In Zeiten der Rückkehr in den gewohnten Alltag sei es wichtig, die Kinder wieder ins normale Leben zu begleiten - und Hilfe zu holen, sollten Kinder ein "Rückzugsverhalten" an den Tag legen.
In Zeiten der Rückkehr in den gewohnten Alltag sei es wichtig, die Kinder wieder ins normale Leben zu begleiten - und Hilfe zu holen, sollten Kinder ein "Rückzugsverhalten" an den Tag legen.
Die Corona-Epidemie war besonders für Familien herausfordernd und wurde für nicht wenige Eltern zu einer enormen Belastungsprobe.
Die Corona-Epidemie war besonders für Familien herausfordernd und wurde für nicht wenige Eltern zu einer enormen Belastungsprobe: Darauf haben Vertreter der Telefonseelsorge Oberösterreich und der Kinder- und Jugendpsychiater Michael J. Merl am Montag bei einer Pressekonferenz in Linz hingewiesen. Den meisten Eltern sei es trotz der plötzlichen Mehrfachbelastung gelungen, ihren Kindern Halt zu geben und den Alltag zu strukturieren - was sie zu "Systemerhaltern" mache. "Auch Eltern sind Helden der Krise", betonte die Projektleiterin des Elterntelefons der unter dem Notruf 142 erreichbaren Telefonseelsorge, Barbara Lanzerstorfer-Holzer, vor den anwesenden Journalisten.
Seit 16. März mussten Eltern wegen der Covid-19-Schutzbestimmungen für Krabbelstube, Kindergarten und Schule einspringen, und zwar ganz ohne Vorlaufzeit, Einarbeitungs- oder Probephase oder Hilfe von Großeltern, ließen die Experten ihre Beratungserfahrungen aus den vergangenen Monate Revue passieren. Nebenbei hätten sie Kindererziehung, Home-Schooling, Haushalt, Homeoffice sowie Partnerschaft unter einen Hut bringen müssen, dazu hätten Sorgen um die eigene Gesundheit und die naher Angehöriger ebenso genagt wie existenzielle Nöte, soziale Isolation und oft auch beengte Wohnverhältnisse. Die Elternberatung der Telefonseelsorge erwies sich während des Shutdowns als wichtige Anlaufstelle für Hilfesuchende.
Insgesamt sei diese Situation von den meisten gut gemeistert worden, auch wenn schon vorher existierende Probleme - besonders im Beziehungsbereich - durch Corona oft "wie ein Brennglas" verstärkt und sichtbarer geworden seien, so Beratungsleiterin Lanzerstorfer-Holzer. Hilfe geholt hätten sich etwa alleinerziehende oder erschöpfte Mütter, die plötzlich viel Zeit mit den Kindern allein verbringen mussten oder kaum Unterstützung hatten.
Die Umstellungen seien für die Familien ein "enormer Stressfaktor" gewesen, bestätigte auch Primar Merl. Konflikte waren in dieser Zeit häufiger. Vor allem Frauen fühlten sich am Ende ihrer Belastbarkeit und auch den Kindern und Jugendlichen setzt die soziale Isolation stark zu, zeigen österreichische Studien. Manche Eltern habe die dauernde Anwesenheit der Kinder überfordert, und letztere seien mehr als sonst sich selbst überlassen und teils "mit Medien ruhig gestellt" worden, so der Kinderpsychiater. In Zeiten der Rückkehr in den gewohnten Alltag sei es wichtig, die Kinder wieder ins normale Leben zu begleiten - und Hilfe zu holen, sollten Kinder ein "Rückzugsverhalten" an den Tag legen.
Verantwortungsbewusstes Hilfeholen
Eltern sollten sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch nehmen, wenn die Belastung zu groß wird, ermunterte Telefonseelsorge-Leiterin Silvia Breitwieser. Wenn man bei nicht mehr lösbar scheinenden Konflikten oder einem aus dem Fugen geratenen Familienleben Hilfe hole, sei dies "keine Schande, sondern ein Übernehmen von Verantwortung". Erreichbar ist das Elterntelefon der Telefonseelsorge unter der Nummer 142 rund um die Uhr oder auch via Mail und Chat unter www.onlineberatung-telefonseelsorge.at. Das Angebot ist vertraulich und kostenlos.
Auch Kardinal Christoph Schönborn hat wiederholt auf die enorme Bedeutung der Eltern in der Corona-Krise hingewiesen. Die Familie habe in der Pandemie "das Leben aufrechterhalten" und sei "das stärkste Überlebensnetzwerk", schrieb der Wiener Erzbischof zuletzt am vergangenen Freitag in seiner Kolumne in der Gratiszeitung "Heute".
Viel Ungewissheit sei in der Ausnahmesituation auf dieser Ebene abgefangen, viel an emotionalem Halt gegeben und unzählige Stunden vermehrter und kostenloser Haus-, Betreuungs- und Pflegearbeit geleistet worden. Da Familien dermaßen systemrelevant seien, bräuchten sie auch alle notwendige Unterstützung.