Die Bibel hat für die Inkarnation und für die Auferstehung keine Worte, weil sich dafür keine menschlichen Worte finden lassen.
Die Bibel hat für die Inkarnation und für die Auferstehung keine Worte, weil sich dafür keine menschlichen Worte finden lassen.
Das Hochfest der Verkündigung des Herrn ist immer nahe bei Ostern – meistens vor Ostern, wenn der Ostertermin sehr früh ist, auch danach.
Der Inhalt des Festes ist die Inkarnation – die Fleischwerdung des göttlichen Wortes. Es entsteht ein Mensch, der den göttlichen Sinn, das Wesen Gottes vollkommen abbildet. Ich meine, dass die Inkarnation im Leben des Jesus von Nazareth ein großes Gegenstück hat: die Auferstehung.
Verkündigung und Ostern passen gleichsam ineinander. Zwischen beiden Ereignissen gibt es Ähnlichkeiten, die der zeitlichen Nähe der beiden Feste einen unerwarteten Sinn geben. Über beiden Ereignissen liegt ein Schweigen. Bei Lukas kommt der Engel zu Maria und kündigt ihr die Empfängnis eines Kindes an. Das ist nota bene eine Ankündigung. Über die eigentliche Empfängnis gibt es keine Worte. Ähnlich bei der Auferstehung. Keines unserer vier Evangelien erzählt das Ereignis der Auferstehung.
Erzählt wird von Erfahrungen, die Menschen mit dem Auferstandenen hatten. Die Auferstehung selbst liegt im Dunkeln.
Wie erklären sich diese Leerstellen? Die Bibel ist unglaublich vorsichtig, wenn es um Gott geht. Sie hat eine Scheu vor dem Heiligen, wissend, dass nur einer heilig ist – nämlich Gott – und dass der Mensch von sich aus das Heilige niemals verstehen und fassen kann.
Die Bibel hat für die Inkarnation und für die Auferstehung keine Worte, weil sich dafür keine menschlichen Worte finden lassen. Das Schweigen der Evangelien ist die erste Gemeinsamkeit von Inkarnation und Auferstehung. Die zweite Gemeinsamkeit ist ihre Gegenläufigkeit. Die Inkarnation geht von oben nach unten: von der göttlichen Sphäre in die menschliche. Die Auferstehung nimmt die umgekehrte Richtung. Sie geht von unten nach oben: vom Tod ins Leben. Die Inkarnation ist Menschwerdung.
Die Auferstehung hingegen ist ein Eklat, ein definitiver Knall des Göttlichen. Beides – Menschennatur und Gottnatur – gehören zur Person Jesu.
Die dritte Analogie ist eine örtliche. Beide Ereignisse (Empfängnis und Auferstehung) finden in Höhlen statt: im Mutterleib und in der Grabeshöhle. Die Analogie ist erstaunlich genau, denn die Mutter Erde ist ja eine Metapher für den weiblichen Schoß. Die Orte sind nicht nebensächlich. Gott „wohnt“ in ihnen wie einst im Zelt der Wüstenwanderung und im Tempel von Jerusalem.
Was Jesus gelebt hat, ist uns aufgegeben. Wir sollen Mensch werden, und wir sollen die Vergöttlichung unseres Lebens in Christus zulassen. Beides geht nur durch Krisen hindurch – durch die extremen Krisen von Geburt und Tod und dazwischen durch die tausend Krisen des menschlichen Lebens.