"Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten"
"Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten"
Erklärung der Bischofskonferenz zum "Tag des Lebens" (1. Juni) nennt Erwartungen für künftiges Suizidbeihilfe-Gesetz: Suizidwillige vor Einflussnahme Dritter schützen, Palliativ- und Hospizangebote ausbauen, Menschenwürde "nicht der Leistungslogik opfern"
Klare Erwartungen an den Gesetzgeber für die Neuregelung der Suizidbeihilfe in Österreich hat die Bischofskonferenz in einer am Montag veröffentlichten Erklärung formuliert. Den absoluten Wert des Lebens gelte es hochzuhalten und Maßnahmen zu finden, "die verhindern sollen, dass aus rechtlichen Möglichkeiten zum assistierten Suizid ein 'inneres Sollen' wird". In ihrem fünfseitigen Schreiben zum kirchlichen "Tag des Lebens" (1. Juni) geben die Bischöfe gebündelt "Orientierung" für die vom Verfassungsgerichtshof angeordneten Gesetzesänderungen und mahnen dabei eindringlich, nicht vom Grundsatz des umfassenden Schutzes des Lebens in all seinen Phasen abzukommen.
Schutz des Menschen hat Vorrang
Der Schutz von Menschen in Suizidgefahr steht an vorderster Stelle der Forderungen der Bischöfe; vor allem müsse dies durch Suizidprävention geschehen, die abgesichert, ausgebaut und Ziel des Staates bleiben solle. Dazu gehöre eine verfüg- und leistbare Palliativ- und Hospizversorgung, psychosoziale Begleitung in Krisen mit Rechtsanspruch sowie ein "Schulterschluss gegen die Epidemie der Einsamkeit". Suizidwillige müssten aber auch vor Einflussnahme Dritter geschützt werden und über ihre Krankheit sowie über Möglichkeiten an Palliativ- und Hospizangeboten sowie Psychotherapie so verlässlich informiert werden, dass ein Irrtum bei der Einschätzung der eigenen Lebenssituation auszuschließen sei.
Schutzgesetze sind aus Sicht der katholischen Kirche auch auf anderer Ebene nötig: Etwa durch Sicherstellungen, dass Suizidassistenz weder als Leistung von Ärzten noch sonst eines Gesundheits- oder Pflegeberufs klassifiziert wird, da diese immer "im Dienst des Lebens und nicht des Todes" stehen müssten. Niemand - weder Privatpersonen noch Krankenhausträger, Pflegeheime oder sonstige Einrichtungen - dürfe zur direkten oder indirekten Mitwirkung an einem Suizid gedrängt werden. Schließlich pochen die Bischöfe auch auf die Absicherung des Verbotes der Tötung auf Verlangen; nachdem sich schon mehrere Seiten dazu begrüßend geäußert hätten, sollte das Parlament nun dafür eine Verfassungsmehrheit finden.
Wert des Lebens hochhalten
Auch sehr grundsätzliche Überlegungen formulieren die Bischöfe in ihrer fünfseitigen Erklärung. Etwa, dass die Entscheidung der Verfassungsrichter zu respektieren sei, "gutheißen muss man sie aber nicht". Es sei dies ein Ausdruck einer "Werteverschiebung mit gravierenden Folgen für unsere solidarische Verantwortung" wie auch eine Aufhebung des Konsenses, "dass jeder Suizid eine menschliche Tragödie ist". "Sollte es nicht unser gemeinsames Anliegen sein, den Selbstwert des Menschen in jeder Phase seines Lebens hochzuhalten, statt ihn einer - vielleicht sogar selbst auferlegten - Leistungslogik zu opfern?", hinterfragen die Amtsträger der Kirche in Österreich.
Behutsamer Umgang mit dem Begriff der Selbstbestimmung
Zur Vorsicht mahnt die Erklärung im Umgang mit dem Begriff der Selbstbestimmung. Es sei illusorisch anzunehmen, der Mensch könne in jedem Moment vollständig und unabhängig über sich selbst bestimmen: In Wahrheit sei er ein soziales Wesen, das von Erwartungen und Wertzuschreibungen abhänge und immer auf andere angewiesen sei. Lebensanfang und -ende zeigten vor, "dass wir uns das Leben nicht selbst gegeben haben". Christen seien überzeugt, dass Gott dem Menschen mit dem Leben auch die Freiheit geschenkt habe. Orientierung für deren Verwendung gäben Gottes Gebote - darunter "du sollst nicht töten!" -, als "Wegweiser zu einem Leben in größerer Achtsamkeit und Wertschätzung".
Leben in Demut und Dankbarkeit annehmen
"Zum Leben gehört das Sterben, aber nicht das Töten", stellen die Bischöfe fest und rufen mit Blick auf den "Tag des Lebens" dazu auf, "in den entscheidenden bioethischen Fragen nicht der Gleichgültigkeit oder Mutlosigkeit das letzte Wort zu überlassen". Stattdessen gelte es, den Wert des Lebens - der nie durch äußere Zuschreibung, sondern allein in der menschlichen Existenz und damit in Gott begründet sei - mit "Demut und neuer Dankbarkeit" anzunehmen und die Gesellschaft und Politik zu einem "umfassenden Schutz des Lebens" zu ermutigen, denn: "Wir sind einander anvertraut!", wie die Bischöfe betonen.