Caritaspräsident Michael Landau in der ORF-Pressestunde.
Caritaspräsident Michael Landau in der ORF-Pressestunde.
Neue Regierung soll umfassendes Pflegepaket beschließen und sich für einen "Pakt gegen Einsamkeit" einsetzen.
Am Ende der nächsten Regierungsperiode soll in Österreich die Armut von Kindern und Alten gesenkt sein. Diesen Wunsch äußerte Caritas-Präsident Michael Landau am Sonntag, 21. Dezember 2019 in der ORF-Pressestunde und begrüßte in diesem Zusammenhang die teilweise Aufhebung des von der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossenen Sozialhilfegesetzes durch den Verfassungsgerichtshof. Die Politik sollte nicht mit Triumph oder Schelte auf das Urteil reagieren, sondern es als Chance begreifen für neue Lösungen zur Armutsbekämpfung.
Einmal mehr betonte der Caritas-Präsident, dass es bei der Pflege ein Bündel an Maßnahmen brauche, die vor allem pflegende Angehörige entlasten sollten. Als eine "versteckte Not" bezeichnete Landau die zunehmende Vereinsamung von immer mehr Menschen und trat für einen "Pakt gegen Einsamkeit" ein.
Generell sollte eine Reform der Sozialhilfe Armut vermeiden, Arbeitsanreize stellen, finanzierbar und auch von der Gesellschaft akzeptiert sein. Von daher sollte der finanzielle Abstand zwischen Mindestsicherung und Erwerbseinkommen größer sein, wobei Landau für eine Anhebung der Löhne plädierte und sagte: "Der sozialgerechte Lohn ist der familiengerechte Lohn." Konkret sollten bei der Sozialhilfe künftig die tatsächlichen Wohnkosten berücksichtigt werden, wie dies bereits in Vorarlberg geschehe, und die Mehrkindstaffelung erhöht werden.
Der Bezug von Mindestsicherung sollte nicht mit dem Spracherwerb verknüpft werden, so Landau, der sich gleichzeitig für verstärkte Integrationsmaßnahmen aussprach. Es müsse mehr als bisher für einen raschen Erwerb der Deutschkenntnisse getan werden. Den Abschiebestopp für Flüchtlinge, die sich in einer Lehre befinden begrüßte Landau ausdrücklich.
Von der nächsten Regierung wünscht sich Landau Initiativen in den Bereichen Bildung, leistbarer Wohnraum und Pflege. So brauche es einen "vergleichbaren Qualitäts-, Versorgungs- und Finanzierungsrahmen österreichweit". Der Zugang zur Pflege müsse für alle flächendeckend leistbar sein und es brauche auch Anstrengungen, damit sich Menschen für den Pflegeberuf entscheiden. Insgesamt müsse mehr zur Unterstützung pflegender Angehöriger getan werden, die die Hauptlast der Pflege zu tragen hätten. Bei der Bemessung des Pflegegeldes plädierte Landau für zusätzliche Kriterien, die auch die reale Wohn- und Familiensituation berücksichtigen sollten.
"Niemand bettelt ohne gravierende Not", betonte Landau befragt nach Umfrageergebnissen, wonach die Mehrheit für ein generelles Bettelverbot in Städten seien. Auch die Caritas sei "klar dagegen, dass mit Kindern gebettelt wird". Die Not von Menschen, dürfe nicht ausgenützt werden und man dürfe bei möglichen Formen des organisierten Bettelns nicht naiv sein, worauf auch die Polizei zu achten habe. Gleichzeitig könne man schwer von einer "Bettelmafia" sprechen, zumal es nur sehr wenige Verurteilungen wegen organisierten Bettelns in Österreich gibt. Es brauche daher Augenmaß und die Bereitschaft, Armut zu bekämpfen. Keiner solle im Winter in Österreich erfrieren und wenigstens einen Schlafsack und eine warme Suppe haben. Das sei laut Landau das Mindestmaß, und es sei positiv, dass es dafür entsprechende Maßnahmen in den Städten gebe.
"Solange Krieg herrscht, die Hilfe vor Ort nicht funktioniert, und man mit Waffenhandel Geld macht, werden Menschen flüchten", führte Landau aus. Daher müsse man zuallererst Frieden schaffen. Bis dahin könne niemand wollen, dass Menschen auf der Flucht im Meer ertrinken. Wer als Flüchtling ankomme, brauche ein rasches, faires und qualitätsvolles Asylverfahren. An diese Eckpunkte erinnerte der Caritas-Präsident, der erneut von Österreich eine Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit forderte, die zuletzt sogar zurückgegangen seien.
Den designierten Kärntner Bischof Josef Marketz würdigte Landau als "Mann des Dialogs, dessen Herz für die Armen schlägt". Zur die durch die Amazonien-Synode ausgelöste Diskussion um die mögliche Zulassung von Verheirateten zur Priesterweihe sagte Landau: "Ich gestehe, ich hätte nichts dagegen, würde der verpflichtende Zölibat aufgehoben werden." Gleichzeitig bezeichnete der Caritas-Präsident die Rezeption der Synode in Österreich als "einseitig angesichts des brennenden Urwalds".
Erleichtert zeigte sich Landau über den Gesundheitszustand von Kardinal Christoph Schönborn. Landaus SMS-Kontakt mit dem sich auf Kur befindlichen Wiener Erzbischof sei "ein Zeichen, dass ihm fad ist und dass er auf dem Weg der Besserung ist", so der Caritas-Präsident leicht ironisch.