Bischof Glettler: "Niemand kann unterscheiden, ob die schwerkranke Person wirklich selbst sterben will oder unter dem Druck der Umgebung steht. Fast alle, die von ihrer Umgebung gut begleitet werden, entscheiden sich für das Leben."
Bischof Glettler: "Niemand kann unterscheiden, ob die schwerkranke Person wirklich selbst sterben will oder unter dem Druck der Umgebung steht. Fast alle, die von ihrer Umgebung gut begleitet werden, entscheiden sich für das Leben."
Bischofskonferenz-Vorsitzender Lackner: "Wir dürfen den Menschen nicht aufgeben, auch dann nicht, wenn er sich selbst aufgegeben hat". Kardinal Schönborn: "Das Sterben darf nicht zum Geschäft werden". VfGH verhandelt Donnerstag über mögliche strafrechtliche Lockerungen.
Unmittelbar vor der am Donnerstag anstehende öffentliche Verhandlung über Suizidbeihilfe beim österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) haben am Mittwoch Österreichs Bischöfe, darunter Bischofskonferenz-Vorsitzender Erzbischof Lackner und Kardinal Schönborn, und weitere kirchliche Vertreter eindringlich vor einer Lockerung des geltenden Verbots gewarnt. "Das Leben ist wohl die kostbarste Gabe, die sich niemand selbst geben kann. Unser aller Anliegen muss es sein, kranke und sterbende Menschen medizinisch und seelsorglich zu begleiten", so Erzbischof Franz Lackner. Er wies alle Ansinnen einer Lockerung des Strafrechts bei "Tötung auf Verlangen" und "Beihilfe zum Suizid" einmal mehr strikt zurück.
"Anfang und Ende des Lebens bedürfen der besonderen Achtsamkeit. Die Allgemeinheit steht hierin in großer Verantwortung", hielt Lackner gegenüber Kathpress fest. Und: "Wir dürfen die Menschen auf ihrem letzten, oft beschwerlichen Lebensweg nicht alleine lassen." Es brauche eine "Kultur der Fürsorge, des Mitleidens und der größtmöglichen Hilfsbereitschaft", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Und nochmals: "Wir dürfen den Menschen nicht aufgeben, auch dann nicht, wenn er sich selbst aufgegeben hat."
Mit sehr persönlichen Worten hat sich auch Kardinal Schönborn nochmals in die Debatte eingebracht: "Krankheit macht verletzlicher. Das habe ich selbst erfahren", so der Wiener Erzbischof. Wer in einer existentiellen Krisensituation wie Krankheit und Lebensmüdigkeit einen Sterbewunsch äußert, brauche aber keine Hilfe zur Selbsttötung, sondern menschliche Nähe, Schmerzlinderung, Zuwendung und Beistand. Nur so könne jeder Mensch sicher sein, dass er in seiner Würde auch in verletzlichen Lebensphasen geachtet und geschützt wird.
Schönborn äußert sich in einem Beitrag auf der vom kirchlichen Institut für Ehe und Familie (IEF) eingerichteten Website www.lebensende.at. Die Seite informiert über die Rechtslage zum Thema und gibt einen Überblick auf Stimmen, die sich für deren Beibehaltung aussprechen.
In seiner Freitagskolumne in der Zeitung "Heute" hatte Schönborn zudem kürzlich unmissverständlich festgehalten: "Das Sterben darf nicht zum Geschäft werden." Pflegebedürftige dürften nicht unter Druck kommen, ihr Sterben zu erbitten. Österreich sei in dieser Hinsicht bisher vorbildlich gewesen. Der "österreichische Weg" mit Hospizen in den Spitälern, Palliativmedizin, Schmerzlinderung, menschlicher Nähe und einfühlsamer Begleitung Sterbender habe sich "bestens bewährt".
Für Donnerstag haben die heimischen Höchstrichter in Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung angesetzt. Dabei geht es um vier beim VfGH mit Unterstützung des Schweizer Sterbehilfe-Vereins Dignitas eingebrachte Anträge, wonach die bestehenden Paragrafen 77 und 78 des Strafgesetzbuches - es geht dabei um "Tötung auf Verlangen" und "Beihilfe zum Suizid" - gelockert werden sollen. Das Thema stand schon im Juni auf der Agenda des VfGH, wurde dann aber auf den Herbst verschoben. Zuvor hatte in Deutschland im Februar das deutsche Bundesverfassungsgericht das Verbot der "geschäftsmäßigen Beihilfe" zum Suizid gekippt.
