Markus Beranek mit leitenden ehrenamtlichen Mitarbeitern einer lebendigen philippinischen Pfarre
Markus Beranek mit leitenden ehrenamtlichen Mitarbeitern einer lebendigen philippinischen Pfarre
Mehrere Mitarbeiter der Erzdiözese Wien sind vor ein paar Tagen von einer Studienreise von den Philippinen zurückgekehrt. Dort sahen sie einzigartig schnell wachsende katholische Kirchengemeinden.
Lassen sich die Erfahrungen aus dem weit entfernten und armen Staat auf Wien und Niederösterreich umlegen?
Ein malerisches Ambiente: Strahlende Sonnenaufgänge, Temperaturen von knapp 30 Grad und lange Sandstrände. Doch diese Idylle trügt! Denn die Rede ist von den Philippinen, einem der ärmsten Staaten der Welt.
Der Archipel mit 7.641 Inseln in Südostasien erlebte in den vergangenen Jahren schreckliche Naturkatastrophen, Erdbeben und Überschwemmungen. Der größte Teil der Bevölkerung lebt in unvorstellbarer Armut: Fast 60 Prozent der Philippinos müssen mit weniger als zwei Euro (!) pro Tag auskommen. Dazu kommt eine desolate Verwaltung, eine aggressive Regierung und vielerorts gibt es kaum medizinische Versorgung – geschweige denn Arbeitsplätze.
Und noch einen Mangel kommt dazu: Auf den Philippinen gibt es kaum katholische Priester. Laut Statistik gibt es nur einen für jeweils 30.000 bis 70.000 Katholiken! Eine typische philippinische Pfarre besteht aus nur einer klassischen Kirche in der jeweiligen Insel-Hauptstadt und aus bis zu 70 weiteren kleinen Kapellen oder improvisierten Pfarrstandorten in teilweise extrem schwierig erreichbaren Dörfern im Umland.
In Wahrheit Voraussetzungen, die das kirchliche Leben schier unmöglich machen – möchte man meinen ...
Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Denn diese philippinischen katholischen Großpfarren erleben trotz aller Schwierigkeiten seit knapp 20 Jahren ein Wachstum. 18 hauptamtliche Mitarbeiter aus der Erzdiözese Wien haben sich bei einer Studienreise in den vergangenen Wochen die Gründe für dieses Wachstum angesehen.
Darunter Priester, Diakone und Dienststellenleiter – allen voran Pastoralamtsleiter Markus Beranek: „Auch wir in unserer Diözese stehen ja mit unserem diözesanen Entwicklungsprozess vor Herausforderungen. Deswegen ist es wichtig, dass wir bei anderen lernen.
Das Spannende ist, in einen ganz anderen kirchlichen Kontext hineinzugehen. Dadurch bekommt man eine gesunde Distanz zu den eigenen Dingen, was dazu führt, dass ich das Eigene mit neuen Augen und neuer Wertschätzung sehen kann. Und gleichzeitig nimmt man Eindrücke, Ideen und Inspirationen mit, die eventuell in der eigenen Situation helfen können.“
Auf die Frage „Was speziell?“ antwortet der Pastoralamtsleiter: „Das große Stichwort auf den Philippinen ist Partizipation – also Teilhaben. Das kirchliche Leben dort funktioniert ganz stark über sogenannte Basisgemeinden, die ausschließlich aus Ehrenamtlichen bestehen. Es gibt Wortgottesdienstleiter, meistens Männer – und Katechetinnen, fast ausschließlich Frauen.
Die wenigen hauptamtlichen Priester sind hingegen in erster Linie Koordinatoren. Sie sind viel unterwegs um die jeweiligen Gemeinden aufzubauen und zu vernetzen.“
Tief beeindruckt zeigen sich die Mitarbeiter der Erzdiözese Wien über die starke Verbundenheit der Philippinos mit der Bibel. Beranek: „Nach der Verkündigung des Evangeliums folgt bei jedem Gottesdienst ein Bibelteilen. Dabei drehen sich die Gläubigen in kleinen Gruppen zusammen und fragen sich, was die Bibelstelle ganz konkret für das eigene Leben bedeutet.
Da gibt es nicht diesen Anspruch, den wir haben, dass ein Priester als Experte eine Auslegung für alle macht. Sondern wenn im Evangelium z.B. Jesus ein Kind in die Mitte stellt (Mt 18,1-5), dann werden die Gottesdienstbesucher dazu aufgerufen, sich beim Bibelteilen die Frage zu stellen: ,Was können wir ganz konkret tun, um das Leben unserer Kinder hier im Dorf zu verbessern’.“
Die Hauptgründe für das schnelle Wachstum der philippinischen Gemeinden scheinen zu sein:
1. Die Beteiligung von ehrenamtlichen Frauen und Männern, die das kirchliche Leben gestalten.
2. Priester, die mit den Menschen die Sakramente feiern und ganz stark Koordinatoren und Initiatoren sind.
3. Ein starker und ganz alltagsbezogener Bezug zur Heiligen Schrift. Dazu kommt
4. eine klare Priorisierung, von der wir uns viel abschauen können, erklärt Markus Beranek:
„Der erste Schritt beim Aufbau dieser kleinen christlichen Gemeinden ist, dass sich alle zusammensetzen und eine gemeinsame Vision entwickeln.
Dabei reden sie nicht davon, wie Kirche sein muss, sondern sie schauen hin, wie das Leben, die Situation und die Menschen in der Gemeinde sind. Und dann fragen sie sich, wie das kirchliche Gemeindeleben gestaltet sein muss, damit es genau zur Lebenssituation dieser Menschen passt.
Dann setzen sie Prioritäten und machen in erster Linie das, was für das Leben der Menschen vor Ort förderlich ist.
In vielen Orten findet das kirchliche Leben in Mehrzweckhallen oder Privatgebäuden statt,
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