Festakt im Wiener Kardinal-König-Haus zum 20-Jahr-Jubiläum der Patristischen Tagungen. Moskauer Außenamtsleiter Metropolit Hilarion würdigt ökumenische Initiative.
Freundschaften über Konfessionsgrenzen hinweg sind eine wesentliche Voraussetzung für gelingende Ökumene. Das hat Kardinal Christoph Schönborn beim Festakt zum 20-Jahr-Jubiläum der Patristischen Tagungen Donnerstagabend in Wien betont. Bei diesen Tagungen kommen führende Fachleute für die christliche Literatur der sogenannten "Kirchenväter" des ersten Jahrtausends aus ganz Europas zusammen. Schönborn bezeichnete die Initiative als ein "Netzwerk der Wissenschaft und der Freundschaft". Und er fügte im Blick auf den offiziellen Dialog zwischen der Katholischen und Orthodoxen Kirche hinzu: "Auch wenn der offizielle Dialog bisweilen mühsam ist, der Dialog bei den Patristischen Tagungen funktioniert sehr gut."
Der Wiener Erzbischof berichtete einmal mehr, wie ihm in jungen Jahren ein orthodoxer Geistlicher aus einer Glaubenskrise geholfen hatte. Andrei Scrima, ein rumänisch-orthodoxer Mönch und bedeutender Theologe, der u.a. auch als orthodoxer Vertreter am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) teilgenommen hatte, habe ihm und anderen jungen Dominikanermönchen die Kirchenväter auf so lebendige und existenzielle Weise näher gebracht, dass er bis heute davon zehre, betonte der Kardinal. Das sei auch eine wesentliche Motivation dafür gewesen, dass er sich für die Patristischen Tagungen stark gemacht habe.
Die erste Patristische Tagung in Wien im Jahr 2001 fand zu einer Zeit statt, als der offizielle katholisch-orthodoxe Dialog ausgesetzt war. Die Anregung dazu kam von Schönborn und der Pariser Kirchenväter-Spezialistin Ysabel de Andia. De Andia war auch in Wien beim Festakt mit dabei und erinnerte an die Anfänge des Projekts und unterstrich dessen drei wesentliche Dimensionen: ökumenisch, akademisch und europäisch.
Ziel sei gewesen, "Orthodoxe und Katholiken zusammenzubringen, die Patristik oder Theologie an den Philosophischen oder Theologischen Fakultäten lehren" und "denen die Liebe zu den Kirchenvätern des ersten Jahrtausends gemeinsam ist", so die Patrologin. Die Begrenzung auf das erste Jahrtausend weise auf den Wunsch hin, "sich in eine Zeit vor der großen Spaltung der griechischen und lateinischen Kirche zu versetzen, eine Zeit, in der die Kirchen die Vielfalt ihrer Traditionen entfalteten und ihre Einheit in den Ökumenischen Konzilien fanden".
Die Teilnehmenden der Tagungen würden zudem "als Europäer eingeladen", betonte de Andia weiter. Dabei habe man ein Europa im Blick, "das sich nicht an den Grenzen der Europäischen Union orientiert, sondern an der Nachwelt der byzantinischen und lateinischen Kirche".
Aus Moskau war Metropolit Hilarion (Alfejew), Leiter des Außenamts der Russisch-orthodoxen Kirche live zugeschaltet. Er hatte an den ersten vier Patristischen Tagungen teilgenommen und würdigte in seiner Rede die Initiative, die unbedingt weitergeführt werden soll, um auch weiterhin Beiträge zur gegenseitigen Bereicherung zu leisten. Bei den Kirchenvätern handle es sich nicht nur um ein Thema der Wissenschaft. Vielmehr gehe es - auch heute - ganz praktisch um Leitlinien und Orientierungshilfen für ein geglücktes christliches Leben.
"Pro Oriente"-Präsident Alfons Kloss nannte die Patristischen Tagungen ein Beispiel fruchtbarer Ökumene. Die Kirchenväter seien starke Zeugen der Einheit der Kirche "und sie helfen uns dabei, den Weg zurück zur Einheit zu finden".
Von 2001 bis 2009 veranstaltete die Stiftung Pro Oriente die Tagungen. Ab 2010 wurden die Tagungen unter der Leitung von Prof. Theresia Hainthaler auf eigene Initiative weitergeführt. Pro Oriente war aber auch in der Zwischenzeit unterstützend tätig und ist für die Durchführung der aktuellen zehnten Tagung gemeinsam mit Prof. Hainthaler verantwortlich, die zentrale Wegmarken der vergangenen 20 Jahren in die Moderation des Festakts einfließen ließ.
Atanaz Orosz, Bischof von Miskolc der ungarischen Griechisch-katholischen Kirche, der die Patristische Tagung 2012 in Esztergom organisiert hatte, zitierte in seinem Grußwort den Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, mit den Worten: "Je näher wir Christus kommen, desto näher kommen wir auch einander." Als ein künftig bedeutsames ökumenisches Thema ortete er die Bemühungen um ein gemeinsames Osterdatum.
Weitere Grußworte kamen von José Rico Pavés, Bischof der südspanischen Diözese Jerez de la Frontera, vom griechisch-orthodoxen Erzbischof von Amerika, Elpidophoros (Lambriniadis) sowie dem britischen orthodoxen Priester und Patrologen Prof. Andrew Louth. Seit dem ersten Treffen 2001 habe die Teilnehmenden der Tagungen der Appell von Papst Johannes Paul II. bewegt, dass die Kirche in Europa wieder mit beiden Lungenflügeln atmen solle, so Louth, der sich davon überzeugt zeigte, "dass die Kirche weniger durch die Hierarchie zusammengehalten wird als durch das, was man als geistliche Sehnen bezeichnen könnte, die uns alle miteinander verbinden".
Der Festakt im Wiener Kardinal-König-Haus war eingebettet in die zehnte Patristische Tagung, die das Thema "Inherited sin?" behandelt. Die "Erbsünde" wird dabei aus verschiedensten Perspektiven und in fast 40 Vorträgen und Impulsen von katholischer und orthodoxer Seite behandelt. Die breite Reichweite der Tagung zeigt sich an den Herkunftsländern der Teilnehmenden bzw. den Ländern, in denen diese ihre Lehrtätigkeit ausüben: Deutschland, Ukraine, Großbritannien, Serbien, Frankreich, Polen, Tschechien, Russland, Schweiz, Italien, Rumänien, Spanien, Griechenland, Niederlande, Bulgarien, Irland und Österreich. Die Tagung dauert noch bis Samstag.
Am Festakt nahmen u.a. auch der Wiener armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan, der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz, Erzabt Korbinian Birnbacher, der Generalvikar des Ordinariats für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich, Yuriy Kolasa, sowie der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Prof. Rudolf Prokschi, teil.