Indien weiterhin Land mit meisten Straßenkindern - Hilfswerk "Jugend Eine Welt" lädt zum "Tag der Straßenkinder" am 31. Jänner.
Indiens 11 Millionen Straßenkinder stehen heuer im Zentrum der Kampagne "Tag der Straßenkinder", mit der die Organisation "Jugend Eine Welt" jährlich um den 31. Jänner auf die Situation armutsbetroffener Kinder aufmerksam macht. Schon jetzt gelte der südasiatische Staat als das Land mit den weltweit meisten Straßenkindern und es würden immer mehr, warnte Slesianerpater Noel Maddhichetty im Interview mit "Kathpress". Die Auswirkungen des Klimawandels, Wasserkrisen und die Hoffnung auf Arbeitsplätze treibe Millionen armer Familien vom Land in die Millionenstädte, die dem Bevölkerungsansturm nicht gewachsen seien. Als Folge der Landflucht gebe es immer größere Slums und mehr armutsbetroffene Kinder, deren Eltern tagsüber in den Fabriken als billige Arbeiter tätig seien.
Es reiche nicht mehr "nur Essen und Kleider auszuteilen, es braucht eine politische Lobby, um die wachsenden Städte 'kinderfreundlich' zu gestalten", forderte der Generalsekretär der Konferenz südasiatischer Salesianerprovinzen. Die Kinder aus diesen Migrantenfamilien seien in großer Gefahr, auf der Straße zu landen bzw. Opfer von Ausbeutung Straßengangs oder Kinderarbeit und sexueller Missbrauch zu werden.
"Bei den Migrantenfamilien handelt es sich häufig um ungelernte Arbeiter, die in den Slums stranden. Wenn sie einen Job finden, ändert sich die Arbeitsstelle häufig und sie müssen weiterziehen", so der "Jugend eine Welt"-Partner. Das habe verheerende Auswirkungen auf ihre Kinder bzw. deren Bildungschancen. Kinder seien damit die "ersten Opfer der Urbanisierung" und eine besonders verletzliche Gruppe, die von Seiten der offiziellen Autoritäten, wie Polizei oder kommunalen Politik, kaum Unterstützung erhielten.
Auch ein Schulbesuch sei für viele Kinder nicht möglich, da sie entweder arbeiten müssten oder die Kosten für die Ausbildung für die Familie zu hoch seien. "Jedes Kind, das nicht zur Schule geht, ist in einer Risikosituation", so der Ordensmann. Als Reaktion auf die neuen Herausforderungen haben die Salesianer Don Boscos Beratungsstellen für Migrantenfamilien eingerichtet, die von "Jugend Eine Welt" unterstützt werden. Sie sind mittlerweile in 72 Städten aktiv und setzen verstärkt auf Bildungsmöglichkeiten jenseits des offiziellen Schulsystems, das für die meisten betroffenen Familien unerreichbar ist.
Kritik äußerte der Ordensmann vor allem an Indiens Technologieboom: die Politik setze verstärkt auf sogenannte "smart cities" (dt: "intelligente Städte"), vergesse aber, dass die Landbevölkerung mit der Urbanisierung nicht mithalten könne. Hinzu komme, dass die Landewirtschaft einen schlechten Ruf habe und oft nicht genug Ertrag bringe, um eine Familie ernähren zu können. "Wir müssen darauf achten, dass die technische Entwicklung nicht die Mitmenschlichkeit überholt", warnte Maddhichetty, seit 2016 Direktor von "BoscoNet", der in New Delhi ansässigen zentralen Koordinations-Plattform aller Aktivitäten und Projekte der Salesianer in Südasien.
Als Folge von extremen Wetterereignissen, Armut, Verzweiflung und fehlender Zukunftsperspektive würden auch immer mehr Bauern Suizid begehen; laut Schätzungen 15.000 pro Jahr. Wegen der finanziellen Unsicherheit seien viele Bauern gezwungen ihre Tätigkeit als Landwirte aufzugeben; sie würden in die Städte ziehen, wo sie sich Arbeit und und eine bessere Zukunft erhofften, berichtete der Salesianer-Pater. UN-Prognosen zufolge werden 2050 etwa 88 Millionen Menschen in indischen Städten leben und nur mehr 78 Millionen in ländlichen Gebieten.
Zum "Tag der Straßenkinder" am 31. Jänner, dem Gedenktag des Jugendheiligen Johannes Bosco (1815-1888), macht die Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" jedes Jahr auf die schwierige Situation der weltweit Millionen Kindern aufmerksam, die auf der Straße leben oder arbeiten. Kinder- und Jugendgruppen sowie Schulklassen werden eingeladen, aktiv zu werden, zudem wird um Spenden für Don Bosco-Hilfsprojekte gebeten. (Spendenkonto: IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000; Online spenden: www.jugendeinewelt.at/spenden; Kennwort: "Tag der Straßenkinder")