allem für die Menschen in Wien zuständig", die nicht ausgenützt werden dürften: "Wir können nicht die Armut der ganzen Welt in dieser Stadt bekämpfen." Gegenüber dem "Standard" konkretisierte Hacker, dass er nicht von einem generellen Bettelverbot halte, weil dieses "gegen Menschen gerichtet ist. Bettelverbote wie etwa in Innsbruck würden nur die Sichtbarkeit von Armut verdrängen, sie aber nicht bekämpfen. Auch ein Verbot in bestimmten Zonen lehnt der Stadtrat ab.