Vierzehn Neueintritte bedeutet vierzehn Lebens- und Glaubensgeschichten
Vierzehn Neueintritte bedeutet vierzehn Lebens- und Glaubensgeschichten
Mit vierzehn Eintritten verzeichnet die Ausbildungsgemeinschaft der drei Priesterseminare für die Diözesen Wien, St. Pölten und Eisenstadt im Jahr 2020 einen überraschend hohen Zuwachs. Seminaristen bilden die gesellschaftliche und kirchliche Großwetterlage ab.
Vierzehn neue Priesteramtskandidaten gibt es seit diesem Herbst im Haus der drei Priesterseminare in der Wiener Strudlhofgasse. Elf davon gehören zur Erzdiözese Wien, die drei übrigen zu den Diözesen St. Pölten und Eisenstadt. Das Haus ist seit 2012 die gemeinsame Ausbildungsstätte der drei ostösterreichischen Diözesen.
Die heurige Eintrittszahl sticht aus dem allgemeinen Trend im gesamten deutschen Sprachraum deutlich heraus. Mit den heurigen Neuzugängen zählt die Ausbildungsgemeinschaft in Wien 52 Kandidaten für das Priesteramt. 35 von ihnen bereiten sich auf den Dienst in der Erzdiözese Wien vor, neun für die Diözese St. Pölten, sechs für die Diözese Eisenstadt und zwei sind Gäste der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine.
Bunt wie die Gesellschaft und die Kirche
In vielerlei Hinsicht spiegeln die drei Priesterseminare die gesellschaftliche und religiöse Großwetterlage wider. Längst hat das klassische System, ein Priesterseminar in „Jahrgängen“ zu führen, ausgedient. Zu breit ist allein das Altersspektrum. Der älteste der 52 Priesteramtsanwärter ist Jahrgang 1946, der Jüngste wurde im Jahr 2000 geboren. Dementsprechend unterschiedlich sind auch ihre Biographien. Es finden sich unter ihnen frühere Beamte, Musiker, Chemiker, Führungskräfte in internationalen Unternehmen, Lebensmitteltechniker, Krankenpfleger genauso wie ein Universitätsassistent.
Ebenso vielfältig wie ihr beruflicher Werdegang ist ihre Herkunft: 25 Seminaristen stammen aus verschieden Bundesländern Österreichs, zwölf aus Deutschland, sechs aus Polen, zwei aus der Ukraine, zwei aus Kroatien, sowie jeweils einer aus Montenegro, Rumänien, Indien, Sri Lanka, und Nigeria. Manche der Nichtösterreicher leben seit Jahren hier, andere haben sich aufgrund familiärer oder freundschaftlicher Beziehungen zu Österreich entschlossen, hier Priester werden zu wollen.
Sehr unterschiedlich sind auch die persönlichen Berufungsgeschichten. Für manche führte der Weg über Entfremdung oder gar Kirchenaustritt und schließlich starker, persönliche Gotteserfahrungen ins Priesterseminar. Andere bringen Vorerfahrungen in Orden oder neuen geistlichen Gemeinschaften mit.
Bewusste Entscheidung für Wien
„Ich habe mich für den Eintritt ins Wiener Priesterseminar entschieden, weil die Wiener Ortskirche im deutschen Sprachraum durch eine unglaubliche Vielfalt in geistlicher Hinsicht hervorsticht“, so Matthias Ruzicka, der vor einem Jahr ins Seminar eingetreten ist. Die Vielfalt der Biographien, Kulturen und persönlichen Glaubensgeschichten seiner Kollegen nimmt der 25-jährige Niederösterreicher als „echte Bereicherung“ war.
Innerkirchliche Vorbehalte, die neue Generation der Priesteramtskandidaten sei tendenziell konservativ, kann der junge Seminarist nicht nachvollziehen. „Konservativ“ oder „liberal“ seien keine Kategorien mehr. Die Glaubensgeschichten von Seminaristen heute sind viel zu bunt. Allen gemeinsam ist eine bewusste, reife Glaubensentscheidung.
Das entspricht auch der Wahrnehmung von Subregens Markus Muth: „Wenn vor fünfundzwanzig Jahren das Kollar (der klassische Priesterkragen) noch ein eindeutig konservatives Statement war, so ist das heute nicht mehr so. Da haben sich Dinge verschoben. Schon zu meiner Studienzeit hat einer meiner Jahrgangskollegen gemeint: «Warum sollen wir das Kollar den Konservativen überlassen?»“
Gar nicht so wenige Seminaristen kommen – im Unterschied zu früheren Generationen – nicht mehr aus dem klassisch kirchlichen Umfeld, sondern haben oft einen sehr individuellen Glaubensweg hinter sich.
Anspruchsvolle Ausbildung
Um dieser Vielfalt an Voraussetzungen gerecht zu werden, ist die Priesterausbildung in sechs Phasen unterteilt, die auch individuelle Anpassungen erlauben. Das Theologiestudium, in der Regel an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, ist selbstverständlicher Teil der Ausbildung.
Die erste Phase besteht in einem Vorbereitungsjahr, dem „Propädeutikum“. Es folgt eine mehrjährige Ausbildungszeit im Seminar, gefolgt von einem Externjahr, das dem Seminaristen ermöglicht, Glaube und Seelsorge in anderen europäischen, aber auch außereuropäischen Ländern kennenzulernen. Nach einer weiteren „internen“ Zeit im Seminar folgt das Praktikumsjahr, an dessen Ende die Diakonenweihe steht. Mit dieser verpflichtet sich der Priesteramtskandidat bereits zur zölibatären Lebensform und zum kirchlichen Stundengebet. Im Normalfall erfolgt ein Jahr später die Priesterweihe.
Die anspruchsvolle Ausbildung, die im Normalfall acht Jahre dauert und die sich etwas verkürzt, wenn jemand z.B. erst am Ende des Theologiestudiums eintritt, erfordert natürlich kompetente Begleitung. Dem Regens des Priesterseminars, Dr. Richard Tatzreiter, stehen die Subregenten Mag. Markus Muth (Erzdiözese Wien), Mag. Nikola Vidovic (Diözese St. Pölten) und P. Lorenz Voith CSsR (Diözese Eisenstadt) zur Seite. P. Michael Meßner SJ und Dr. Peter Miščík sind als Spirituale für die geistliche Begleitung der Seminaristen verantwortlich.