Immer mehr Menschen, die dies selbst nie für möglich gehalten hätten, würden sich seit dem Ausbruch der Pandemie an die Caritas wenden.
Immer mehr Menschen, die dies selbst nie für möglich gehalten hätten, würden sich seit dem Ausbruch der Pandemie an die Caritas wenden.
Generalsekretärin Parr fordert in Kirchenzeitung-Interviews dringend notwendige Maßnahmen ein, um sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie entgegenzuwirken.
"Die Armut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Mit dieser Warnung hat sich die neue Caritas-Generalsekretärin Anna Paar zu Wort gemeldet und ein Bündel an Maßnahmen eingefordert, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Parr ist seit 1. Oktober die erste Frau als Generalsekretärin der österreichischen Caritas. Sie äußerte sich diese Woche im Vorfeld des kirchlichen "Welttags der Armen" (15. November) in Interviews mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" und der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag".
Immer mehr Menschen, die dies selbst nie für möglich gehalten hätten, würden sich seit dem Ausbruch der Pandemie an die Caritas wenden. In Teilen Niederösterreichs habe man etwa in den Caritas-Sozialberatungsstellen seit März um 41 Prozent mehr Erstkontakte als im Jahr davor, in der Steiermark um 37 Prozent. Vor allem Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit setzten vielen Menschen, besonders auch vielen Familien, zu, so Parr: "In unsere Sozialberatungsstellen kommen zu zwei Drittel Menschen mit Kindern, davon sind überproportional viele Alleinerziehende aber auch Neue Selbständige oder Ein-Personen-Unternehmer. Es sind Menschen, denen durch die Krise das Einkommen weggebrochen ist und die nicht wissen, wie sie Mieten oder Energierechnungen bezahlen sollen."
Die Caritas blicke mit großer Sorge auf die nächsten Monate, sagte die Generalsekretärin: "Es gab im Frühjahr Stundungen von Mieten oder Energierechnungen. Diese werden nun fällig. Die Menschen können das aber nicht bezahlen. Hier braucht es eine Lösung von Politik und Wirtschaft."
Die Caritas könne zwar in vielen Fällen über die Sozialberatungsstellen helfen, "dass die Wohnung wenigstens warm bleibt", aber: "Denken Sie an die vielen Arbeitslosen oder Sozialhilfe-Empfänger, die in Not geraten sind. Es wäre wichtig, dass sie genügend Geld haben, um wenigstens die wichtigsten Rechnungen bezahlen zu können."
Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit brauche es zudem deutlich mehr Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, so Paar, "damit Menschen jetzt nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen oder aus ihr nicht mehr rausfinden".
Die Caritas-Generalsekretärin wies weiters auf die besonders negativen Effekte der Pandemie auf Kinder und Jugendliche hin: "Wir sehen, dass Kinder und Jugendliche ganz besonders betroffen sind." Das habe mit den Schulschließungen im ersten Lockdown begonnen. Es gebe Studien über die negativen Folgen dieser Maßnahme. "Besonders Kinder fühlten sich am häufigsten einsam. Dazu kommen die existenziellen Sorgen der Eltern. Junge Menschen haben oft den Anschluss in der Schule verloren oder finden derzeit keine Arbeit. Wir müssen wirklich darauf achten, dass die Folgen für diese Generation abgemildert werden."
Seitens der Caritas wollen man gerade Kinder und Jugendliche unterstützen. Sie plädiere für einen "Pakt für Kinder", sagte Parr: Um allen Kindern eine altersgerechte Entwicklung, soziale Teilhabe und ein Leben ohne Armut zu ermöglichen, brauche es mehrere Säulen: eine materielle Absicherung der Familien, Investitionen in Bildung und Gesundheit.
Laut offizieller Statistik waren in Österreich schon vor der Corona-Krise 231.000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet, kritisierte die Caritas-Generalsekretärin: "Das ist unerträglich für ein wohlhabendes Land wie Österreich. Hier braucht es jetzt einen breiten politischen Schulterschluss."
Auf die Gefahr eines Pflegenotstands angesprochen sagte die Caritas-Generalsekretärin: "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind enorm gefordert. Aber schon vor Corona war eine umfassende Pflegereform dringend notwendig." Aufgrund der demografischen Entwicklung werde man in den nächsten zehn Jahren 75.000 Personen im Pflege- und Sozialbereich ausbilden müssen, um nur die bestehenden Angebote aufrechterhalten zu können.
Deshalb brauche es eine sehr schnelle Ausbildungsoffensive, so Parr: "Das Image des Pflegeberufes muss sich verbessern. Es ist ein extrem schöner, vielfältiger Beruf. Wir müssen junge Menschen oder Quereinsteiger begeistern. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich in diesen Berufen weiterzuentwickeln. Aber die Ausbildung muss kostenlos und flächendeckend angeboten werden."