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hat im Interview mit der Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen die kirchliche Position ebenfalls bekräftigt und erläutert. Glettler sah keinen Bedarf, an den entsprechenden Gesetzen etwas zu ändern: "Die Gesetzeslage ist nicht reformbedürftig. Es sieht so aus, als ob wir schlechte Gesetze hätten. Das stimmt nicht."
Er habe den Verdacht, so Bischof Glettler, dass mit dem Wort "Barmherzigkeit" Stimmungsmache betrieben werde. "Ja, wir brauchen Barmherzigkeit, um das Bruchstückhafte unseres Lebens auszuhalten und anzunehmen. Wer barmherzig ist, sieht die versteckte Bitte eines gebrechlichen oder leidenden Menschen um Mitgefühl und Begleitung", so der Bischof wörtlich. Er ist in der Bischofskonferenz für Lebensschutzfragen zuständig.
Würde am Lebensende bedeute, nicht nur als Pflegefall oder Kostenfaktor wahrgenommen zu werden. Einem möglichen Erwartungsdruck ausgeliefert zu sein, doch endlich Schluss zu machen, sei entwürdigend. Menschliche Würde liege darin begründet, "dass uns das Leben von Gott geschenkt wurde - so überraschend der Anfang war, so unverfügbar sollte auch das Ende sein".
Was am Ende zählt, sei das, was auch schon das übrige Leben kostbar gemacht habe: "Nicht allein gelassen zu sein. Wer sich geliebt weiß, trägt das stärkste Argument für das Leben in sich - trotz aller Belastungen und Grenzerfahrungen, die niemandem erspart bleiben."
In den Kirchenzeitungen wird diese Woche u.a. auch der heimische Moraltheologe Prof. Günter Virt zitiert: "Wenn eine Gesellschaft Ärzten und anderen zubilligt, auf Wunsch zu töten oder bei der Selbsttötung Unterstützung zu gewähren, öffnet sie Tür und Tor für letztlich nicht kontrollierbaren Druck auf den Kranken, die Angehörigen und auch auf die Ärzte." Beihilfe zum Suizid widerspreche den internationalen Dokumenten des ärztlichen Ethos. Viele Staaten in Europa würden außerdem, wie Österreich, Beihilfe zum Suizid verbieten. Virt sah auch die Gefahr, dass die Beihilfe oder Mithilfe von der Nachhilfe nicht exakt abgegrenzt werden kann.
Das bekräftigte auch Bischof Glettler: "Niemand kann unterscheiden, ob die schwerkranke Person wirklich selbst sterben will oder unter dem Druck der Umgebung steht. Fast alle, die von ihrer Umgebung gut begleitet werden, entscheiden sich für das Leben."
Auch Caritas-Präsident Michael Landau hat sich nochmals gegen eine Änderung der bestehenden gesetzlichen Regelungen ausgesprochen: "Menschen sollen an der Hand eines anderen Menschen sterben und nicht durch die Hand eines anderen Menschen. Anders gesagt: Es geht darum, das Leben zu bejahen und das Sterben dennoch zuzulassen, einen - im umfassenden Sinn - Raum zu schaffen, um jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, seinen eigenen Tod zu sterben". Die künstliche Verkürzung des eigenen Lebens und die künstliche Verlängerung des eigenen Sterbens seien ja oft zwei Seiten der gleichen Medaille", so Landau auf www.lebensende.at.
Bereits im November des Vorjahres hatte sich die Bischofskonferenz im Blick auch das Verfahren beim VfGH dafür ausgesprochen, dass die Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zur Selbsttötung weiterhin strafrechtlich verboten sein sollen, und für eine "Kultur des Beistandes" plädiert. Studien belegten, dass nicht etwa der körperliche Schmerz das Hauptmotiv für einen Tötungswunsch ist, sondern vielmehr psychische Belastungen wie Depression, Hoffnungslosigkeit und Angst. "Die Antwort darauf kann aber nicht Tötung sein, sondern professionelle Hilfe, Beratung und Beistand", betonte der Episkopat.
Bei ihrer letzten Vollversammlung im Juni gingen die Bischöfe auf das Thema Sterbehilfe auch im Blick auf die Corona-Pandemie ein. So sei über alle Nationen und Kulturen hinweg durch die Krise deutlich geworden, dass der "Schutz vulnerabler und älterer Menschen eine geradezu heilige Pflicht ist". Dieses hohe Ethos, das ganz einem christlichen Menschenbild entspricht, gelte es zu bewahren und zu stärken. "Dem entspricht ein breiter gesellschaftlicher Konsens in Österreich, der gegen eine Freigabe der Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zur Selbsttötung ist und stattdessen auf einen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung setzt", hielt die Bischofskonferenz fest.