Kardinal Christoph Schönborn und andere Synodenteilnehmer am Ende der Amazonassynode im Vatikan.
Kardinal Christoph Schönborn und andere Synodenteilnehmer am Ende der Amazonassynode im Vatikan.
In seiner mit Spannung erwarteten Antwort auf die Amazonien-Synode schreibt Papst Franziskus über vier Träume für sein „geliebtes Amazonien“ – und wie in dieser Region die „Fleischwerdung“ der Kirche gelingen kann. Die Priesterweihe für Verheiratete kommt nicht vor.
Als am 27. Oktober die Amazonien-Synode zu Ende ging, hatte sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf eine einzige Frage konzentriert: Wird der Papst die Priesterweihe für Verheiratete erlauben? Die Synode hatte dies ja vorgeschlagen, wenn auch nur als Ausnahme und nur für die Region Amazonien, wo Priester wegen der großen Entfernungen und der oft zurückgezogen lebenden Indios nur alle paar Monate in manche Dörfer kommen.
Trotz dieser Einschränkungen haben viele Beobachter gravierende Auswirkungen für die Gesamtkirche erwartet: Wenn der Papst verheiratete Priester für Amazonien erlaubt, würde es sie bald überall geben.
Am Mittwoch hat Papst Franziskus nun sein mit Spannung erwartetes sogenanntes nachsynodales Schreiben vorgelegt – und darin eine Ausnahmeregelung vom Zölibat gar nicht erwähnt. Mehr noch: Der Papst weicht in der Form deutlich von der Linie seiner Vorgänger ab, die in solchen nachsynodalen Schreiben oft sehr präzise lehramtliche Festlegungen getroffen haben. So sind etwa das erste solche Schreiben 1975 von Paul VI., „Evangelii nuntiandi“ über die Mission, oder „Familiaris consortio“ von Johannes Paul II. über Ehe und Familie 1981 maßgebliche Werke geworden. Sie haben damit allerdings die von den Bischöfen selber beschlossenen Abschlusstexte der Synoden in den Schatten gestellt, aus denen sie nur einzelne Passagen herausgriffen, die dadurch päpstliche Autorität erlangten.
Franziskus hat hingegen etwas getan, das in seinem lehramtlichen Charakter schwer einordenbar ist. Er versteht sein Schreiben als „offizielle Präsentation“ des Abschlusstextes der 185 überwiegend aus Amazonien-Staaten kommenden Synodenbischöfe. Er verzichtet ganz auf die sonst übliche Auswahl einzelner Passagen, sondern empfiehlt der Kirche, das Abschlussdokument in seiner Gesamtheit zu studieren und es zu reflektieren und daraus zu lernen. Amazonien kann helfen zu sehen, was eine gute Weise ist, in der Kirche in einer bestimmten Region Gestalt annimmt bzw. „inkarniert“, also Fleisch wird. Franziskus lässt also sozusagen die Bischöfe Amazoniens zur Weltkirche sprechen und vermerkt, dass er selber ja auch viel weniger über den Untersuchungsgegenstand weiß als sie.
Franziskus geht noch weiter im Abschwächen des lehramtlichen Charakters seiner mit 120 Absätzen relativ knappen Schrift: Mit ihrem spanischen Titel „Querida Amazonia“, „das geliebte Amazonien“, beginnt sie beinahe wie ein Liebesbrief. Und sie soll, so sagt Franziskus, „ein Referenzrahmen für eine Reflexion“ sein, ein persönlicher Widerhall dessen, was auf der Synode beredet wurde. Sie besteht im Wesentlichen aus vier „Träumen“, wie er es nennt.
Das klingt nicht nach Lehramt. Vielmehr wirkt es, als wolle der Papst der Weltkirche sagen: Ich habe die Synode auf mich wirken lassen und meine Gedanken dazu in Worte gefasst – tut Ihr das auch, und dann reden wir gemeinsam weiter darüber.
Schon bei der Abschlussansprache an die Bischöfe bei der Synode hat Papst Franziskus etwas Derartiges angekündigt. Ein nachsynodales Schreiben sei nicht zwingend nötig, hatte er damals erklärt, aber ein Wort über das, was er bei der Synode erlebt habe, sei vielleicht gut. Und er hat darum gebeten, nicht bei einzelnen Angelegenheiten der kirchlichen Disziplin stehen zu bleiben – allen war klar, dass der Papst da über den Zölibat sprach – und zu schauen, „welche Partei gewonnen hat, welche verloren hat“. Er drückte seine Freude darüber aus, dass „wir diesen selektiven Gruppen nicht zum Opfer gefallen sind, die von der Synode nur sehen wollen, was in Bezug auf diesen oder jenen innerkirchlichen Punkt beschlossen wurde“. Viel wichtiger sei die Gesamtheit der kulturellen, sozialen, ökologischen und pastoralen Diagnosen.
In seinem Schreiben will der Papst offenbar diesen „selektiven Gruppen“ keine Munition liefern. Franziskus geht schon darauf ein, wie wichtig die Eucharistiefeier für die Gemeinden auch in Amazonien ist und daher dort ein Weg gefunden werden muss, „den priesterlichen Dienst auch in den entfernteren Regionen zu sichern“. Aber im Konkreten kommt die Weihe von Verheirateten nicht vor, wohl aber eine bessere Ausbildung der Priester sowie stärkere Bemühungen, lateinamerikanische Missionare nicht nur für Europa zu begeistern, sondern auch für Amazonien. Und er erwähnt die Idee von Seminaren für indigene Priesteramtsanwärter. Auch spricht sich Franziskus für mehr ständige Diakone aus und für eine Stärkung der Frauen. Denn „es geht nicht allein darum, eine größere Präsenz von geweihten Amtsträgern zu ermöglichen, die die Eucharistie feiern können. Das wäre ein zu begrenztes Ziel, wenn wir nicht versuchen, auch neues Leben in den Gemeinden zu wecken.“
Die Frage verheirateter Priester bleibt also offen. In einem ausführlichen Kommentar zu „Querida Amazonia“ sagt Kardinal Schönborn zu diesem Punkt: „Papst Franziskus schafft es wieder, alle zu enttäuschen, die hier eine Schwarz-weiß-Antwort erwartet haben. Aber wieder versucht er, die Perspektive zu erheben, zu weiten oder zu vertiefen, um den Konflikt zwischen zwei Positionen zu überwinden.“
Die vier Träume des Papstes
• „Ich träume von einer Amazonasregion, die für die Rechte der Armen kämpft, der indigenen Völker und der geringsten unserer Brüder und Schwestern, wo ihre Stimmen gehört werden können und ihre Würde gestärkt wird.“
• „Ich träume von einer Amazonasregion, die ihre besonderen kulturellen Reichtümer bewahren kann und wo die Schönheit des Menschlichen auf so viele verschiedenen Weisen weiter scheint.“
• „Ich träume von einer Amazonas-
region, die eifersüchtig ihre überwältigende natürliche Schönheit bewahrt und das überreiche Leben, das sich in seinen Flüssen und Wäldern tummelt.“
• „Ich träume von christlichen Gemeinden, die bereit sind, großzügig Verantwortung zu übernehmen, inkarniert in der Amazonasregion, und die der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken.“ Papst Franziskus
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