Pius XII. steht seit langem in der Kritik, zum Holocaust geschwiegen und nicht entschieden genug gegen die NS-Verbrechen protestiert zu haben.
Pius XII. steht seit langem in der Kritik, zum Holocaust geschwiegen und nicht entschieden genug gegen die NS-Verbrechen protestiert zu haben.
Forscherteam um deutschen Kirchenhistoriker Wolf berichtet in "Zeit" von ersten Aktenfunden nach Öffnung der vatikanischen Archive zum Pacelli-Pontifikat.
Neue Aktenfunde im Vatikan belegen offenbar, dass Papst Pius XII. (1939-1958) ein wichtiges US-Schreiben über die nationalsozialistischen Gräueltaten im Holocaust persönlich gekannt hat. Wie die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" (Donnerstag) unter Bezug auf Recherchen eines Teams um den Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf berichtet, sei Pius XII. im September 1942 von Mitarbeitern des Staatssekretariats ein entsprechendes Schreiben des damaligen US-amerikanischen Botschafters beim Heiligen Stuhl vorgelegt worden. Darin ging es um die "Liquidierung" des Warschauer Ghettos und die Verschleppung und Ermordung Hunderttausender Menschen in Konzentrationslager.
Pius XII. steht seit langem in der Kritik, zum Holocaust geschwiegen und nicht entschieden genug gegen die NS-Verbrechen protestiert zu haben. Wie von Forschern seit Jahren verlangt, hatte der Vatikan Anfang März vorzeitig seine Archive mit Akten aus dem Pontifikat von Pius XII., mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli, für die historische Forschung freigegeben.
Das Schreiben des US-Gesandten Myron Charles Taylor an den damaligen Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione war bereits vor der Archivöffnung seit Jahrzehnten bekannt. Auch habe man seit Längerem gewusst, "dass der Papst am 27. September 1942 persönlich von einer wichtigen Sache Kenntnis bekam - aber nicht, worum es sich genau handelte", schildert Kirchenhistoriker Wolf in der "Zeit". Durch die Archivöffnung sei es nun möglich geworden, bereits vorhandene Dokumente in den richtigen Zusammenhang zu bringen.
"Der Papst wusste Schlimmstes. Die Frage ist: Hat er es geglaubt?", so Wolf. Und weiter: "Ich vermute: Ja. Denn in seiner Weihnachtsansprache nur zwei Monate später beklagte er eindringlich, dass Hunderttausende Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft dem Tod preisgegeben würden."
Der Kirchenhistoriker verweist in der "Zeit" auch auf die "unbestrittenen" positiven Leistungen von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg. "Pius XII. ließ Kirchen, Klöster und auch den Vatikan öffnen, um Juden zu verstecken", so Wolf. In welcher Größenordnung aber der Papst damals wirklich half, werde man erst nach der detaillierten Auswertung der nun zugänglichen vatikanischen Quellen wissen.
Eine der zentralen Forschungsfragen zum Pacelli-Pontifikat bleibe, warum Pius XII. nicht deutlicher gegen den Holocaust protestiert hat. Nach der zuletzt erfolgten Öffnung der vatikanischen Archive werde es aber "noch Jahre dauern, bis alles aufgearbeitet ist", so Wolf. Erst dann wolle auch er ein Urteil über den Papst wagen.
Der deutsche Kirchenhistoriker Wolf und sein Team gehörten Anfang März zu den ersten Forschern, die das neue Material zum Pacelli-Pontifikat im Vatikan sichten durften. Wegen der Corona-Krise und der damit verbundenen vorübergehenden Schließung der Vatikan-Archive musste die Arbeit vorerst unterbrochen werden.
Eines stellte Wolf im "Zeit"-Interview klar: Die Wissenschaftler mit Zugang zu den Dokumenten in den vatikanischen Archiven könnten in ihrer Forschung "absolut kritisch" sein. "Die Archive sind entweder auf oder zu. Sobald sie auf sind, sind sie auf. Eine Zensur findet nicht statt."
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