Prof. Jan-Heiner Tück, Wien
Prof. Jan-Heiner Tück, Wien
Wiener Theologe: Der selbst ernannte Verteidiger des Katholischen und seine applaudierenden Sympathisanten würden hinter Tradition des Konzils fallen. Durch Intoleranz und Verachtung des anderen beschädigten sie Wahrheit, die sie bezeugen wollen.
Mit einer scharfen Kritik an einem "verengten Blick auf das Katholische" hat sich der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück zu Wort gemeldet. Anlass der Wortmeldung Tücks war die Teilnahme des umstrittenen Erzbischofs Carlo Maria Vigano sowie eines Wiener Aktivisten Ende Jänner bei einer Demonstration in München mit Kritikern des Synodalen Wegs. Der Wiener hatte zuletzt internationales Aufsehen erregt in der "Causa Pachamama". Am 21. Oktober 2019 hatte der Konvertit und Lebensschützer während der Amazonien-Synode in Rom indigene Holzfiguren aus der Kirche Santa Maria in Traspontina entfernt und in den Tiber geworfen.
"Die Weite des Katholischen wird verengt, ja sie nimmt Schaden, wenn sie nach Art der Makkabäer verteidigt wird und Aussagen der Schrift biblizistisch als Handlungsanweisungen missverstanden werden", so Tück am Sonntag gegenüber "Kathpress". Der selbst ernannte Verteidiger des Katholischen und seine applaudierenden Sympathisanten würden hinter die Tradition des Konzils zurückfallen. Durch Intoleranz und Verachtung des anderen beschädigten sie die Wahrheit, die sie bezeugen wollen.
Bereits das II. Vatikanische Konzil habe einen Exklusivmus überwunden, der in der katholischen Kirche die allein wahre Religion sieht und alle anderen religiösen Überzeugungen als falsch verwirft, erläuterte Tück. Seither werde anerkannt, dass Momente des Wahren, Guten und Heiligen auch in nichtchristlichen Religionen und Kulturen zu finden sind.
Der Katholizismus habe seit jeher ein gelassenes Verhältnis zu Bildern und Statuen unterhalten. Wichtig ist allerdings das Ergebnis im Bibelstreit aus dem 8. Jahrhundert, seitdem man zwischen "Anbetung" und Verehrung" unterscheidet. Demnach könne nur Gott alleine angebetet werden, Bilder des Erlösers, der Gottesmutter und der Heiligen dürften aber nur verehrt werden.
Der Eifer für den einen wahren Gott, der sich in der Versenkung der Figuren im Tiber entladen hat, sei historisch blind. Er sehe nicht, "dass er genau die Tradition fortschreibt, die die Missionsgeschichte der Kirche bis heute belastet. Verachtung 'heidnischer' Kulturen im Namen der christlichen Wahrheit hat immer wieder ikonoklastische Praktiken freigesetzt", so der Theologe. Das semantische Dynamit, das im Eifer für den wahren Gott gegen die falschen Götzen liegt, könne nur durch eine reflexive Haltung zum eigenen Erbe entschärft werden.
Statuen Dorn im Auge gewesen
Der Aktivist hat sich nun zwei Wochen nach der Aktion in einem Video auf YouTube geoutet und seinen bilderstürmerischen Akt in englischer Sprache erläutert. Er erklärte, die Holzfiguren in den Seitenkapellen der Kirche seien ihm ein Dorn im Auge gewesen. Die Statuen, die man unter dem Titel "Pachamama" als Fruchtbarkeitssymbol verehre, stamme nicht aus der Amazonas Region sondern seien viel mehr eigens für die Synode fabriziert und aufgestellt worden. Außerdem handle es sich nicht um altehrwürdige Kulturobjekte.
In der Platzierung dieser "Götzenstatue" im Sakralraum der Kirche sieht Tschuguell einen sichtbaren Verstoße gegen das erste Gebot: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Papst Franziskus wandte sich entschieden gegen die Aktion, wie auch Kardinal Christoph Schönorn.
Im Umfeld der Amazonien-Synode sei wiederholt vom Schrei der verwundeten "Mutter Erde" die Rede gewesen. Eine ganzheitliche Öko-Spiritualität, welche die Natur als "Mutter Erde" sakralisiere, sei allerdings nicht unproblematisch. "Sie unterläuft die theologische Differenz zwischen Gott, dem Schöpfer und der Welt als seiner Schöpfung", erläuterte der Theologe.