Es braucht eine weltweite globale Solidarität, da sich eine Pandemie nicht lokal oder auch kontinental allein bekämpfen läßt Selbst wenn Europa durchgeimpft ist, aber andere Länder noch nicht, sind wir nicht aus dem Schneider!
Es braucht eine weltweite globale Solidarität, da sich eine Pandemie nicht lokal oder auch kontinental allein bekämpfen läßt Selbst wenn Europa durchgeimpft ist, aber andere Länder noch nicht, sind wir nicht aus dem Schneider!
Wiener Erzbischof bekräftigt in ORF-Pressestunde Kritik an Vorgehen der Glaubenskongregation: "Glücklich war ich nicht". Respekt für Vorgehen der Regierung in Corona-Bekämpfung . Missbrauch: Österreich dank Klasnic-Kommission weltweit Vorreiter bei Aufklärung und Transparenz . Flüchtlinge: Europa und Österreich trägt Mitschuld durch Waffenindustrie.
Kardinal Christoph Schönborn hat seine Kritik an der Vorgehensweise der vatikanischen Glaubenskongregation in der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bekräftigt: "Glücklich war ich nicht - weder über den Zeitpunkt noch über die Art der Kommunikation", sagte der Wiener Erzbischof am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Auch wenn er das hinter den Aussagen stehende Anliegen teile - nämlich die Wertschätzung der sakramentalen Ehe zwischen Mann und Frau -, so liege in der Art und Weise der Vermittlung doch ein "eindeutiger Kommunikationsfehler" vor, monierte der Kardinal. Zudem hätte er sich als langjähriges Mitglied der Glaubenskongregation gewünscht, dass dieses "sehr heikle Thema" im Kardinalsrat als dem Leitungsgremium der Kongregation besprochen werde.
Er bedaure, dass sich viele gleichgeschlechtliche Menschen und Paare durch die Aussagen verletzt fühlten - Kirche solle schließlich stets "mater et magistra" sein, also Mutter und Lehrerin; "zuerst kommt da die Mutter". Daher könne er verstehen, wenn sich gleichgeschlechtlich liebende Menschen nun fragten "Hat diese Mutter keinen Segen für mich?" Und an die eigene Kirche richtete Schönborn den Appell: "Wir sollten weniger über Sexualität reden und mehr über Liebe; mehr über gelingende Beziehungen und weniger über die Frage, was erlaubt ist und was nicht."
"Bin heute gesünder als vor einem Jahr"
Respekt zollte Schönborn in dem Interview, in dem er von Doris Helmberger-Fleckl ("Die Furche") und Andreas Mayer-Bohusch (ORF) befragt wurde, der Regierung im Blick auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie: Er beneide niemanden, der in dieser schwierigen Situation Entscheidungen treffen müsse. "Es sind Eingriffe in die Freiheitsrechte, ja, aber was ist die Alternative? Haben wir eine andere Wahl?" Er teile das Gefühl vieler Menschen, der Pandemie "müde" zu sein, zugleich habe ihm die Pandemie aber auch eine "Ruhepause" geschenkt, durch die er zwei schwere Erkrankungen auskurieren konnte. "Ich bin heute gesünder als vor einem Jahr."
Zuversichtlich zeigte sich der Kardinal im Blick auf die laufende Impfkampagne: "Bitte lassen Sie sich impfen", appellierte Schönborn an die Bevölkerung. Nur so könne mittelfristig die Pandemie überwunden und zu einem normalen Leben zurückgekehrt werden. Zugleich aber erinnerte Schönborn an das Problem der Ungerechtigkeit in der Impfstoffverteilung: Es brauche "weltweite globale Solidarität", da sich eine Pandemie nicht lokal oder auch kontinental allein bekämpfen lasse. "Selbst wenn Europa durchgeimpft ist, aber andere Länder noch nicht, sind wir nicht aus dem Schneider!"
Missbrauch: Österreich bei Aufarbeitung dank Klasnic-Kommission Vorreiter
Mit Blick auf die aktuelle Debatte in Deutschland über systematische Vertuschungen beim Thema Missbrauch unterstrich Kardinal Schönborn einmal mehr den österreichischen Weg, der "weltweit als exemplarisch" gelte. Nach dem Bekanntwerden der ersten Missbrauchsfälle und dem Aufbrechen des Themas habe er die damalige Regierung um die Einrichtung einer entsprechenden staatlichen Kommission zur Aufarbeitung gebeten. Nachdem man sich regierungsseitig dazu nicht bereit erklären wollte, habe er die Gründung der sogenannten "Klasnic-Kommission" als unabhängig agierende Kommission angeregt, deren Empfehlungen die Kirche seither stets nachgekommen sei. "Dieser Weg, wie die Kirche in Österreich mit dem Missbrauchsthema umgegangen ist, hat international viel Anerkennung gefunden", so Schönborn.
Angesichts des Urteils des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) in der Frage des assistierten Suizids appellierte Schönborn an die Regierung, bei der notwendigen Gesetzesnovelle "sehr vorsichtig" vorzugehen, damit es nicht zu einem "Dammbruch" komme. Schließlich habe das VfGH-Urteil den seit Jahrzehnten geltenden politischen Konsens in der Frage - nämlich den Vorrang für Hospizbewegung und Palliativmedizin - zur Disposition gestellt. Zugleich erinnerte Schönborn daran, dass jeder Einzelne etwa in Form einer Patientenverfügung es in der Hand habe, seinen Willen bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen zu artikulieren.
Flüchtlingspolitik: Problem ist Waffenexport
Schließlich unterstrich der Kardinal zum Thema Flüchtlingspolitik, dass die Hilfe vor Ort die beste Prävention von Fluchtbewegungen sei. "Hier brauche es aber auch eine österreichische und eine europäische Gewissenserforschung: Denn wir verdienen kräftig an den Waffenlieferungen in die Kriegsgebiete", kritisierte der Kardinal. "Wir produzieren somit die Flüchtlinge und das Elend." Und er erneuerte das auch von vielen Gemeinden und Bürgermeistern mitgetragene Anliegen, dass Österreich zumindest 100 besonders bedrängte und asylberechtigte Familien aufnehmen möge.
Nach einem möglichen Nachfolger bzw. nach einer Ernennung eines Nachfolgers für ihn als Erzbischof von Wien gefragt, sagte Kardinal Schönborn abschließend, er verspüre "keine Amtsmüdigkeit", jedoch hege er die Hoffnung, "dass möglichst bald und zügig an einen Nachfolger gedacht wird". Wann dies sein wird, stehe jedoch in den Sternen - "vermutlich weiß das derzeit nicht einmal der Papst selber".