Gemeinsam mit ihren 1991 verstorbenen Mann Jean Goss setzte sich Hildegard Goss-Mayr ab den 1950er-Jahren weltweit für Frieden und Gerechtigkeit ein.
Gemeinsam mit ihren 1991 verstorbenen Mann Jean Goss setzte sich Hildegard Goss-Mayr ab den 1950er-Jahren weltweit für Frieden und Gerechtigkeit ein.
90-jährige Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes im Geburtstagsinterview über ihre Erwartungen an die neue Regierung, Hass im Netz, gewaltfreie Bewegungen im Islam, nationalistische Tendenzen in Europa und ihre Hoffnungen für die Jugend von heute.
Die österreichische Bundesregierung ist dringend angehalten, sich international wieder stärker für den Frieden einzusetzen. Das hat Hildegard Goss-Mayr, Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes, im "Kathpress"-Interview betont. "Als ein immer noch neutrales Land ist es unsere Aufgabe, Brücken zu bauen zwischen Staaten und Konfliktparteien", so Goss-Mayr wörtlich. Die gebürtige Wienerin feiert am 22. Jänner ihren 90. Geburtstag.
Der Internationale Versöhnungsbund lädt anlässlich ihres Geburtstages am Samstag, 15. Februar, um 10.30 Uhr zu einem Dankgottesdienst mit anschließender Festmatinee in die Wiener Pfarrkirche St. Josef Sandleiten (Sandleitengasse 53, 1160 Wien). An der Veranstaltung wird auch der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler teilnehmen.
Goss-Mayr war von 1966 bis 1985 Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 1985 ist sie Ehrenpräsidentin der Organisation. Ihr Friedensengagement führte sie auf alle Kontinente. Sie lebt heute zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Wien, nimmt aber immer noch rege an den Aktivitäten des Internationalen Versöhnungsbundes und am allgemeinen politischen Geschehen teil.
Positiv würdigte Goss-Mayr, dass die neue heimische Bundesregierung einen zivilen Friedensdienst einführen will: "Sowohl für Österreich als auch international wäre das sehr wichtig."
Gegen die zunehmen härter werdenden innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen - Stichwort "Hass im Netz" - helfe nur Dialog bzw. neue Initiativen, dass die Menschen, vor allem die Jugend, wieder dialogfähig wird. Goss-Mayr: "Wo können wir hier Ansätze schaffen, dass wir die gemeinsamen Faktoren stärken und dass wir auch weiterhin im Dialog bleiben?" Es werde sehr schnell der Dialog abgebrochen, "aber wenn man lernt, einen Dialog wirklich zu führen, in dem zunächst die Persönlichkeit des anderen akzeptiert wird, und man jene Wurzeln aufdeckt, die wir gemeinsam haben, auf humanitärer oder religiöser Ebene, dann sind wir schon ein gutes Stück weiter und können auch zu gemeinsamen Lösungen kommen". Sie hoffe sehr, "dass mit den Grünen in der Regierung jetzt auch die dialogische Perspektive politisch in den Vordergrund gestellt wird".
Gemeinsam mit ihren 1991 verstorbenen Mann Jean Goss setzte sich Hildegard Goss-Mayr ab den 1950er-Jahren weltweit für Frieden und Gerechtigkeit ein. Während mehrmaliger langer Aufenthalte in Lateinamerika organisierten sie beispielsweise Konferenzen zur Propagierung der Gewaltfreiheit und arbeiteten u.a. mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel und mit dem brasilianischen Erzbischof Dom Helder Camara zusammen.
Seminare zur Gewaltfreiheit führte das Paar auch in Länder und Regionen, die von Krieg und Gewalt gezeichnet waren: Irland, Balkan, südliches Afrika, Nahost und El Salvador. In den 1980er Jahren folgten Besuche in Asien - Philippinen, Thailand, Bangladesh und Hongkong.
1962 setzten sich Jean und Hildegard als Beobachter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom für Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ein. Beide erarbeiteten zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden.
Sie habe in allen Kulturen und Religionen die Erfahrungen gemacht, dass es "Aspekte von alternativen Ansätzen zu Gewalt gibt", sagte Goss-Mayr: "Immer galt und gilt es, diese Kräfte zu stärken, die die Wurzeln der Gewaltfreiheit in sich tragen. Und das ist schon auch immer wieder gelungen." So sei es auch durchaus möglich, "innerhalb des Islam jene Kräfte zu stärken". Auch mit muslimischen Partnern sei es immer wieder gelungen, gemeinsame Initiativen in Konfliktsituationen zu ergreifen; etwa im Balkankrieg. Goss-Mayr: "Hier ist es dem Versöhnungsbund gelungen, Menschen verschiedener religiöser und kultureller Traditionen zusammenzubringen und mit ihnen gemeinsame Versöhnungsschritte zu erarbeiten. Auch in Algerien gab es muslimische Gruppen, die ansprechbar waren für die Haltung der Gewaltfreiheit."
Sorgen bereiten Goss-Mayr auch diverse nationale europäische Tendenzen: "Das ist wirklich eine große Gefahr, dass man immer wieder nationale Eigeninteressen in den Vordergrund spielen will." Sie habe freilich die Hoffnung, "dass die Europäische Union wirklich gemeinsame Werte entwickelt und nicht auf Aufrüstung, sondern auf internationale Friedensarbeit setzt".
Der Appell der 90-jährigen Friedensaktivistin an die heutige Jugend: "Dass wir nie die Hoffnung verlieren, dass wir nie die Haltung der Gewaltfreiheit und die Gewissheit verlieren, dass die Haltung der Gewaltfreiheit diejenige ist, die wirklich den Menschen dient und die zutiefst verwurzelt ist in unserem Menschsein."
Österreichische Friedenspionierin Hildegard Goss-Mayr wird 90
Der Internationale Versöhnungsbund lädt anlässlich des Geburtstages von Hildegard Gross-Mayr am Samstag, 15. Februar, um 10.30 Uhr zu einem Dankgottesdienst mit anschließender Festmatinee in die Wiener Pfarrkirche St. Josef Sandleiten (Sandleitengasse 53, 1160 Wien).