Die Asyl- und Migrationsproblematik lasse sich in Europa nicht mehr national regeln, hob der Caritas-Präsident hervor.
Die Asyl- und Migrationsproblematik lasse sich in Europa nicht mehr national regeln, hob der Caritas-Präsident hervor.
Die Linie der Caritas sei immer gewesen, dass es nicht Flüchtlingsstatus für alle Asylwerber geben kann, so Landau. Kritik an Chats und Jobvergaben. Sorge um Langzeitarbeitslose und wegen Sterbehilfeurteil.
Caritas-Präsident Michael Landau hat sich in der ORF-Pressestunde am Sonntag gegen eine Anlassgesetzgebung infolge des Falles Leonie ausgesprochen, aber die Notwendigkeit von Abschiebungen betont. Wer - so wie die Afghanen im Fall der Tötung von Leonie - ein Gewaltdelikt verübt habe und ein Sicherheitsrisiko darstelle, habe sein Recht auf Schutz in Österreich verwirkt, "es darf keinen Platz für ihn geben". Jetzt Verschärfungen des Asylrechts zu fordern sei aber nicht zielführend, denn "Anlassgesetzgebung ist immer etwas Schlechtes".
Landau betonte, das die Linie der Caritas immer gewesen sei, dass es nicht Flüchtlingsstatus für alle Asylwerber geben könne. Er erinnerte, dass es die Caritas war, die als erste NGO mit einer Rückkehrberatung begonnen habe. Der Caritas gehe es nicht um ein Auswalzen der Verfahren in alle Instanzen, sondern um faire Verfahren unter Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dazu gehöre das glaubwürdige Vermitteln und Wissenlassen, dass die, die nicht bleiben können, das erfahren.
Versäumnisse der Vergangenheit, die Landau im Zusammenhang mit dem Fall Leonie ortete, seien die Kürzungen beim Gewaltschutz und bei der Integration. Der Fall des getöteten Mädchens mache ihn traurig und wütend, sagte er. Die Täter müssten mit voller Härte des Gesetzes bestraft werden. Es dürfe aber keinen Generalverdacht gegen Afghanen geben. Das IHS habe jedoch in einer Studie formuliert, dass die jungen Männer dieses Landes "ein schwieriges patriarchalisches Gesellschaftsbild" mitbrächten.
Was Abschiebungen nach Afghanistan betrifft, müsse die Situation für jeden Fall aktuell bewertet werden, da sich durch den Vormarsch der Taliban alles rasch ändere. Es müsse geprüft werden, welcher Gruppe der Betreffende angehöre und aus welcher Region er komme.
Die Asyl- und Migrationsproblematik lasse sich in Europa nicht mehr national regeln, hob der Caritas-Präsident hervor. Es müsse stärker daran gearbeitet werden, dass es sichere Zugänge gebe, um Schlepperei zu verhindern, und dass international größere Solidarität geübt werde: "Italien, Spanien und Griechenland werden das nicht alleine schaffen."
Weiterer ganz wesentlicher Punkt sei die Hilfe vor Ort. Landau erinnerte, dass die Massenfluchtwelle begonnen habe, als 2014 die UN-Hilfslieferungen für Syrien zurückgefahren worden seien. "Die Eltern wollten nicht ihren Kindern beim Verhungern zuschauen." Österreich leiste in der Entwicklungszusammenarbeit Beträchtliches, so der Caritas-Präsident, u.a. auch die staatliche ADA. Kriege und der Klimawandel seien gewaltige Herausforderungen.
Weiterhin insistierte Landau auf der Aufnahme von 100 Familien mit Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern, so wie dies auch vor kurzem die Bischöfe gefordert hätten. Viele Gemeinden hätten sich bereit erklärt, ihre Unterbringung zu organisieren.
Befragt zur Regierung und den "Kirchen-Chats" sagte Landau, er fordere keine öffentliche Entschuldigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz wegen seiner Chats zur Bischofskonferenz. Das sei abgeschlossen. Doch er sehe das Problem grundsätzlicher. "Was man gesehen hat, war ein Blick in den Maschinenraum der Republik - wie die Spitzenjobs vergeben werden." Wenn zuletzt immer vom "Mindestabstand" die Rede gewesen sei, so sollte jetzt auch ein "Mindestanstand" eingehalten werden. Er wünsche sich - so Landau - für die Politik "Respekt und Gespräche auf Augenhöhe". Der Weg über Gerichte sei "nicht gut für die Republik".
Besorgt zeigte sich der Caritas-Präsident zum Sterbehilfeurteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Es habe einen 20-jährigen parteienübergreifendem Konsens beendet. Das künftige Gesetz müsse vor allem beachten, dass Hospize als beste Einrichtungen zur Suizidprävention leistbar und kassenfinanziert würden; weiters müsse jede Form der Geschäftemacherei verhindert werden.
Landau warnte vor einer Entwicklung wie in den Niederlanden oder im US-Bundesstaat Oregon. "Wenn man sich die Sterbehilfe-Zahlen dort ansieht, stimmt das nachdenklich. Es darf nicht sein, dass Menschen unter Druck gesetzt werden."
In der ORF-Pressestunde weiter angesprochen wurde die soziale Krise infolge der Covid-Pandemie. Die Regierung müsse aufpassen, dass die hohen Kosten der bisherigen Hilfen beim Konsolidieren nicht auf Kosten der Schwächsten gehen. Hier bereitet Landau vor allem die hohe Langzeitarbeitslosigkeit Sorge. Er plädiert für eine nochmalige Verlängerung des Zuschusses und eine Wiedereinführung der Mindestsicherung. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die jetzige Sozialhilfe "bürokratischer ist, dafür erhalten die Menschen weniger Hilfe".
Die von der WKO geforderte radikale Staffelung des Arbeitslosengeldes hält Landau für "lebensfern". Denn "wie kann eine kinderreiche Familie von 40 Prozent leben"? Grundsätzlich sei ein Modell mit hohem Einstieg und degenerativen Beträgen schon zu diskutieren, "aber jetzt ist kein guter Zeitpunkt".