Baut der Papst an einem Superministerium als Vermächtnis? - Hintergrundbericht von Kathpress-Korrespondent Burkhard Jürgens.
Mit dem neuen Jahr übernimmt Kardinal Luis Antonio Tagle das Ruder in der römischen Missionskongregation. Die Kurienbehörde ist eine der machtvollsten der katholischen Kirche. Bald könnte ihr Dienstsitz, der wehrhafte barocke Palazzo di Propaganda Fide zwischen den Luxusboutiquen an der Spanischen Treppe in Rom, zu einer Art zweitem Vatikan werden.
Wer die "Kongregation für die Evangelisierung der Völker" leitet, lenkt ein Reich, in dem die Sonne nicht untergeht. 1622 gegründet, sollte die "Congregatio de Propaganda Fide" den Einfluss der protestantischen Kolonialmächte Niederlande und England beschneiden. Heute unterstehen ihr 1.115 der weltweit 3.128 Diözesen und diözesansähnlichen Kirchenstrukturen, größtenteils in den katholischen Wachstumsregionen Afrika und Asien, aber auch in Südamerika, Neuseeland und Ozeanien.
Von der Kongregation hängen Hunderte Priesterseminare und mehrere Missionswerke ab. In Rom besitzt sie ein Kolleg und eine Universität; mit "Fides" verfügt sie über einen eigenen Pressedienst in mehreren Sprachen. Zur Finanzierung ihrer Aufgaben steht ihr ein Immobilien- und Kapitalbesitz zur Verfügung, über dessen Größe nur gemunkelt wird.
Die administrative und wirtschaftliche Machtfülle trug dem Kardinalpräfekten den Beinamen "roter Papst" ein. Dass Franziskus für diesen Posten Kardinal Tagle von der Spitze der philippinischen Hauptstadt-Erzdiözese Manila nach Rom holt, zeigt, dass er von ihm Großes erwartet. Tagle ist 62 Jahre alt und könnte noch gut und gerne zwei Jahrzehnte Kirchenpolitik gestalten; der Altersschnitt seiner Kollegen in den übrigen Kongregationen beträgt 75, sein Vorgänger Fernando Filoni musste ihm mit 73 den Platz freimachen.
Als Präsident des vatikanischen Hilfswerke-Dachverbands "Caritas Internationalis" konnte sich Tagle in den vergangenen Jahren weltkirchlich vernetzen. Zu Hause auf den Philippinen war er diplomatisch genug, um beim in Menschenrechtsfragen wenig zimperlichen Präsidenten Rodrigo Duterte nicht anzuecken; gegenüber dem Papst zeigte er sich stets loyal. Der steckt in der entscheidenden Phase seiner Kurienreform, mit der die Missionsabteilung zu einem Schlüsselressort werden soll.
Denn die jahrhundertealte Aufteilung der Welt in christliche Staaten und Missionsgebiete ist dahin. Selbst in katholischen Kernländern Europas grassiert die Säkularisation. Vor Weihnachten schwor der Papst deshalb seine Mitarbeiter auf große Veränderungen ein. In der Kurie der Zukunft wird Mission ein Querschnittsthema sein.
Ob die Kirche ihren Glauben nach außen wie nach innen noch plausibel machen kann, wird für sie eine Überlebensfrage. Eine zentrale Rolle kommt dabei Tagles Behörde zu, die im Rahmen der laufenden Reform der Römischen Kurie eventuell auch den 2010 gegründeten Rat zur Förderung der Neuevangelisierung in sich aufnimmt, eine Art Task Force gegen den Glaubensschwund im christlichen Westen.
Zum angestammten Gewicht der Missionsbehörde und ihrer künftigen kirchenpolitischen Leitfunktion kommt als drittes eine wachsende Hausmacht im Kardinalskollegium. Franziskus berücksichtigte bei der Vergabe der purpurnen Biretts stets gerne Vertreter aus Ländern, in denen Katholiken eine Minderheit bilden oder unter sozial und wirtschaftlich schwierigen Bedingungen leben - typischerweise die Domäne der Missionskongregation. Von den 66 papstwahlberechtigten Kardinälen, die Franziskus ernannte, stammen allein 20 aus dem Jurisdiktionsbereich der Propaganda Fide.
Damit ist der Anteil von Purpurträgern aus Missionsgebieten im Kreis der Papstwähler merklich gestiegen. Waren es beim Konklave 2013 von 117 Teilnehmern 17, so sind jetzt unter 124 papstwahlberechtigten Kardinälen 29, die enger mit der Missionskongregation zu tun haben oder hatten. 24 leiten Ortskirchen, die der Propaganda Fide unterstehen; 3 sind emeritierte Bischöfe solcher Diözesen, 2 wurden inzwischen selbst Kurienchefs.
Das sagt noch nichts über Tagles Chancen, einmal die Sixtinische Kapelle nach einem Konklave als Kirchenoberhaupt zu verlassen. Bei keiner der letzten Wahlen spielte einer seiner Vorgänger eine Rolle. Aber in der Kirchengeschichte dürfte kaum ein Missionspräfekt einen solchen Einfluss besessen haben wie der neue "rote Papst".