Weibischof Stephan Turnovszky im Interview mit der Wiener Zeitung
Weibischof Stephan Turnovszky im Interview mit der Wiener Zeitung
Wiener Weihbischof in Weihnachtsausgabe der "Wiener Zeitung": "Ich möchte Freiheit für, aber nicht von Religion". Respekt vor Menschen ohne Bekenntnis, aber Toleranz muss auch für Gläubige gelten.
"Ich bin kein Gegner der Säkularisierung, ich sehe in ihr viele Chancen": Das hat der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky in der Weihnachtsausgabe der "Wiener Zeitung" zum Hinweis angemerkt, er gehöre zur ersten Führungsgeneration der Kirche, die sieht, was ein Säkularisierungsprozess für Auswirkungen hat.
Turnovszky erwähnte als Pluspunkt die "Chance auf Freiheit für alle Beteiligten dadurch, dass Staat und Institutionen wie die Kirche nicht notwendig verknüpft sind". Der Staat rede - anders als zur Zeit der Monarchie - nicht drein, wer Bischof oder Pfarrer wird. Zugleich sei er entschieden dagegen, Religionsfreiheit als Religionslosigkeit zu propagieren, stellte Turnovszky klar: "Ich möchte Freiheit für, aber nicht von Religion."
In Österreich solle die Freiheit herrschen, sich völlig ohne Zwang zu welcher Religion auch immer zu bekennen - oder zu keiner. Die Gruppe der Menschen ohne Bekenntnis ist nach der Beobachtung des österreichischen Jugendbischofs enorm heterogen, "und der großen Mehrheit fühle ich mich ganz nahe". Mit einer kleinen Gruppe dagegen tue er sich schwer, weil diese das Phänomen Religion als solches ablehne: "Das halte ich für intolerant." Er respektiere es als religiöser Mensch, dass jemand ohne Religionsbekenntnis lebt - "ich möchte nur, dass das umgekehrt auch gilt".
Feiertage sind gut für alle
Auf die Frage, ob er es "als Symbol der Gleichstellung" befürworten würde, einen kirchlichen Feiertag an eine andere Religionsgemeinschaft abzutreten, antwortete Turnovszky mit einer Klarstellung. Die Rede von den kirchlichen Feiertagen sei oft "ein bisschen verwirrend": Der Pfingstmontag etwa sei gar kein kirchlicher, sondern ein staatlicher Feiertag, über den die Kirche gar nicht verfügen könne. Andere Feiertage seien vom Konkordat geregelt. "Mir ist die Präsenz von Kirche im öffentlichen Raum wichtig, dazu gehören Zeichen, aber auch Zeiten", hielt der Weihbischof fest. Ein gemeinsamer Rhythmus der Bevölkerung sei wichtig. "Aber ich hätte prinzipiell nichts gegen einen eigenen Feiertag für Menschen anderer Religionszugehörigkeit einzuwenden."
"Nicht partei-, aber inhaltspolitisch sein"
Auf die Nachfrage, ob auf Kosten der katholischen Kirche oder als zusätzlichen Feiertag auf Kosten der Wirtschaft, gab sich Turnovszky zurückhaltend: "Das müsste man besprechen." Er halte es finde es grundsätzlich für richtig und unverzichtbar, dass sich die Kirche zu Fragen der Gestaltung des öffentlichen Lebens äußert. Dazu gehöre auch die Sonntagsruhe als Ausdruck eines gesellschaftlichen Lebensrhythmus', so der Bischof. "Aber das Motiv darf nicht die rückwärtsgewandte Verteidigung alter Pfründe sein, sondern die vorwärtsgewandte Mitgestaltung der Gesellschaft." Die Kirche habe den Auftrag, auch politisch ihre Stimme zu erheben. "Sie soll nicht parteipolitisch sein und Wahlempfehlungen abgeben, aber sie soll inhaltspolitisch sein."
Verwalten genügt nicht
Dass sich der Kirche im Zuge der Säkularisierung die brillantesten Köpfe nicht mehr zuwenden, bestätigte Turnovszky mit dem Hinweis auf ein wachsendes Nachwuchsproblem: "Wir merken es schon bei der Findung von Mitarbeitern. Manchmal müssen wir lange suchen, bevor wir eine Schlüsselposition besetzen können." Es gebe zwar nach wie vor intellektuelles Spitzenpersonal in der Kirche, "und ich sehe auch den Spitzennachwuchs", aber es fehle an Breite. Hier sei jedoch die Internationalität der Kirche ein gegensteuerndes Element. Der Wiener Weihbischof wörtlich: "Wir begnügen uns nicht mit dem Verwalten des Erreichten, sondern gestalten einen Übergang. Ich persönlich finde es enorm herausfordernd, aber auch wunderbar, dass ich gerade in diesen Jahrzehnten Priester und Bischof sein darf.